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Auf den Brettern, die die Welt bedeuten

Über die pädagogische Bedeutung des Bühnenspiels

Wolfgang Peter

Auf den Brettern, die die Welt bedeuten, werden auf spielerische Weise eine Fülle essentieller menschlicher Fähigkeiten erarbeitet und geübt, die gerade in unserer komplexen modernen Welt immer bedeutender werden – aber zugleich immer seltener zu finden sind. Dazu zählen sprachliche Ausdruckskraft, Kommunikationsfähigkeit, soziale Kompetenz – und vorallem Selbstsicherheit in der eigenen Lebensführung und im Umgang mit anderen Menschen. Es geht, mit einem Wort, um Persönlichkeitsbildung. Und diese vollzieht sich heute nicht einfach von selbst, sondern sie muss gezielt gefördert werden. Die ganze Allgemeinbildung und alle spezielleren fachlichen Kenntnisse, die zweifellos auch in der Schule vermittelt werden sollen, taugen wenig, wenn sie später nicht durch eine starke in sich gegründete Persönlichkeit im praktischen Leben tatkräftig umgesetzt werden können. Eine altersgemäße, schrittweise sich entfaltende Persönlichkeitsbildung war daher von Anfang an das Hauptanliegen der Waldorfpädagogik – und das Bühnenspiel in der Schule kann dazu einen wesentlichen Beitrag leisten.

Die modernen elektronischen Medien und Kommunikationsmittel, die sich längst zu einem unentbehrlichen Bestandteil unseres Alltagslebens gemacht haben und auch im öffentlichen Schulbetrieb immer mehr propagiert werden, fördern die sozialen Fähigkeiten des Kindes und des heranwachsenden Jugendlichen nicht, sondern treten ihnen, wie mittlerweile viele Studien deutlich zeigen, in bedenklichem Ausmaß hemmend entgegen. Hinter den Bildschirm verbannt, werden unsere Kinder zunehmend in eine soziale Isolation getrieben, unter der nicht nur die zwischenmenschlichen Beziehungen leiden, sondern sich auch das gesunde Selbstwertgefühl nicht entfalten kann. Verhaltensauffälligkeiten, nervöse Hyperaktivität, mangelnde soziale Integration, eine allgemeine Ziel- und Antriebslosigkeit und nicht zuletzt Drogenmissbrauch und Gewalttätigkeit sind häufig die Folge. Man muss deswegen die Errungenschaften unseres modernen Zivilisationslebens nicht verteufeln. Wir müssen mit ihnen als gegebenem Faktum rechnen, wir müssen daher die Schüler lehren, kompetent und verantwortungsvoll mit ihnen umzugehen – aber wir müssen zugleich ein starkes Gegengewicht setzten, das die rein menschlichen Qualitäten des Kindes so stärkt, dass es nicht seelisch im Räderwerk unserer Maschinenwelt und unserer technokratischen Strukturen zerrieben wird.

In der schönen, ausdrucksvollen und wohlklingenden Sprache offenbart sich die Seele des Menschen am allermeisten. Und nicht zufällig hat seit der beginnenden industriellen Revolution im 19. Jahrhundert von allen menschlichen Fähigkeiten die Sprache den größten Schaden genommen. Der dramatisch sich beschleunigende Wortschatzverlust und die mangelnde Ausdrucks- und Artikulationsfähigkeit können nicht mehr übersehen werden. Die Sprachbildung muss also zuallererst gefördert werden. Dazu kann schon der Sprachunterricht wesentlich beitragen, wenn er sich nicht bloß auf die intellektuelle Interpretation der Literatur und auf grammatikalische Spitzfindigkeiten alleine stützt, sondern vordringlich die Begeisterung für das gesprochene, künstlerisch gestaltete und unmittelbar lebendig erlebte Wort weckt. Und das gilt nicht nur für die Muttersprache, sondern genauso für die Fremdsprachen. Wie in einem Brennpunkt konzentriert lassen sich diese Fähigkeiten im Bühnenspiel erüben. Wohl wird man anfangs einige Hemmungen überwinden müssen, wozu der Lehrer einiges Geschick und menschliches Einfühlungsvermögen braucht – aber wenn sie überwunden sind, wird gerade das das Selbstwertgefühl des Schülers bedeutend steigern, sein kreatives Potential wecken und letztlich in einem geradezu lustvollen spielerischen Umgang mit der Sprache münden. Diese Erfahrung konnte ich in meiner Arbeit mit den Schülern jedenfalls immer wieder machen.

Was den Menschen von allen anderen Lebewesen auf Erden signifikant unterscheidet und ihn als vernunftbegabtes frei handelndes Wesen über die triebbehaftete und instinktgeleitete Tierwelt weit hinaushebt, ist seine aufrechte Körperhaltung. Gerade um diese ist es aber gegenwärtig oft recht schlecht bestellt. Hängende Schultern, verkrümmte Rücken und schlurfenden Gang sieht man heute, namentlich bei Jugendlichen, recht häufig. Auch hier kann das Bühnenspiel gegensteuern - denn auf der Bühne muss man eine Rolle verkörpern. Was bedeutet es, eine Rolle zu verkörpern? Es bedeutet, dass man seine Körperhaltung, seinen Schritt und seine Gestik auf charakteristische Weise lebendig verwandeln muss, so dass sie dem darzustellenden Rollentypus gerecht wird. Man muss dazu zwangsläufig die eigenen erworbenen Haltungsunarten überwinden und lernt freier und bewusster den eigenen Körper so zu tragen, dass sich durch ihn unbeschwert die seelische Innenwelt der Bühnenfigur offenbaren kann. Und von dem, was man so auf den Brettern, die die Welt bedeuten, spielerisch erworben hat, nimmt man eine gehörige Portion für das Leben in der Welt draußen mit.

In der Pubertät neigen die Jugendlichen oft stark dazu, sich grüblerisch in sich selbst zu versenken. Sie suchen sich, können sich aber nicht finden - was nicht selten zu einem merkwürdig depressiven Unterton des ganzen Seelenlebens führt, der gelegentlich sogar latente Selbstmordgedanken aufkommen läßt. Es ist nicht gut, wenn man den Jugendlichen als hilflosen Gefangener seiner selbst beständig im eigenen Saft schmoren läßt. Wer sich nicht über sich stellen und auch gelegentlich herzlich über die eigenen Unzulänglichkeiten lachen kann, wird sich allzu leicht ängstlich und unsicher vor der Welt verschließen - wenngleich sich das oft hinter der Maske eines übertrieben zur Schau gestellten exaltierten, provokanten Betragens verbirgt. Sich selbst finden kann man überhaupt nur, wenn man von sich selbst loskommen und sich selbst frei gegenübertreten kann. Dazu kann das Rollenspiel, bei dem man in einen ganz fremden Charakter hineinschlüpfen muss, manchen Anreiz geben.

Nicht zuletzt bietet das Bühnenspiel viele Möglichkeiten für einen fächerübergreifenden, ganzheitlich orientierten Unterricht. Im Zentrum stehen natürlich die sprachlichen Fächer, dazu kann sich aber bei einem historischen Thema leicht der Geschichtsunterricht gesellen, vielleicht auch der Psychologie- und Philosophieunterricht in der Oberstufe, und selbstverständlich die bildende Kunst, der Handwerks- und Handarbeitsunterricht, die für die Bühnenbild- und Kostümgestaltung unerlässlich sind.

Vorallem aber wird durch das gemeinsame Bühnenspiel der soziale Zusammenhalt in der Klasse und die Beziehung der Kinder zum Lehrer und des Lehrers zu den Schülern bedeutsam gefördert. Je näher das gemeinsame Ziel, nämlich die Aufführung, rückt, desto deutlicher tritt das hervor. Und eines kann man gewiss sein: Vieles, ja vielleicht das meiste, was man in der Schule gelernt und erlebt hat, wird man bald nach dem Abgang von der Schule vergessen haben – und das ist wohl auch gut so. An eine gelungene Aufführung, und was man auf dem Weg dorthin an Höhen und Tiefen durchlebt und durchlitten hat, wird man sich oft nach Jahrzehnten noch gerne erinnern.

 
 
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