Allgemein
Die
Kunstphilosophie des Aristoteles
unter besonderer Berücksichtigung der
Malerei
Armin Thommes
Aristoteles ist vor allem durch zwei Dinge bekannt: Zum einen
als der Begründer der formalen Logik und zum anderen als
systematisierenden Naturkundler. Aristoteles hat aber auch,
vor allem in Absetzung zu seinem Lehrer Platon, eine
Metaphysik entwickelt, die Wesen und Erscheinung der Dinge auf
ganz neue Art ansichtig werden ließ. Besonders für die Kunst
war diese Arbeit von besonderer Bedeutung: Aristoteles gab den
Kunstwerken eine legitimierte Stelle in der Gesellschaft zurück.
Er integrierte sie in das philosophische Weltbild und löste
damit neue schaffenskräftige Impulse aus.
Kunst
entspringt für Aristoteles aus dem Grundstreben des Menschen
zum Wissen (vgl. Buch A der Metaphysik); es ist die Suche nach
dem Wissen des Warum (Ulmer 1953:154). Ein großer Unterschied
zur Auffassung Platons ergibt sich jedoch aus der Vernachlässigung
der Frage des Nutzens oder der Brauchbarkeit der Künste für
das Leben. Dies führt dazu, daß die Künste nicht mehr den
anderen Gebieten der geistigen Betätigung untergeordnet,
sondern ihnen zugestellt sind: Die Frage nach ihrem praktische
Wert verliert ihre Relevanz (vgl Schasler 1971:198).
Drei Aspekte
lassen sich hinsichtlich der Betrachtung von Kunst
unterscheiden: Die Einstufung der Inspiration im künstlerischen
Entstehungsprozeß, die Bedeutung der Technik und die
Betrachtung der Wirkung, die das Werk auf Künstler wie auf
Betrachter ausübt, in Bezug auf Verstand wie auf Emotion.
Die Lehre der
Katharsis ist zentrales Element dessen, was von Aristoteles
zum Thema Kunst überliefert geblieben ist: In ihr zeigt sich
die neue Bedeutung, die Aristoteles der Kunst zuwies. War
Kunstgenuß bei Platon noch eine gefährliche
Emotionalisierung des Zuschauers, eine gefährliche Steigerung
der Leidenschaftlichkeit, die die Vernunft zersetzt, so deutet
Aristoteles die Erregung von Gefühlen als positives Element
der Kunst um. Grundsätzlich "galten ihm die Affekte
nicht als etwas schlechthin Minderwertiges und Sinnloses; er
deutete sie vielmehr als notwendige Stimulantien des
habituellen Verhaltens" (Fuhrmann 1992:75). Die Katharsis
der Affekte Jammern und Schaudern (sie waren bereits durch
Gorgias von Leoninoi benannt [Fuhrmann 1992:95]) wird als ihre
eigentliche Aufgabe hervorgehoben.
Mit Hilfe des
Bewegungsbegriffs unternimmt Aristoteles eine Kategorisierung
der Künste: Er unterteilt in bewegte und unbewegte Gattungen.
Zu den nachahmende Künsten der Bewegung rechnet er Musik,
Tanz oder auch Poesie (als Bewegung des Wortes); als Künste
der Ruhe begreift er nur die Plastik und die Malerei.
Architektur bleibt von dieser Kategorisierung ausgeschlossen
und darf sich nicht als Kunstgattung begreifen. Der Grund
liegt im Nachahmungsbegriff begründet: Notwendig für ein
Werk sind die Darstellung von Gemütsstimmung, Leidenschaft
und Handlung. Diese Nachahmung kann die Architektur nicht
leisten und bleibt deshalb ausgeschlossen. In ihr (wie in dem
Stilleben oder der Landschaftsmalerei) kommt die menschliche
Sphäre nicht zum Ausdruck. Die Ablehnung als Werk der Kunst
erschließt sich auch daraus, daß sie nicht in der Lage wären,
kathartisch zu wirken und nicht ausreichend die Idee
vermitteln können.
Drei für das
menschliche Leben positive Elemente beinhaltet die Malerei:
Sie verschafft ästhetisches Vergnügen, bietet einen
Lerneffekt und ermöglicht kathartische Wirkung. Damit erfüllt
sie die grundlegenden Kriterien des Kunstwerks.
Drei
Eigenschaften benötigt der Maler für seine Tätigkeit:
Wissen, Phantasie und Können. "Er benötigt das Wissen
vom Wesen der Dinge (zumindest ansatzweise), und er muß über
Phantasie verfügen, um dieses Wissen angemessen wiedergeben
zu können." (Thommes 1996:21). Zudem muß er sein
Handwerk beherrschen. Der Maler rückt demnach in die Nähe
des Wissenschaftlers und ist nicht mehr der unwissende
Scheinbildner, den Platon noch in ihm sah. "Der Maler ist
nach Aristoteles nicht nur bloßer Abbilder des Vorhandenen,
sondern im wesentlichen der idealisierende Umgestalter des
Gegebenen. Das Wesen der Dinge ist das eigentliche Ziel der
Malerei." (Thommes 1996:21)
Auch
Aristoteles geht davon aus, daß ein Kunstwerk nie
vollkommensein kann. Es bleibt stets eine Differenz gegen das
Phantasiebild und damit auch eine Differenz gegenüber dem
eigentlichen Ideal. Dies ist Aristoteles durchaus bewußt und
gerade der letzte Punkt ist seinem philosophischen Ideal
immanent. Nicht hinter der sichtbaren Welt, sondern gerade in
ihr, durch fortschreitende Verbesserung und Annäherung ist
das Ideal zu finden. Kritiker
nennen sein Kunstverständnis "Nützlichkeitsfanatismus"
(Kafka 1922:175) und werfen ihm die Betonung der Erziehung und
Entlastung der gemeinen Menschen vor. In ihren Augen ist von
der als Phantasie eingeführten Idealisierung eigentlich nur
ein Abklatsch übriggeblieben, der, vom Ziel geleitet, den
vorgegebenen moralischen Prämissen frönt. Kunst trägt
unzweifelhaft bei Aristoteles Aufgaben und muß sich in den
Dienst der Gemeinschaft stellen. Von Kunst um der Kunst willen
ist noch nichts zu spüren, auch ihre Betätigung kann nicht für
den eigenen Genuß geschehen. Aristoteles hätte dies auch nie
gutheißen können.
http://www.uni-mainz.de/~muelp000/aristo.htm
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