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Die charakterbildende Kraft der Sprache

und ihre Bedeutung für die zukünftige Menschheitsentwicklung

mit praktischen Übungen aus der Sprachgestaltung

Wolfgang Peter 2004

 

Vokalspruch: Am Anfang war das «A»

Konsonantenspruch: Des Himmels Hauch

Text: Prolog des Johannes-Evangeliums

Aus dem «Wort» wurde die Schöpfung geschaffen. Das Wort liegt als formbildende Kraft der ganzen Natur zugrunde. Das nur geistig Hörbare geht dem sinnlich Sichtbaren und physisch Tastbaren voran. Nicht ohne Grund heißt es in der biblischen Schöpfungsgeschichte:

3Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht. 4Und Gott sah, daß das Licht gut war. Da schied Gott das Licht von der Finsternis 5und nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht. Da ward aus Abend und Morgen der erste Tag.

Das Schöpfungswort klingt nach im großen Umkreis der Natur: im Säuseln des Windes, im Plätschern der Quelle, im Rauschen des Waldes, im Rollen des Donners, in allen Klängen, die die Natur hervorbringt. Niemals sind es bloß gleichgültige Geräusche, sondern durch sie spricht die Seele, der Geist der Natur. Die alten heidnischen Völker vermochten das noch wahrzunehmen – wir haben diese Fähigkeit weitgehend verloren.

Die Natur als großes Ganzes spricht überall zu uns, überall tönt noch das Schöpfungswort nach – zugleich aber verstummt es zunächst in den einzelnen Naturwesen. Es webt noch im Freiraum zwischen den Naturwesen, aber es ruht zunächst schweigend in der Tiefe der Einzelwesen als unhörbare formende Kraft. Im festen harten Stoff, in der toten Materie, ist das schaffende Weltenwort am allermeisten erstorben. Das Wort schweigt in den Mineralien, es schweigt in den Pflanzen, und erst in den höheren Tieren beginnt es unbeholfen und unartikuliert zu tönen. Erst in der Menschensprache beginnt es wieder in seiner eigentlichen Gestalt hervorzubrechen.

Durch die Sprache, durch die artikulierte Lautsprache, unterscheidet sich der Mensch von allen anderen Naturwesen. Durch die Sprache ist er nicht nur Naturwesen, sondern auch Geistwesen, nicht nur Geschöpf, sondern zugleich auch Schöpfer. Durch die Sprache verkörpert sich das Geistige, das Göttliche in ihm. Es ist zunächst das Götterwort selbst, das in ihm, freilich nur als blasses abgeschattetes Klangbild, nachtönt. 

Der Mensch ist nur dadurch Mensch und unterscheidet sich deshalb von allen anderen Naturwesen, dass ihm Schöpferkraft innewohnt. Im sinnlich vernehmbaren «Wort» wird etwas von dieser Schöpferkraft hörbar. Damit der Mensch der artikulierten Lautsprache fähig wird, ist eine Voraussetzung nötig: die aufrechte Haltung. Nur dadurch werden die Sprachorgane aus ihrer horizontalen triebgebundenen Ausrichtung, in die das Tier für immer gefesselt ist, befreit und zum reinen Ausdruck des Geistigen befähigt. Soviel dem Menschen an schöner würdiger aufrechter Haltung fehlt, soviel mangelt ihm auch an klarer artikulierter Sprache, und soviel ihm an wohldurchformter Sprache fehlt, soviel fehlt ihm an wahrer Menschlichkeit. Nur der straff gespannte aufgerichtete Körper ist das feingestimmte Instrument, durch das sich die Sprache so entfalten kann, dass sich durch ihren Klang das innerste Seelische und der geistige Kern des Menschen, sein Ich, offenbart. Wo das Wort, die Sprache nicht innig beseelt und durchgeistigt ist, verkommt es zur leeren Worthülse, zur bloßen Information, die sich nur auf Äußerliches, auf Nicht-Menschliches beschränkt. Auf die lautstark geäußerten humanistischen Ideale braucht man wenig zu geben. Man muss nur die Körperhaltung der Menschen betrachten und den Klang ihrer Stimme belauschen, um zu wissen, wie es um die Menschlichkeit bestellt ist. Danach mag jeder selbst beurteilen, wie es heute um die Menschlichkeit steht.

Das selbstbewusste Denken ist erst eine Folge der Sprachentwicklung. Am Sprechen entwickelt sich das Denken. Nicht zufällig leitet sich das Wort «Logik» vom Logos, vom Wort ab. Im Logos wohnt die Weltenweisheit, die die Welt geschaffen hat. Und erst lange nachdem wir Sprechen gelernt haben, bricht diese Weisheit als eigenständige Kraft bruchstückhaft in der abgeblassten Form des logischen Verstandesdenkens hervor. Im Wort selbst schlummert eine viel tiefere und unfangreichere Weisheit, als wir sie mit dem bloßen Intellekt je erfassen können. Es fehlt dem nüchternen Verstand gerade das Wichtigste: die Menschlichkeit. Dem Verstand mangelt seiner ganzen Natur nach die Menschlichkeit, es mangelt ihm das seelische Empfinden und es fehlt im die Kraft des Lebens. Und darum kann der Verstand auch nur Totes, Mineralisches begreifen. Das macht ihn zu einem wunderbaren Werkzeug für die Technik und für das äußere Wirtschaftleben – und dafür ist er in höchstem Maße zu begrüßen und zu fördern. Aber eben das macht ihn zugleich zum größten Hemmschuh für das geistige, künstlerische und soziale Leben. Er ist nicht das Allheilmittel, als das er heute gerne gepriesen wird, sondern er ist ein schleichendes Gift in allen Bereichen des eigentlich Menschlichen. 

Seit langem ist weltweit ein immer stärker werdender Sprachverfall bemerkbar. Gerade in den weitverbreitetsten Kultursprachen ist dieser Niedergang am deutlichsten zu sehen. Die Volkssprachen büßen immer mehr an lebendigem Wortschatz ein und zerfallen nach und nach. Die menschliche Stimme verliert an klarer Artikulationskraft, die sich in den Konsonanten manifestiert, und an seelischer Ausdrucksfähigkeit, die in den klingenden Vokalen lebt. Die alte Göttersprache verfällt im Menschen. Je weiter man in die Vergangenheit zurückblickt, desto reicher und vielgestaltiger erscheinen die Sprachen. Im alten Sanskrit spricht das Geistige noch sehr unmittelbar zum Menschen, auch noch im Hebräischen und Aramäischen, und wie viel seelenhafter ist das Altgriechische verglichen mit dem trocken-logischen Latein oder gar mit unseren modernen Sprachen. Von unseren gegenwärtigen Sprachen hat das moderne Englisch den aller stärksten Erosionsprozess durchgemacht – und gerade das macht es so geeignet, nüchtern und klar das rein äußerliche technisch-wirtschaftliche Geschehen zu beschreiben.

In urferner Vergangenheit war den Menschen eine gemeinsame Ursprache zueigen, die der reinste Nachklang der Göttersprache war. Rudolf Steiner hat darauf hingewiesen, dass in der Sprache der alten Sumerer noch Reste dieser Ursprache lebendig waren. Mit dem, was in der Bibel als «babylonische Sprachverwirrung» geschildert ist, beginnt die Ursprache in einzelne Volkssprachen zu zerfallen. Und damit beginnen sich überhaupt erst die einzelnen Völker herauszudifferenzieren. Nicht die Völker schaffen ihre Sprache, sondern die Sprachen, oder - besser gesagt – die dahinter stehenden geistigen Wesen, schafft die Völker. Das «Wort» der ursprünglichen Schöpfergötter ist verklungen und an ihre Stelle treten die einzelnen Volksgötter. Zugleich ist es die Zeit, in der die äußere Kulturentwicklung der Menschheit einen großen Sprung nach vorne macht. Die ersten Monumentalbauten entstehen, in der Bibel sinnreich dargestellt durch den «Turmbau zu Babel», und bald entsteht auch die Schrift, durch die das lebendige Wort und die damit verbundenen farbenreichen Imaginationen in kargen physischen Schatten festgehalten werden. Wir stehen damit etwa am Beginn des dritten vorchristlichen Jahrtausends.

Am Ende dieses Prozesses stehen die Maschinensprachen, die Programmiersprachen, die unsere moderne Computerwelt prägen. Das sind «Sprachen», denen nichts Menschliches mehr anhaftet, die auch nicht mehr gesprochen werden, denen alles Seelische und Geistige völlig fremd ist, und die sich in der geordneten logischen Abfolge von Zeichen erschöpfen, die nur mehr auf genau definierte automatisierte maschinelle Vorgänge verweisen. Hier ist das Schöpfungswort endgültig verstummt, sie sind ein völlig künstliches, rein irdisches Produkt – aber ein von Menschen geschaffenes Produkt, übernational (auch wenn sie sich zumeist auf ein primitives englisches Basisvokabular stützen) und nach weltweiter Vereinbarung normiert. Und das eigentliche Paradoxon ist, dass der ersten rein von Menschen geschaffenen Sprache (die Kunstsprache Esperanto ist demgegenüber bloß eine Mischung verschiedener Volkssprachen) jegliche menschliche Dimension mangelt. Was hier zunächst als spezialisierte Randerscheinung des menschlichen Lebens erscheint, weist uns aber die Richtung, in die die natürliche Sprachentwicklung überhaupt geht. Die Volkssprachen werden zerfallen, ebenso die Völker selbst und auch die Kunst des Schreibens wird verloren gehen. Deutliche Symptome dafür sind schon heute zu sehen. Es wird kaum mehr als ein bis zwei Jahrtausende dauern, bis es weltweit für die ganze Menschheit soweit kommt. Bliebe es allein dabei, hätte der Mensch dann endgültig die letzten Reste seiner Menschlichkeit verloren – aber es wird nicht dabei bleiben! 

Text: Für Marie Steiner

Sterne sprachen einst zu Menschen,
Ihr Verstummen ist Weltenschicksal;
Des Verstummens Wahrnehmung
Kann Leid sein des Erdenmenschen;

In der stummen Stille aber reift,
Was Menschen sprechen zu Sternen;
Ihres Sprechens Wahrnehmung
Kann Kraft werden des Geistesmenschen.

(Rudolf Steiner)

Um die weitere, aufsteigende Entwicklung, die den beschriebenen Verfallserscheinungen entgegentritt, zu verstehen, müssen wir uns nochmals auf jene drei Fähigkeiten besinnen, durch die sich der Mensch grundlegend von den Tieren unterscheidet: die Aufrichtekraft, die wohlgeformte Lautsprache und das selbstbewusste Denken. Diese drei Fähigkeiten hängen eng mit dem Seelenleben des Menschen zusammen. Denken, Fühlen und Wollen sind die drei grundlegenden Seelentätigkeiten des Menschen. In der Aufrichtekraft findet der Wille seinen unmittelbaren äußeren Ausdruck, durch die Sprache offenbart sich das vor allem das Gefühl, und im Denken lebt – eben das Denken selbst. Hinter diesen drei Seelenbetätigungen steht der geistige Kern des Menschen, sein Ich, sodass sich folgendes schematisches Gesamtbild des Menschen ergibt:

Ich

Denken

Fühlen

Wollen

Denken

Sprache

Aufrichtekraft  

Die Entwicklung des einzelnen Menschen, wenn er vom Kind zum Erwachsen heranwächst, wie auch die Entwicklung der Menschheit insgesamt, zielt darauf, dass sich Denken, Fühlen und Wollen immer mehr voneinander trennen, immer unabhängiger voneinander werden und nur durch das Ich zusammengehalten werden, das sich dem dreigliedrigen Seelenleben abgesondert gegenüberstellen und es gerade dadurch objektiv und selbstbewusst betrachten kann. In Urzeiten war das noch wenig der Fall und entsprechend schwach war damals noch das Selbstbewusstsein der Menschen ausgebildet. Heute hat sich zumindest das Denken weitgehend von den beiden anderen Seelenfähigkeiten abgelöst und das Ich kann sich, obwohl noch mit einiger Mühe, objektiv betrachtend dem eigenen Denkprozess gegenüberstellen. Gelingt es, so wird sich der Menscher seiner selbst als geistiges Wesen bewusst. Rudolf Steiner hat das sehr ausführlich im ersten Teil seiner «Philosophie der Freiheit» beschrieben.

Im Gegensatz zum Menschen haben die einzelnen Tiere kein individuelles Ich, sondern in allen Tieren einer bestimmten Art wirkt die Gruppenseele. Die Seelenfähigkeiten, die sich beim Menschen als Denken, Fühlen und Wollen darleben, gibt es ansatzweise, aber in doch völlig veränderter Form, auch beim Tier. Nur ist das, was wir als deutlich unterschiedenes Denken, Fühlen und Wollen erleben, kaum geschieden voneinander. Denken, Fühlen und Wollen sind unmittelbar miteinander verbunden und es steht kein eigenständiges Ich dahinter. Was bei uns das eigenständige Denken ist, wird dadurch beim Tier zum vollkommen naturgebundenen Instinkt. Unser Fühlen sinkt zur lust- und leiderfüllten Emotion herab, und das Wollen bleibt bloßer begierdenhafter Trieb. Weil diese Seelenkräfte beim Tier nicht deutlich geschieden sind, wird der Trieb immer unmittelbar durch den Instinkt geleitet und ist zugleich stets von lust- oder leiderfüllten Emotionen begeleitet. Da hinter dem so gearteten tierischen Seelenleben kein eigenständiges Ich steht, kann das Tier auch niemals vollkommen erwachen. Allerdings schläft es auch niemals so tief und bewusstlos wie der Mensch. Das Bewusstsein des Tieres wird niemals so hell, aber auch niemals so dunkel, als das des Menschen, sondern es träumt beständig mit leise rhythmisch wechselnden Helligkeitsgraden des Bewusstseins.

Hingegen sind die einzelnen Seelenfähigkeiten des Menschen mit sehr verschiedenen Bewusstseinsgraden verbunden. Nur im Denken sind wir ganz wach, in der Sprache und dem dahinter webenden Gefühl träumen wir, und im Wollen, das sich äußerlich in der Aufrichtekraft widerspiegelt, schlafen wir.

Künftig werden wir im Sprechen ebenso erwachen, wie uns das in der Vergangenheit im Denken gelungen ist. Das Sprechen wird eine vollbewusste Tätigkeit werden. Das ist heute noch nicht der Fall. Voll bewusst sind wir uns heute nur des gedanklich Gehalts dessen, was wir sprechen. Damit stehen wir aber gar nicht im Kern des eigentlichen Spracherlebens, sondern betrachten nur die das Sprechen begleitende gedankliche Ebene. Bewusst die Sprache erleben heißt hingegen, dass wir ganz wach die Artikulation jedes einzelnen Lautes verfolgen, dass wir bewusst miterleben, wie jeder einzelne Laut gestaltend auf den Körper zurückwirkt und welche Seelenstimmungen, welche Gefühle dabei erregt werden. Rudolf Steiner hat mit der von ihm entwickelten Sprachgestaltung den Weg zu diesem Erleben gewiesen. 

Dann werden wir erleben, was die Konsonanten wirklich sind, nämlich formbildende Kräfte, die überall draußen in der ganzen makrokosmischen Natur gestaltend wirken und die in konzentrierter mikrokosmischer Form den äußeren Leib des Menschen formen. Und in den Vokalen erklingt das innere Seelenleben in siebenfältiger Gestalt. Denn es gibt sieben Urvokale, denen makrokosmisch die 7 klassischen Planeten entsprechen, ebenso wie die zwölf Urkonsonanten den Tierkreiszeichen zugeordnet sind. Planeten und Fixsterne sind das äußerlich sichtbare makrokosmische Abbild des Schöpfungswortes. Die Leibeshüllen des Menschen, d.h. der beseelte lebendige Leib, ist das mikrokosmische Gegenbild dazu. Was tut also der Mensch eigentlich, indem er spricht? Er baut an seiner Hüllennatur, er schafft sich sprechend das Haus, in dem sein Ich auf Erden wohnen kann. Das Götterwort hat einstmals den Menschen geschaffen, in Zukunft wird der Mensch sich selbst durch das Wort schaffen.

Die sprachbildende Kraft der Völker ist verödet und die Zukunft wird viel höhere Anforderungen an die individuelle sprachschöpferische Kraft des Menschen stellen und zugleich die Fähigkeit erfordern, diese Kräfte der anderen Menschen nachschöpferisch in sich zu erfassen – denn sonst wäre eine Verständigung abseits aller Sprachnormen, die es dann eben nicht mehr geben wird, völlig unmöglich. Gerade darin wird zugleich einer der wesentlichsten Antriebe für die künftige Entwicklung der Menschheit liegen. Es wird dadurch ein so inniges Band von Mensch zu Mensch geknüpft werden, wie man sich das heute noch kaum vorzustellen vermag. Wie ein winziges keimendes Samenkorn liegt heute noch die eigentlich menschliche Sprache zwischen dem weltenschaffenden Götterwort und dem an die sinnliche Lust und das irdische Leid gebundenen tierischen Laut. Aber dieses Samenkorn wird nicht von selbst reifen, sondern nur, wenn der Mensch es aus freiem Willen tätig erstrebt. Die zukünftige Sprache wird den Menschen nicht mehr durch die Volksgeister gegeben werden. Der Mensch selbst wird diese Aufgabe übernehmen müssen und aus seinem Ich heraus die Sprache formen. Das wird sich ganz allmählich vollziehen. Die Volkssprache werden sich immer mehr vermischen und durchdringen und immer mehr durch die ganz individuelle wortschöpferische Kraft der einzelnen Menschen verwandelt werden, bis aus den alten Kollektivsprachen eine dem einzelnen Ich angemessene Individualsprache geworden ist, die in keiner Norm mehr zu fassen ist, aber die beredt sprechende Wesensoffenbarung des individuellen Ichs geworden ist.

Das Ich ist der geistige Wesenskern des Menschen. Geist ist Liebe, sich selbst verschenkende Liebe. Aus dieser Liebe zu den Menschen und zur Schöpfung muss die neue Sprache erstehen. Der individuelle Geist, das Ich ist der Quell der Liebe, im Gefühl lebt sie sich seelisch dar und im vokalischen Klang der Sprache offenbart sie sich. Die Liebe bildet das geistige Band, das die individuell sprachschöpferischen Menschen so verbindet, dass sie einander von Herz zu Herz, von Seele zu Seele mitfühlend verstehen können. Das Ich wirkt aber auch in der Willenskraft, die die Konsonanten formt. Willenskraft ist zugleich moralische Kraft. Und diese moralische Kraft wird künftig mit geradezu magischer Gewalt durch die Sprache wirken - nicht als eine Kraft, die zwingt, sondern die völlig freilässt, die aber durch die konzentrierte Willenskraft so substanziell geworden ist, dass sie als wahrhafte Seelennahrung wirkt. Man wird dann unmittelbar durch die Sprache moralische Kraft vermitteln können – jenen, die durch geistige Unterernährung zu schwach geworden sind, diese Kraft selbst aufzubringen. Dann, wenn Liebe und moralische Kraft in der Sprache der Menschen leben wird, dann lebt der Christus mitten unter ihnen und in jedem einzelnen Menschen. Dann erfüllt sich das Paulus-Wort, das Rudolf Steiner immer wieder so zitiert hat:

„Nicht ich, sondern der Christus in mir!“


Übungstexte

Am Anfang war das „A“;
Als man das All am Tag da sah,
ward Adam wach, war Sprachkraft da,
sprach klanghaft: Ah!

Des Himmels Hauch

schuf Hall und Licht

aus Urweltrauch ...

Aus Herzen bricht

der Sprache Hauch,

erwacht ein Ich.

Der Rache Fluch,

der heil’ge Spruch

verhallt im Todeshauch

 

Für Marie Steiner

Sterne sprachen einst zu Menschen,
Ihr Verstummen ist Weltenschicksal;
Des Verstummens Wahrnehmung
Kann Leid sein des Erdenmenschen;

In der stummen Stille aber reift,
Was Menschen sprechen zu Sternen;
Ihres Sprechens Wahrnehmung
Kann Kraft werden des Geistesmenschen.

(Rudolf Steiner)

 

DER EID DES DEMOSTHENES

Verschworen bin ich dem Wort; 

gut sei es und diene der Wahrheit durch Schönheit. 

Gedankenklarheit durchsonn' es an jedem Ort. 

Und jederzeit sei Menschenwürde und Haltung,

sei reines Wollen der Grund meiner 

Sprachgestaltung.

 

Die Zunge halt ich im Zaum,

ist leicht auch der Fluß meiner Rede, 

und brandet und braust auch nicht jede, 

nichts sei nur Luft und Schaum! 

Und ficht und sticht auch mein Ich im 

Zungenschlage, 

mein Zorn sei gerecht und Liebe in dem,

was ich sage.

 

Natur belausche mein Ohr, 

wenn Laute mir raunend sie zeigen. 

Beredt sei, bedeutsam mein Schweigen; 

draus schwinge das Wort sich empor. 

E-i-n Atem durchströme, durchtön' alle

Brüderchöre: 

das Weltenwort, dem meines zu weihen ich

schwöre—!

(Georg Michael)

 

 

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