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Rudolf Steiner

Anthroposophische Leitsätze


WEIHNACHTSBETRACHTUNG: DAS LOGOS-MYSTERIUM

In die Betrachtung des Michael-Mysteriums strahlte die des Mysteriums von Golgatha herein. Das ist durch die Tatsache gegeben, daß Michael die Macht ist, die den Menschen in der ihm heilsamen Art an den Christus herangeleitet.

Aber die Michael-Mission ist eine solche, die sich im kosmischen Menschheitswerden in rhythmischer Folge wiederholt. Man hatte sie in ihrer wohltätigen Wirkung auf die Erdenmenschheit wiederholt vor dem Mysterium von Golgatha. Da hing sie zusammen mit alle dem, was die noch außerirdische Christus-Kraft zur Entfaltung der Menschheit für die Erde tätig zu offenbaren hatte. Nach dem Mysterium von Golgatha wird sie dem dienstbar, was durch Christus der Erdenmenschheit geschehen soll. Sie tritt in abgewandelter und fortschreitender Form in ihren Wiederholungen auf, aber eben in Wiederholungen.

Dem gegenüber ist das Mysterium von Golgatha ein alles übergreifendes kosmisches Ereignis, das nur einmal stattfindet im Laufe der ganzen kosmischen Menschheitsentwickelung.

Als die Menschheit bis zur Entfaltung der Verstandes- oder Gemütsseele vorgeschritten ist, da macht sich die fortwirkende Gefahr der schon urzeitlich veranlagten Herauslösung des Menschheitswesens aus dem Wesen des Göttlich-Geistigen erst voll geltend.

Und in demselben Maße, in dem die Menschenseele das Mit-Erleben mit den göttlich-geistigen Wesenheiten verliert, taucht um sie herum das auf, was man heute «Natur» nennt.

Der Mensch schaut nicht mehr das Menschenwesenhafte in dem göttlich-geistigen Kosmos; er schaut das Werk des Göttlich-Geistigen im Irdischen. Er schaut es zunächst nicht in der abstrakten Form, in der es heute geschaut wird: sinnlich-physische Wesen und Geschehnisse, die durch diejenigen abstrakten Ideen-Inhalte zusammengehalten werden, die man «Naturgesetze» nennt. Er schaut es als göttlich-geistiges Wesen. Dieses göttlich-geistige Wesen wogt auf und ab in allem, was er als Entstehen und Vergehen der tierischen Lebewesen, im Wachsen und Sprossen der Pflanzenwelt sieht, was er in Quell- und Flußtätigkeit, in Wind- und Wolkenbildung gewahr wird. All diese Wesenhaftigkeiten und Vorgänge um ihn herum sind ihm die Gebärden, die Taten, sind ihm die Sprache des Götterwesens, das der «Natur» zugrunde liegt.

Wie dereinst in den Sternenstellungen und Sternenbewegungen die Taten, Gebärden der Weltengötterwesen von dem Menschen geschaut wurden, wie ihre Worte darinnen gelesen wurden, so wurden nunmehr die «Naturtatsachen» der Ausdruck für die Erdgöttin. Denn das in der Natur wirksame Göttliche wurde weiblich vorgestellt.

Reste dieser Vorstellungsart als imaginative Erfüllung der Verstandes- oder Gemütsseele waren noch bis weit herein ins Mittelalter in den Menschenseelen tätig.

Die Erkennenden sprachen von den Taten der «Göttin», wenn sie das «Naturgeschehen» zum Begreifen bringen wollten. Erst mit dem allmählichen Heraufkommen der Bewußtseinsseele ist diese lebendige, innerlich beseelte Naturbetrachtung für die Menschheit unverständlich geworden.

Und die Art, wie im Zeitalter der Verstandes- oder Gemütsseele nach dieser Richtung hin geschaut wurde, erinnert an den Persephone-Mythos mit dem ihm zugrunde liegenden Mysterium.

Die Tochter der Demeter, Persephone, wird von dem Gotte der Unterwelt gezwungen, ihm in sein Reich zu folgen. Es kommt das schließlich in der Form zustande, daß sie nur die Hälfte des Jahres in der Unterwelt zubringt, die andere auf der Oberwelt verweilt.

Gewaltig groß drückt dieser Mythos noch aus, wie man einst in urferner Vergangenheit in traumhaftem Hellsehen all das Werden des Irdischen erkennend durchschaut hat.

Alles Weltenwirken ging in Urzeiten von der Erden-Umgebung aus. Die Erde war selber erst im Entstehen. Sie bildete ihr Wesen in der kosmischen Entwickelung aus dem Wirken ihrer Umgebung heraus. Die göttlich-geistigen Wesen des Kosmos waren die an ihrem Wesen Schaffenden. - Als sie weit genug war, ein selbständiger Weltkörper zu werden, da stieg Göttlich-Geistiges aus dem allgemeinen Kosmos auf sie hernieder und wurde Erdengottheit. Diese kosmische Tatsache hat das traumhafte Hellsehen alter Menschheit erkennend durchschaut; von dieser Erkenntnis ist der Persephone-Mythos geblieben; aber es ist auch geblieben, wie man bis tief ins Mittelalter hinein die «Natur» erkennend zu durchdringen suchte. Denn man schaute da noch nicht wie später nach den Sinnes-Eindrücken, das heißt nach dem, was an der Oberfläche des Irdischen erscheint, sondern nach den Kräften, die aus den Tiefen der Erde zur Oberfläche herauf wirken. — Und diese «Tiefenkräfte», die «Kräfte der Unterwelt», schaute man in Wechselwirkung mit den Sternen- und Elementen-Wirkungen der Erden-Umgebung.

Da wachsen die Pflanzen in ihren mannigfaltigen Formen, da offenbaren sie sich in ihrer bunten Farben-Erscheinung. Darinnen wirken die Sonnen-, Monden- und Sternenkräfte mit den Kräften der Erdentiefe zusammen. Die Grundlage gaben dafür ab die Mineralien, die schon ganz durch das ihr Wesen haben, was von Weltenwesen irdisch geworden ist. Das Gestein sprießt durch die irdisch gewordenen Himmelskräfte allein aus der «Unterwelt» herauf. Die Tierwelt hat die Kräfte der «Erdentiefe» nicht angenommen. Sie entsteht allein durch die aus der Erden-Umgebung wirksamen Weltenkräfte. Sie verdankt ihr Werden, Wachsen, Sprießen, ihre Ernährungsfähigkeit, ihre Bewegungsmöglichkeiten den auf die Erde einströmenden Sonnenkräften. Sie kann sich fortpflanzen unter dem Einfluß der auf die Erde einströmenden Mondenkräfte. Sie erscheint in vielen Formen und Arten, weil aus dem Weltall herein die Sternenstellungen in der mannigfaltigsten Art gestaltend auf das Tierleben wirken. Aber die Tiere sind vom Weltall auf die Erde nur hereingestellt. Sie nehmen nur mit ihrem dumpfen Bewußtseinsleben an dem Irdischen teil; mit ihrer Entstehung, ihrem Wachsen, mit allem, was sie sind, damit sie wahrnehmen und sich bewegen können, sind sie keine Erdenwesen.

Diese großangelegte Idee von dem Werden der Erde lebte dereinst in der Menschheit. Was davon in das Mittelalter hereinragt, läßt nur in geringem Maße dieses Großangelegte noch erkennen. Man muß, um zu dieser Erkenntnis zu gelangen, mit dem Blick der schauenden Erkenntnis in sehr alte Zeiten zurückgehen. Denn auch aus den vorhandenen physischen Dokumenten ist nur für den zu ersehen, was in den Seelen der Menschen vorhanden war, der dies auf geistgemäße Art durchschauen kann.

Nun ist der Mensch nicht in der Lage, sich der Erde so ferne zu halten wie die Tierheit. Indem man dieses ausspricht, tritt man an das Mysterium der Menschheit ebenso wie an das der Tierheit heran. Diese Mysterien spiegeln sich in dem Tierkult der alten Völker, vor allem der Ägypter. In den Tieren sah man Wesen, die Gäste der Erde sind, an denen man Wesen und Wirksamkeit der geistigen Welt, die an die irdische angrenzt, schauen kann. Und in der Verbindung der Menschengestalt mit der tierischen, die man in Bildern darstellte, vergegenwärtigte man sich die Gestalten derjenigen elementarischen Zwischenwesen, die wohl im Weltenwerden auf dem Wege zur Menschheit sind, aber in das Irdische nicht eintreten, um nicht Menschen zu werden. Solche elementarische Zwischenwesen sind vorhanden. Die Ägypter gaben nur ihr Schauen wieder, indem sie sie abbildeten. Aber solche Wesen haben nicht das volle Selbstbewußtsein des Menschen. Um das zu erlangen, mußte der Mensch die irdische Welt in solch vollständiger Art betreten, daß er vom Erdenwesen in sein Wesen etwas aufnahm.

Er mußte dem ausgesetzt werden, daß in dieser irdischen Welt das Werk der ihm verbundenen göttlich-geistigen Wesen vorliegt, aber eben nur deren Werk. Und  weil nur das vom Ursprunge losgelöste Werk vorliegt, so haben in dieses Zutritt die luziferischen und ahrimanischen Wesenheiten. Es ergibt sich damit für den Menschen die Notwendigkeit, das von Luzifer und Ahriman durchsetzte Werk zum Orte eines Teiles seiner Lebensgestaltung - der irdischen - zu machen.

Es ist dies so lange ohne die bleibende Loslösung des Menschlichen von seinem ursprünglichen Göttlich-Geistigen möglich, als der Mensch noch nicht zur Entfaltung seiner Verstandes- oder Gemütsseele fortgeschritten ist. Da findet im Menschen eine Korrumpierung seines physischen, seines ätherischen und astralischen Leibes statt. Eine ältere Wissenschaft kennt diese Korrumpierung als etwas, das in der Menschen Wesenheit lebt. Man weiß, daß sie notwendig ist, damit das Bewußtsein zum Selbstbewußtsein im Menschen vorrücken könne. In der Erkenntnispflege, die an den Stätten stattgefunden hat, die von Alexander dem Großen der Wissenschaft gegeben worden sind, lebte ein Aristotelismus, der, richtig verstanden, diese Korrumpierung als ein maßgebendes Element seiner Seelenwissenschaft in sich trägt. Solche Ideen wurden nur später in ihrer inneren Wesenheit nicht mehr durchdrungen.

In den Zeiten vor der Entwickelung der Verstandes- oder Gemütsseele war der Mensch dennoch mit den Kräften seines göttlich-geistigen Ursprunges so verwoben, daß diese Kräfte von ihrem kosmischen Orte aus die auf Erden an ihn herandringenden luziferischen und ahrimanischen Mächte im Gleichgewichte halten konnten. Da war von menschlicher Seite aus Genüge geschehen zur Mitwirkung an diesem Gleichgewichte, wenn in Kult- und Mysterienhandlung das Bild des in Luzifers und Ahrimans Reich untertauchenden und wieder siegreich hervorgehenden göttlich-geistigen Wesens entfaltet wurde. Man sieht daher in den Zeiten, die dem Mysterium von Golgatha vorangingen, in den Völkerkulten bildhafte Darstellungen dessen, was dann im Mysterium von Golgatha eine Wirklichkeit wurde.

Als die Verstandes- oder Gemütsseele entfaltet war, konnte die Menschenwesenheit nur durch die Wirklichkeit vor der Loslösung von ihren göttlich-geistigen Wesenheiten bewahrt bleiben. Es mußte in die während des irdischen Daseins vom Irdischen lebende Organisation der Verstandes- oder Gemütsseele auch im Irdischen innerlich das Göttliche als Wesenheit eintreten. Das geschah dadurch, daß der göttlich-geistige Logos, Christus, für die Menschheit sein kosmisches Schicksal mit der Erde verband.

Persephone ist in das Irdische untergetaucht, um die Pflanzenwelt davon zu befreien, bloß vom Irdischen sich bilden zu müssen. Das ist der Niederstieg eines göttlichgeistigen Wesens in die Natur der Erde. Auch Persephone hat ja eine Art «Auferstehung», aber jährlich in rhythmischer Folge.

Diesem Ereignis, das als kosmisches auf Erden geschieht, steht gegenüber der Niederstieg des Logos für die Menschheit. Persephone steigt nieder, um die Natur in ihre ursprüngliche Orientierung zu bringen. Da muß Rhythmus zugrunde liegen; denn das Geschehen der Natur erfolgt im Rhythmus. Der Logos steigt nieder in die Menschheit. Es geschieht das einmal während der Entwickelung der Menschheit. Denn diese Entwickelung ist nur ein Glied in einem gigantischen Weltenrhythmus, in dem die Menschheit vor ihrem Mensch-Sein etwas ganz anderes als Menschheit war und nach demselben etwas ganz anderes sein wird, während ja das Pflanzenleben in kurzen Rhythmen als solches sich wiederholt.

Das Mysterium von Golgatha in diesem Lichte zu sehen, das hat die Menschheit vom Bewußtseinszeitalter an nötig. Denn es wäre schon im Zeitalter der Verstandes- oder Gemütsseele die Loslösung des Menschen als Gefahr vorhanden gewesen, wenn nicht das Mysterium von Golgatha erfolgt wäre. Im Zeitalter der Bewußtseinsseele müßte eine völlige Verdunkelung der Geisteswelt für den Menschen in seinem Bewußtsein eintreten, wenn nicht die Bewußtseinsseele sich so weit erkraften könnte, daß sie zu ihrem göttlich-geistigen Ursprung in Einsicht zurückblickte. Kann sie das aber, so findet sie den Weltenlogos als die Wesenheit, die sie zurückführen kann. Sie durchdringt sich mit dem gewaltigen Bilde, das offenbart, was auf Golgatha geschehen ist.

Und der Beginn dieses Verständnisses ist die liebevolle Erfassung der Welten-Weihe-Nacht, an die jedes Jahr festlich erinnert wird. Denn die Erkraftung der Bewußtseinsseele geschieht ja dadurch, daß sie, die zunächst die Intellektualität aufnimmt, in dieses kälteste Seelen-Element die warme Liebe einziehen läßt. Jene warme Liebe, die am erhabensten strömt, wenn sie dem Jesus-Kinde gilt, das in der Welten-Weihe-Nacht auf Erden erscheint. Damit hat der Mensch die höchste irdische Geistes-Tatsache, die zugleich eine physische war, auf seine Seele wirken lassen; er hat sich auf den Weg begeben, den Christus in sich aufzunehmen.

Die Natur muß so erkannt werden, daß sie in Persephone oder dem Wesen, auf das man noch im frühen Mittelalter geschaut hat, wenn man von «Natur» gesprochen hat, die göttlich-geistige Ursprungs- und ewige Kraft offenbart, aus der sie entstanden ist und fortdauernd entsteht als die Grundlage des irdischen Menschendaseins.

Die Menschenwelt muß so erkannt werden, daß sie in Christus den Ursprungs- und ewigen Logos offenbart, der im Bereich der mit dem Menschen ursprünglich verbundenen göttlich-geistigen Wesenheit zur Entfaltung der Geist-Wesenheit des Menschen wirkt.

In Liebe das Menschenherz zu diesen großen kosmischen Zusammenhängen zu lenken, das ist der rechte Inhalt jener Festes-Erinnerung, die im Hinblicken auf die Welten-Weihe-Nacht jedes Jahr an den Menschen herantritt. Lebt solche Liebe im Menschenherzen, dann durchfeuert sie das kalte Licht-Element der Bewußtseinsseele. Müßte diese ohne diese Durchfeuerung verbleiben: der Mensch käme nie zu ihrer Durchgeistigung. Er erstürbe in der Kälte des intellektuellen Bewußtseins, oder er müßte in einem Geistesleben verbleiben, das nicht zur Entfaltung der Bewußtseinsseele fortschreitet. Er würde dann in der Entfaltung der Verstandes- oder Gemütsseele stehen bleiben.

Aber ihrem Wesen nach ist die Bewußtseinsseele nicht kalt. Sie scheint es nur im Anfange ihrer Entfaltung, weil sie da erst das Lichtvolle ihres Inhaltes offenbaren kann, noch nicht die Weltenwärme, aus der sie ja doch stammt.

Weihnachten in dieser Art empfinden und erleben, kann in der Seele gegenwärtig machen: wie die Glorie der in Sternenweiten ihre Abbilder offenbarenden göttlich-geistigen Wesen sich vor dem Menschen verkündiget und wie die Befreiung des Menschen innerhalb der Erdenstätte von den Mächten geschieht, die ihn von seinem Ursprünge entfernen wollen.

Goetheanum, zu Weihnacht 1924.

 

Lit.: GA 26

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