Lyrik

Um die Jahrhundertwende, vor allem in den 20igern und 30igern, des 19. Jahrhunderts stieg die Lyrikproduktion durch das bürgerliche Kulturbewusstsein gewaltig an. Das Reimen und Versemachen wurde gerade zur Mode. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass 20000 Gedichte geschrieben wurden.

Gedichte wurden Teil des gesellschaftlichen Lebens: im Freundeskreis, bei Teegesellschaften und in den lit. Salons wurden sie vorgetragen, und später sogar gedruckt. Besonderer Beliebtheit erfreute sich eine volkstümliche, liedhafte Lyrik, die von Schumann, Schubert vertont wurde. Über Männergesangsvereine und Kirchenchöre fanden sie rasche Verbreitung.

Die erste Phase der romantischen Lyrik setzt im letzen Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts ein. Gebrüder Schlegel, Novalis und Tieck experimentierten mit vielfältigen Vers- und Strophenmustern wie Assonanzen, Stanzen, mit Gedichtformen wie dem Sonett, der Kanzone. Besonders das Sonett fand hohes Ansehen. Die neue Lyrik, die sich als Naturpoesie verstand, ist deutlich differenziert von der klassifizistischen Kunstpoesie, die sich an strenge Metren und Strophen hält.

Wie Schiller die neue Lyrik analysiert hat, steht hinter solcher Poesie der sentimentale Wunsch eine Harmonie zwischen Mensch und Natur herzustellen. Die Romantiker vertrauten auf die unbewussten Kräfte und die produktive Einbildungskraft, die von einer enttäuschenden Wirklichkeit lösen, und in eine neue Einheit mit der Natur zurückführen sollte.

Die revolutionäre Wende in der romantischen Lyrik bewirkten Achim von Arnim und Clemens Brentano mit ihrer 1805-1808 veröffentlichten Volksliedersammlung „Des Knaben Wunderhorn“. Der darin vorkommende Volksliedton wurde beliebt und oft nachgeahmt. Besonders von Brentano selbst und Eichendorff.

In den Bereich der Lyrik fallen Natur- und Liebesgedichte, Wanderlieder, vaterländische Gedichte und geistliche Gedichte. Die geistlichen Gedichte sind vor allem von Novalis.

Novalis, Hymnen an die Nacht

Novalis´ „Hymen an die Nacht“ stellen einen Höhepunkt der romantischen Dichtkunst dar. In ihrer Ausdruckskraft und ihrer melodisch fließenden Sprache erinnern sie an Hölderlins Lyrik und fern auch an Klopstock. Der aus sechs Hymnen bestehende Zyklus erschien im letzen Heft der Zeitschrift „Athenäum“ im August 1800. Die Form zeichnet sich durch einen kunstvollen Wechsel zwischen lyrischer Prosa, freien Rhythmus und ungebundenen Reimstrophen aus und ist, wie auch der Inhalt, typisch romantisch.

Die Hymnen sind geprägt von Novalis´ seelischer Krise nach dem Tod seiner 15jährigen Braut Sophie von Kühn. Dieser Verlust hat sein Verhältnis zum Tod und gleichzeitig zum Leben grundsätzlich verändert. In den ersten Wochen nach ihrem Tod hatte er wahrhaftig die Intention seiner Sophie nachzusterben. Mit diesem Tod wollte er der Menschheit ein Beispiel unendlicher Treue vorführen. Er besuchte jeden Tag ihr Grab und führte genauestens Tagebuch über sein seelisches Befinden. Jedoch war neben dem Todeswunsch immer noch das Erforschen neuer Wissenschaften ein Anziehungspunkt, der schließlich seinen Todeswunsch unterdrückte.

Ein Jahr nach Sophies Tod, verliebte sich Novalis aufs neue und machte entschiedene Anstalten die Angebetete zu heiraten. Doch da ereilte ihn der Tod. Novalis starb am 25.März 1801.

Dieses Werk ist am ehesten der Zeit der Stürmer und Dränger zuzuordnen, weil auch sie die Neigung zu den dunklen Mächten und den Schauer der Macht liebten. Die Hymnen sind nämlich dem Jh. der Aufklärung fremd, weil die Aufklärung das Licht der Vernunft in den Vordergrund stellt. Auch die Klassiker, die Klarheit und Transparenz anstrebten, und die christliche Tradition, die in dem Dunklen das Schlechte, Schuld und Sünde sieht, widersprechen den „Hymnen an die Nacht“.

Die dritte Hymne

In der dritten Hymne beschreibt Novalis sein persönliches Erweckungserlebnis an Sophies Grab. Diese Hymen hatte er als einzige auch in der Handschrift in Prosa verfasst. Damit sollte der Aussage mehr Objektivität verliehen werden.

Die Einsamkeit und unsägliche Angst, das Gefühl des Elends und der Hilflosigkeit sind so eindrücklich geschildert, dass jeder Mensch sich darin wiederfinden kann.

Die Vision am Grabe der Geliebten, die er zuerst nur in seinem Tagebuch niederschrieb, hat er zwei Jahre später in Dichtung umgesetzt.

 

back to top

back to "Romantik"

Last updated 17 Februar 2002 -- 15:45
© 2001 Elisabeth Albenberger