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Rudolf Steiner

Weitere Regeln in Fortsetzung der «Allgemeinen Anforderungen»

Die folgenden Regeln sollten so aufgefaßt werden, daß jeder esoterische Schüler sein Leben womöglich so einrichtet, daß er sich fortwährend beobachtet und lenkt, ob er namentlich in seinem Innern den entsprechenden Forderungen nachlebt. Alle esoterische Schulung, namentlich wenn sie in die höheren Regionen aufsteigt, kann nur zum Unheil und zur Verwirrung des Schülers führen, wenn solche Regeln nicht beobachtet werden. Dagegen braucht niemand vor einer solchen Schulung zurückzuschrecken, wenn er sich bestrebt, im Sinne dieser Regeln zu leben. Dabei braucht er auch nicht zu verzagen, wenn er sich etwa sagen müßte: «Ich erfülle die damit gestellte Forderung ja doch noch sehr schlecht.» Wenn er nur das innerliche ehrliche Bestreben hat, bei seinem ganzen Leben diese Regeln nicht aus dem Auge zu verlieren, so genügt das schon. Doch muß diese Ehrlichkeit vor allen Dingen eine Ehrlichkeit vor sich selbst sein. Gar mancher täuscht sich in dieser Hinsicht. Er sagt: Ich will in reinem Sinne streben. -Würde er sich aber näher prüfen, so würde er doch bemerken, daß viel verborgener Egoismus, raffiniertes Persönlichkeitsgefühl im Hintergrunde lauern; solche Gefühle sind es namentlich, die sich sehr oft die Maske des selbstlosen Strebens aufsetzen und den Schüler irreführen. Es kann gar nicht oft genug durch innere Selbstschau ernstlich geprüft werden, ob man nicht dergleichen Gefühle doch im Innern seiner Seele verborgen hat. Man wird von solchen Gefühlen immer mehr durch energische Verfolgung eben der hier zu besprechenden Regeln frei werden. Diese Regeln sind:

Erstens: Es soll in mein Bewußtsein keine ungeprüfte Vorstellung eingelassen werden.

Man beobachte einmal, wie viele Vorstellungen, Gefühle und Willensimpulse in der Seele eines Menschen leben, die er durch Lebenslage, Beruf, Familienzusammengehörigkeit, Volkszugehör, Zeitverhältnisse usw. aufnimmt. Solcher Inhalt der Seele soll nicht etwa so aufgefaßt werden, als wenn die Austilgung eine für alle Menschen moralische Tat sei. Der Mensch erhält ja seine Festigkeit und Sicherheit im Leben dadurch, daß ihn Volkstum, Zeitverhältnisse, Familie, Erziehung usw. tragen. Würde er leichtsinnig solche Dinge von sich werfen, so würde er bald stützlos im Leben dastehen. Es ist insbesondere für schwache Naturen nicht wünschenswert, daß sie nach dieser Richtung zu weit gehen. Namentlich soll sich ein jeder esoterische Schüler klar machen, daß mit Beobachtung dieser ersten Regel einhergehen muß die Erwerbung des Verständnisses für alle Taten, Gedanken und Gefühle auch andrer Wesen. Es darf niemals dazu kommen, daß die Befolgung dieser Regel zur Zügellosigkeit oder etwa dahin führe, daß jemand sich sagt, ich breche mit allen Dingen, in die ich hineingeboren und durch das Leben hineingestellt worden bin. Im Gegenteil, je mehr man prüft, desto mehr wird man die Berechtigung dessen einsehen, was in Eines Umgebung lebt. Nicht um das Bekämpfen und das hochmütige Ablehnen dieser Dinge handelt es sich, sondern um das innere Freiwerden durch sorgfältige Prüfung alles dessen, was in einem Verhältnis zu der eignen Seele steht. Man wird dann aus der Kraft dieser eignen Seele heraus ein Licht verbreiten über sein ganzes Denken und Verhalten, das Bewußtsein wird sich dementsprechend erweitern, und man wird sich überhaupt aneignen, immer mehr und mehr die geistigen Gesetze, die sich in der Seele offenbaren, sprechen zu lassen, und sich nicht mehr in die blinde Gefolgschaft der umgebenden Welt stellen. Es liegt nahe, daß gegenüber dieser Regel geltend gemacht werde: Wenn der Mensch alles prüfen soll, so wird er ja insbesondere die okkulten und esoterischen Lehren prüfen müssen, die ihm gerade von seinem esoterischen Lehrer gegeben werden.-Es handelt sich darum, das Prüfen im rechten Sinne zu verstehen. Man kann nicht immer eine Sache direkt prüfen, sondern man muß vielfach indirekt diese Prüfung anstellen. Es ist zum Beispiel auch heute niemand in der Lage, direkt zu prüfen, ob Friedrich der Große gelebt hat oder nicht. Er kann lediglich prüfen, ob der Weg, auf dem die Nachrichten über Friedrich den Großen auf ihn gekommen sind, ein vertrauenswürdiger ist. Hier muß 

die Prüfung am richtigen Ort einsetzen. So hat man es auch mit allem sogenannten Autoritätsglauben zu halten. Überliefert einem jemand etwas, was man nicht selbst unmittelbar emsehen kann, so hat man vor allen Dingen mit dem einem zur Verfügung stehenden Material zu prüfen, ob er eine glaubwürdige Autorität ist, ob er Dinge sagt, die eine Ahnung und Empfindung davon hervorrufen, daß sie wahr sind. An diesem Beispiele wird man ersehen, daß es sich darum handelt, die Prüfung beim richtigen Punkte einzusetzen.

Eine zweite Regel ist:

Es soll die lebendige Verpflichtung vor meiner Seele stehen, die Summe meiner Vorstellungen fortwährend zu vermehren.

Nichts ist schlimmer für den esoterischen Schüler, als wenn er bei einer gewissen Summe Begriffe, die er schon hat, stehen bleiben will, und mit ihrer Hilfe alles begreifen will. Unendlich wichtig ist es, sich immer neue und neue Vorstellungen anzueignen. Falls dies nicht geschieht, so würde der Schüler, falls er zu übersinnlichen Einsichten käme, diesen mit keinem wohl vorbereiteten Begriff entgegenkommen und von ihnen überwältigt werden, entweder zu seinem Nachteil oder wenigstens zu seiner Unbefriedigung; dieses letztere darum, weil er unter solchen Umständen schon höhere Erfahrungen haben könnte, ohne daß er es überhaupt merkte. Die Zahl der Schüler ist überhaupt nicht gering, welche schon ganz umgeben sein könnten von höheren Erfahrungen, aber nichts davon bemerken, weil sie wegen ihrer Vorstellungsarmut sich einer ganz anderen Erwartung hingeben bezüglich dieser Erfahrungen, als die richtige ist. Viele Menschen neigen im äußeren Leben gar nicht zur Bequemlichkeit, in ihrem Vorstellungsleben aber sind sie direkt abgeneigt, sich zu bereichern, neue Begriffe zu bilden.

Eine dritte Regel ist:

Mir wird nur Erkenntnis über diejenigen Dinge, deren Ja und Nein gegenüber ich weder Sympathie noch Antipathie habe.

Ein alter Eingeweihter schärfte es immer wieder und wieder seinen Schülern ein: Ihr werdet von der Unsterblichkeit der Seele erst wissen, wenn ihr ebenso gern hinnehmt, diese Seele werde nach dem Tode vernichtet, wie sie werde ewig leben. Solange ihr wünscht, ewig zu leben, werdet ihr keine Vorstellung von dem Zustande nach dem Tode gewinnen. - Wie in diesem wichtigen Fall ist es mit allen Wahrheiten. Solange der Mensch noch den leisesten Wunsch in sich hat, die Sache möge so oder so sein, kann ihm das reine helle Licht der Wahrheit nicht leuchten. Wer zum Beispiel bei seiner Selbstschau den wenn auch noch so verborgenen Wunsch hat, es mögen die guten Eigenschaften bei ihm überwiegen, dem wird dieser Wunsch ein Gaukelspiel vormachen und keine wirkliche Selbsterkenntnis erlauben.

Eine vierte Regel ist die:

Es obliegt mir, die Scheu vor dem sogenannten Abstrakten zu überwinden.

Solange ein esoterischer Schüler an Begriffen hängt, die ihr Material aus der Sinneswelt nehmen, kann er keine Wahrheit über die höheren Welten erlangen. Er muß sich bemühen, sinnlichkeitsfreie Vorstellungen sich anzueignen. Von allen vier Regeln ist diese die schwerste, insbesondere in den Lebensverhältnissen unseres Zeitalters. Das materialistische Denken hat den Menschen in hohem Grade die Fähigkeit genommen, in sinnlichkeitsfreien Begriffen zu denken. Man muß sich bemühen, entweder solche Begriffe recht oft zu denken, welche in der äußeren sinnlichen Wirklichkeit niemals vollkommen, sondern nur annähernd vorhanden sind, zum Beispiel den Begriff des Kreises. Ein vollkommener Kreis ist nirgends vorhanden, er kann nur gedacht werden, aber allen kreisförmigen Gebilden liegt dieser gedachte Kreis als ihr Gesetz zugrunde. Oder man kann ein hohes sittliches Ideal denken; auch dieses kann in seiner Vollkommenheit von keinem Menschen ganz verwirklicht werden, aber es liegt vielen Taten der Menschen zugrunde als ihr Gesetz. Niemand kommt in einer esoterischen Entwickelung vorwärts, der nicht die ganze Bedeutung dieses sogenannten Abstrakten für das Leben einsieht und seine Seele mit den entsprechenden Vorstellungen bereichert.

 

aus GA 245 (1968), S 22 ff.

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