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Soll man sich aller Kritik enthalten ?

«Lucifer-Gnosis» Juni 1905

Rudolf Steiner

Es liegt folgende Frage vor: «Oft wird behauptet, daß sich derjenige aller Kritik enthalten solle, der eine Schulung im geheimwissenschaftlichen Sinne durchmacht. Ist damit auch jede gerechte Kritik wirklicher schlechter Taten von Menschen gemeint? Ist es nicht vielmehr unsere Pflicht, Schäden in unserer Umgebung und wo wir sonst Einfluß gewinnen können, auszumerzen, damit das Bessere an die Stelle des Schlechteren trete? Und sinkt ein Mensch nicht zur völligen Tatenlosigkeit herab, der alles mit absoluter Gleichgültigkeit betrachtet?»

Zunächst ist darauf zu sagen, daß die Verhaltungsmaßregeln für den Geheimschüler Forderungen sind, die strengen Gesetzen entsprechen. Und sie besagen als solche nur etwas über den Zusammenhang zwischen der Erfüllung einer entsprechenden Forderung, und dem Aufwärtssteigen des Schülers in die höheren Welten. Du sollst dich der Kritik enthalten, heißt: soviel du im Leben in Fällen, in welchen dich die Verhältnisse zu einem Tadel, einer Verurteilung reizen, diesem nicht folgst, sondern ohne alle Kritik an der Verbesserung des Schädlichen, Schlechten usw. arbeitest, in demselben Maße steigst du nach aufwärts. Es schließt die Enthaltung on der Kritik durchaus nicht ein, daß du gleichgültig an Schlechten, Bösen usw. vorbeigehest, und daß du alles läßt, wie es ist. Man soll nur suchen, das Schlechte in demselben Maße aus seinen Ursachen zu verstehen, wie man das Gute versteht. Durch das Begreifen der Ursachen wird man . sogar am besten zur Arbeit für die Verbesserung rüsten. Sicht das Blindmachen gegen das Übel nützt, sondern die verständnisvolle Toleranz. Am klarsten drückt aus, was darüber zu sagen ist, der dritte von den vier ersten Sprüchen in Licht auf den Weg»: «Ehe vor den Meistern kann die Stimme sprechen, muß das Verwunden sie verlernen.» Das heißt, Wesen einer höheren Welt sprechen zu dem Menschen , wenn sich seine Worte das lieblose Verletzen, den Tadel, der zu schmerzen oder zu betrüben geeignet ist, ganz abgewöhnt haben, und nur noch im Dienste liebevollen Umfassens der ganzen Welt gesprochen werden. Und mit den «Worten» sind hier auch die ungesprochenen Worte, die bloßen Gedanken gemeint. In dem Bereiten von Schmerz liegt das, worauf es ankommt. Der Meister und höhere Wesen sprechen zu uns nicht von außen, sie benutzen als das Mittel, sich mit uns zu verständigen, unsere eigenen Worte und Gedanken. Der Ton ihrer Stimme dringt durch uns, und geht von da durch diese Worte und Gedanken nach außen in die Welt. Und nur, wenn er diesen Weg offen und ohne Hemmung findet, wird er für uns hörbar. Worte und Gedanken, die Schmerz bereiten, sind wie spitzige Pfeile, die von uns ausgehen. Und an der Spitze findet der Ton des Meisters ein Hemmnis; er prallt zurück und bleibt unwahrnehmbar. Worte und Gedanken aber, die von Liebe gestaltet sind, öffnen sich wie Blumenkronen nach außen, die sanft die anderen Wesen umschließen; und bei ihnen findet des Meisters Stimme den Weg offen, um in die Welt zu dringen. Nur dadurch wird sie für uns hörbar.

Zweitens: ist man aber genötigt, Schmerz zu bereiten, hat man etwa gar die Verpflichtung als Richter oder Kritiker, dann gilt das Gesetz nicht minder. Auch der Schmerz, zu dem man verpflichtet ist, hemmt die Entwickelung. Man muß die Sache dann als sein Karma ansehen. Denn wollte man sich der Verpflichtung entziehen, um die eigene Entwickelung zu fördern, so würde man aus Selbstsucht handeln, und dadurch hielte man die Entwickelung in den meisten Fällen mehr auf, als man sie durch das Entziehen von der Schmerzbereitung fördert. Unter Umständen bringt man sich am besten vorwärts, wenn man in notwendigen Fällen auf die direkte Beobachtung einer Regel, deren Befolgung Förderung bewirkt, verzichtet. Ist man Erzieher, und dadurch genötigt, vielleicht fortwährend durch Strafen Schmerz zu bereiten, so kann man während dieser Zeit in bezug auf obige Regel gar nichts tun. Hat man dann aber den Zögling gebessert, so kommt diese gute Wirkung unserem Karma und dadurch doch unserer Höherentwickelung mittelbar zustatten. Die Gesetze des geistigen Lebens sind unerbittlich, wenn man sie aus welchen Gründen immer nicht einhält. Und sie müssen in aller Strenge einfach als Geistesgesetze aufgestellt werden, ob eine Möglichkeit, sie einzuhalten, vorliegt oder nicht.

aus GA 34 (1987), S 388 ff

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