Forum für Anthroposophie, Waldorfpädagogik und Goetheanistische Naturwissenschaft
Home
 
Home


Home
Suchen
Vorträge
Rudolf Steiner

Veranstaltungen

Service-Seiten

Adressen
Ausbildung


Bücher
Bibliothek
Links

Link hinzufügen
Stellenangebote

FTP Download

Impressum

Email
http://www.rudolf-steiner.org      http://rudolfsteiner.anthroposophie.net      http://rudolf-steiner.de.vu

Rudolf Steiner

ANTHROPOSOPHIE UND MYSTIK

Das Goetheanum, II 40, 13. Mai 1923

So wie man die Mystik heute kennt, ist sie ein Suchen nach inneren Erlebnissen, deren Erfahrung den Menschen befriedigt, nachdem ihm die Sehnsucht nach Erkenntnis des eigenen Wesens und seines Verhältnisses zur Welt aufgestiegen ist. Die nicht ganz bewußte Voraussetzung dabei ist, daß der Mensch imstande ist, Seelenkräfte zu entfalten, durch die er sich in das eigene Wesen bis in diejenige Tiefe versenken kann, in der er mit den Wurzeln des weltgestaltenden Daseins zusammenhängt.

Der Weg, der da in das eigene Innere der Seele genommen wird, stellt sich der genaueren Betrachtung als eine Fortsetzung desjenigen dar, den man bei der gewöhnlichen Erinnerung geht. Diese gibt dem seelischen Erleben in Bildern dasjenige wieder, was der Mensch im Verkehr mit der Welt erlebt hat. Die Bilder können mehr oder weniger treu die Erlebnisse wiedergeben, oder auch sie phantasievoll in der mannigfaltigsten Art umgestalten. Man wird den Vorgang, der naturgemäß sehr kompliziert ist, sich am einfachsten dadurch vergegenwärtigen, daß man den Vergleich mit einem Spiegel gebraucht. Die Eindrücke der Außenwelt werden von dem Menschen durch die Sinne aufgenommen und durch die Denkkräfte verarbeitet. Sie treffen innerhalb des Organismus auf Vorgänge auf, in denen sie nicht weiterlaufen, sondern aufgehalten und, im gegebenen Falle, wie die Lichtbilder von der Spiegelwand zurückgeworfen werden. Das Zurückwerfen geschieht allerdings so, daß der menschliche Organismus mehr oder weniger verändernd auf die von außen erhaltenen Eindrücke wirkt.

Der Mystiker dringt nun mit verstärkten Seelenkräften tiefer in das eigene Wesen ein, als dies bei der gewöhnlichen Erinnerung geschieht. Er stößt gewissermaßen durch die verstärkten Seelenkräfte hinter die Spiegelwand. Da trifft er dann auf Regionen der eigenen Organisation, die von dem Vorgang der gewöhnlichen Erinnerung nicht erreicht werden. Die Kräfte dieser Regionen wirken zwar mit, wenn Erinnerung zustande kommt; aber sie bleiben unbewußt. Es tritt nur ihre Wirkung zutage, indem das Erinnerungsbild gegenüber dem unmittelbaren Erlebnis etwas verändert ist. Was aber der Mystiker als die Ursachen dieser Wirkungen in sein Bewußtsein herein bekommt, das wird so erlebt wie eine Erinnerung. Es hat den Bildcharakter der Erinnerung. Während aber diese Erlebnisse wiedergibt, die im Erdenleben des Menschen einmal da waren, aber im Augenblicke des Erlebens nicht mehr da sind, erlebt der Mystiker Bilder, die niemals Erdenerlebnisse waren. In der Form von Erinnerungsgedanken erlebt er eine Bildwelt, die eben nicht Erinnerung ist.

Wenn man mit anthroposophischer Forschung an diese Dinge herankommt, so wird man gewahr, daß in den auf die gekennzeichnete Art gewonnenen mystischen Bildern die Vorgänge des eigenen Leibes sich offenbaren. In einer Art Symbolik, wie sie auch in den Traumbildern vorliegt, geschieht dieses. Man kann schon sagen: der Mystiker träumt von den Vorgängen der eigenen Leibesorganisation.

Es liegt ja gewiß für manchen, der von der Mystik anders denkt, eine arge Enttäuschung vor, indem das Obige aufgedeckt wird. Aber für denjenigen, der in die Rätsel der Wirklichkeitswelt eindringen will, ist jede Art von Erkenntnis willkommen, also auch die, daß, seelisch in einer gewissen Weise angesehen, die Leibesvorgänge als ein Gewebe erscheinen, das gleich den nächtlichen Träumen ist. Und in weiterem Verfolge dieser Erkenntnis zeigt sich, daß diese Tatsache ein Bürge dafür ist, wie die Leibesorganisation des Menschen zuletzt in seelischen Quellen den Ursprung hat.

Der anthroposophische Forscher muß diese Dinge kennen; er muß sich auf Wege und Aussichten der Mystik verstehen. Aber sein Weg ist ein anderer. Er dringt nicht wie der Mystiker unmittelbar hinter den Erinnerungsspiegel und so in die Leibesorganisation. Er verwandelt die Erinnerungskräfte, solange sie noch seelisch-geistige, solange sie reine Gedankenkräfte sind. Das geschieht auf dem Wege der Konzentration dieser Kräfte und des meditativen Verhaltens in denselben. Er verweilt auf überschaubaren Vorstellungen mit stark konzentrierten Seelenkräften. Dadurch verstärkt er diese Kräfte innerhalb der Region des Seelischen, während der Mystiker in das Gebiet der Leiblichkeit untertaucht.

Der anthroposophische Forscher kommt dadurch zur Anschauung eines feineren, ätherischen, eines Bildekräfteleibes, der als ein höherer mit dem physischen Menschenleibe verbunden ist. Der Mystiker kommt in ein Träumen über den physischen Leib hinein; der anthroposophische Forscher kommt zu einer überphysischen Wirklichkeit. Dieser Bildekräfteleib lebt nicht mehr in den räumlichen Formen; er lebt in einem rein zeitlichen Dasein. Er ist gegenüber dem räumlichen physischen Leib ein Zeitleib. Er stellt zunächst wie in einem auf einmal überschaubaren Tableau die Wirkungskräfte, die am physischen Leibe im Erdensein des Menschen tätig waren, in ihrem zeitlichen Verlaufe dar. Er unterscheidet sich deutlich von einer bloßen umfassenden Erinnerungsvorstellung des bisherigen Erdenlebens eines Menschen in einem gewissen Augenblicke. Eine solche Erinnerung s Vorstellung stellt mehr die Art dar, wie die Welt und Menschen an den Erinnernden herangetreten sind; dieses charakterisierte Lebenstableau enthält aber die Summe und das Durcheinanderwirken der aus dem Innern des Menschenwesens kommenden Impulse, durch die der Mensch an die Welt und an andere Menschen in Sympathie und Antipathie herangetreten ist. Es gibt dadurch die Art, wie sich der Mensch das Leben gestaltet hat. Es verhält sich dies Lebenstableau zur Erinnerungsvorstellung wie der Eindruck im Petschaft zum Abdruck im Siegellack.

In diesem Lebenstableau hat man einen ersten Gegenstand der anthroposophischen Forschung; man kann, von ihm ausgehend, weitere Schritte unternehmen.

Das hier Ausgeführte wird zeigen, wie wenig man die Sache trifft, wenn man Anthroposophie zusammenwirft mit ändern bekannten seelischen Forschungswegen. Man hat in ihr nicht abstrakten Idealismus, sondern konkrete Geist-Erkenntnis; und so hat man sie auch nicht in ihrer Eigenart getroffen, wenn man sie mit dieser oder jener Form des Mystischen identifiziert, nur um sich nicht auf ihr ureigenes Wesen einzulassen, sondern sie mit dem abzutun, was man über eine solche Form als Meinung aufstellt, oder bei Vielen voraussetzt. Wird dies einmal berücksichtigt werden, so werden viele Mißurteile schwinden, die heute noch mit Bezug auf Anthroposophie in der Welt herumschwirren.

 

Home Suchen Vorträge Veranstaltungen Adressen Bücher Link hinzufügen
Diese Seite als PDF drucken Wolfgang Peter, Ketzergasse 261/3, A-2380 Perchtoldsdorf, Tel/Fax: +43-1-86 59 103, Mobil: +43-676-9 414 616 
www.anthroposophie.net       Impressum       Email: Wolfgang.PETER@anthroposophie.net
Free counter and web stats