Die Wissenschaftslehre in ihrem allgemeinen
Umrisse
dargestellt von J. G. Fichte, Berlin, bei J. E. Hitzig 1810
Vorrede.
Ich habe diese Abhandlung, mit welcher
ich meine in diesem Halbjahre gehaltene Vorlesungen beschloß,
zunächst für meine Zuhörer abdrucken lassen, um denselben die
Übersicht des Ganzen bei der Wiederholung zu erleichtern. Sollte
dieselbe noch in Anderer Hände fallen, und etwa unter anderen auch in
die Hände solcher, die über Philosophie mitzusprechen sich
berechtigt halten: so könnte diesen bei einiger Erwägung hier ein
Licht aufgehen, welch einen verkehrten Begriff sie sich bisher von der
Wissenschaftslehre gemacht, und durch welche ungeheure Irrtümer sie
selbst dem philosophierenden Verstande auf den rechten Weg haben
helfen wollen. Das werden sie freilich nicht einsehen, daß man, um zu
philosophieren, sich zu dem wirklich freien und schöpferischen Denken
erheben müsse; keineswegs befangen bleiben dürfe in der Anschauung
irgend eines durch das Ohngefähr in uns gebildeten Denkens; welches
Letztere allein sie bisher vermocht, und dadurch alle ihre
Ungereimtheiten zu Stande gebracht haben. Und so werden sie denn, was
allein man ihnen anmuten könnte, niemals aufhören, sich in eine
Sphäre zu drängen, zu denen sich ihnen ihr Vermögen versagt.
Berlin, im März, 1810.
§.1.
Die Wissenschaftslehre, fallen lassend
alles besondere und bestimmte Wissen, geht aus von dem Wissen
schlechtweg, in seiner Einheit, das ihr als seyend erscheint; und gibt
sich zuvörderst die Frage auf: wie dasselbe zu seyn vermöge, und was
es darum in seinem inneren und einfachen Wesen sey.
Es kann sich ihr nicht verbergen
Folgendes. Nur Eines ist schlechthin durch sich selbst: Gott, und Gott
ist nicht der tote Begriff, den wir soeben aussprachen, sondern er ist
in sich selbst lauter Leben. Auch kann dieser nicht in sich selbst
sich verändern und bestimmen, und zu einem anderen Seyn machen; denn
durch sein Seyn ist alles sein Seyn und alles mögliche Seyn gegeben,
und es kann weder in ihm, noch außer ihm ein neues Seyn entstehen.
Soll nun das Wissen dennoch seyn, und
nicht Gott selbst seyn, so kann es, da nichts ist denn Gott, doch nur
Gott selbst seyn, aber außer ihm selber; Gottes Seyn außer seinem
Seyn; seine Äußerung, in der er ganz sey, wie er ist, und doch in
ihm selbst auch ganz bleibe, wie er ist. Aber eine solche Äußerung
ist ein Bild oder Schema.
Ist ein solches Schema, - wie denn dies
nur durch das unmittelbare Seyn desselben klar werden kann, da es nur
unmittelbar ist, - so ist dasselbe schlechthin dadurch, daß Gott ist,
und es kann, so gewiß er ist, nicht nichtseyn. Keinesweges aber ist
es zu denken als eine Wirkung Gottes, durch einen besonderen Act
desselben, wodurch derselbe in sich selbst sich verwandeln würde;
sondern es ist als eine unmittelbare Folge seines Seyns zu denken. Es
ist, der Form seines Seyns nach, schlechtweg, so wie er selbst
schlechtweg ist, ohnerachtet es nicht er selbst ist, sondern sein
Schema.
Wiederum kann außer Gott schlechthin
nichts seyn, denn dieses; kein inneres auf sich beruhendes Seyn, denn
das ist er allein; nur sein Schema kann seyn außer ihm, und ein Seyn
außer ihm heißt eben sein Schema, und beide Ausdrücke sagen
dasselbe.
§. 2.
Indem nun ferner der Wissenschaftslehre
nicht entgehen kann, daß dennoch das wirkliche Wissen keinesweges als
Eins, wie sie dasselbe gedacht hat, sondern als ein mannigfaltiges
erscheine, so entsteht ihr die zweite Aufgabe, den Grund dieser
erscheinenden Mannigfaltigkeit anzugeben. Es versteht sich, daß sie
diesen Grund nicht wo anders her entlehnen, sondern das ihr
wohlbekannte Wesen des Wissens als solchen darlegen muß; daß daher
die Aufgabe, bei ihrer anscheinenden Zweifachheit, dennoch die Eine
und selbige bleibe, die: das innere Wesen des Wissens darzustellen.
§. 3.
Nämlich dieses Seyn schlechtweg außer
Gott kann keinesweges ein in sich gebundenes, fertiges und totes Seyn
seyn, wie denn auch Gott kein solches totes Seyn ist, vielmehr Leben;
sondern es muß seyn ein bloßes reines Vermögen, indem gerade ein
Vermögen das formale Schema des Lebens ist. Und zwar kann es seyn
Vermögen zur Verwirklichung nur dessen, was in ihm liegt, eines
Schema. Da dieses Vermögen ein bestimmtes Seyn ausdrückt, das Schema
des göttlichen Lebens, so ist es freilich bestimmt, aber nur auf die
Weise, wie ein absolutes Vermögen bestimmt seyn kann, durch Gesetze,
und zwar durch bedingte Gesetze. Soll das und das wirklich werden, so
muß unter dieser Bedingung das Vermögen so und so wirken.
§.4.
Zuvörderst also: zu einem wirklichen
Seyn außer Gott kommt es nur durch die Sich Vollziehung des absoluten
Vermögens; dieses aber kann vollziehen nur Schemen, die durch ein
zusammengesetztes Verfahren mit ihnen zu einem wirklichen Wissen
werden. Was daher außer Gott da ist, ist da nur durch das absolut
freie Vermögen, als Wissen dieses Vermögens, und in seinem Wissen;
und ein anderes Seyn außer dem wirklich in Gott verborgenen Seyn ist
schlechthin unmöglich.
§.5.
Sodann, was die Bestimmung dieses
Vermögens durch Gesetze betrifft; es ist dasselbe bestimmt
zuvörderst durch sich selbst, als Vermögen eines wirklichen Wissens.
Zu einem wirklichen Wissen gehört, daß durch das Vermögen
schlechtweg irgend ein Schema vollzogen werde; sodann, daß durch
dasselbe Eine Vermögen in demselben Einen Zustande dieses Schema als
Schema, ein Schema überhaupt aber als unselbstständig, und zu seinem
Daseyn eines Seyns außer sich bedürftig, erkannt werde. Der
unmittelbare und concrete Ausdruck dieser Erkenntnis, die in dem
wirklichen Wissen keinesweges zum Bewußtsein kommt, sondern die bloß
durch die Wissenschaftslehre zum Bewußtsein erhoben wird, ist nun das
wirkliche Wissen selbst in seiner Form; und zufolge der letzteren
Erkenntnis wird, mit gänzlicher Übergehung des Schema, ein objectiv
und unabhängig vom Wissen seyn sollendes, hinausgesetzt. Da in diesem
Wissen von dem Objecte sogar das Schema verdeckt wird, so bleibt
umsomehr das Vermögen, als das Erschaffende desselben, verdeckt und
ungesehen. Dies ist das Grundgesetz der Form des Wissens. So gewiß
daher das Vermögen zu einem solchen sich entwickelt, entwickelt es
sich, wie wir beschrieben, nicht bloß schematisierend, sondern auch
schematisierend das Schema als solches, und es erkennend in seinem
unselbständigen Wesen; nicht daß es unbedingt müßte, sondern daß
es nur durch diese Weise des Verfahrens zu einem Wissen kommt.
Es bleibt diesem zufolge in einem
wirklichen Wissen manches unsichtbar, das denn doch wirklich als
Äußerung dieses Vermögens ist. Sollte nun etwa dieses, und sollte
etwa alle Äußerung des Vermögens, in das Wissen eingeführt werden,
so könnte das Letztere geschehen, nur in einem anderen Wissen, als in
dem ersterwähnten; und das gesamte Wissen würde durch den
Widerstreit des Gesetzes der Form der Sichtbarkeit, mit dem, daß es
sich in seiner Ganzheit sehe, in verschiedene Stücke notwendig
zerfallen.
§.6.
Ferner ist innerhalb dieses seines
formalen Seyns das Vermögen bestimmt durch ein unbedingtes Soll. Es
soll sich sehen als Schema des göttlichen Lebens, was es
ursprünglich ist, und durch welches Seyn allein es Daseyn hat: somit
ist dies seine absolute Bestimmung, durch die es selbst als Vermögen
vollendet erschöpft ist. -- Es soll sich sehen als Schema des
göttlichen Lebens; nun aber ist es ursprünglich nichts mehr denn ein
Vermögen, wiewohl ganz sicher dieses bestimmte Vermögen des Schema
von Gott; sollte es sich nun als solches Schema sehen in der
Wirklichkeit, so müßte es selbst durch Vollziehung des Vermögens
sich wirklich dazu machen.
§.7.
Das sich Sehen als sollendes und
könnendes Vermögen, und die wirkliche Vollziehung dieses Vermögens,
falls auch die letztere gesehen werden soll, fallen auseinander, und
die factische Möglichkeit des letzteren ist durch die geschehene
Vollziehung des ersteren bedingt.
Es soll sich ja sehen als göttliches
Schema nicht durch sein bloßes ihm gegebenes Seyn, wie es denn kein
solches gegebenes Seyn ist, sondern durch Vollziehung des Vermögens.
So muß ihm, daß es ein solches Vermögen sey, und woran es in der
Vollziehung desselben sich erkenne, schon vorher bekannt seyn, damit
es hierauf seinen Blick richten, und nach jenen Kennzeichen die
Vollziehung beurteilen könne.
Oder sehe man es so an: durch die
Vollziehung des Vermögens wird ihm ein Schema entstehen, und ein
Bewußtsein desjenigen, was im Schema liegt, und mehr durchaus nicht.
(§.5.) Der über den unmittelbaren Inhalt des Schema hinausgehende
formale Beisatz, daß es Schema Gottes sey, liegt darin nicht, und
könnte nur zufolge eines an der unmittelbaren Vollziehung
wahrgenommenen Kennzeichens darauf übertragen werden. Dieses
Kennzeichen aber ist gerade das, daß das Vermögen mit absoluter
Freiheit, zufolge des erkannten allgemeinen Soll, sich vollziehe.
§.8.
Soll es sich sehen, als sollend, so
muß es vor diesem bestimmten Ersehen seiner als Princip voraus schon
überhaupt sehen; und da es nur durch seine Sich-Entwicklung sieht, es
muß sich entwickeln, ohne als Princip in dieser Entwicklung
unmittelbar sich sehen zu können. Das ausgesprochene Muß liegt in
der Absicht, daß das Soll ihm sichtbar werde; man kann es darum
nennen ein Sollen des Soll, nämlich ein Soll seiner Sichtbarkeit:
mithin liegt dieses Soll in der ursprünglichen Bestimmung des
Vermögens durch sein Seyn aus Gott. Da, wenn es sich überhaupt nicht
sieht als Princip, es in demselben Einen Zustande sich nicht zugleich
als solches sehen kann, so ist klar, daß diese beiden Weisen des
Wissens auseinanderfallen. Wir nennen das Wissen durch das unmittelbar
unsichtbare Prinzip Anschauung.
§.9.
Da in der Anschauung weder das
Vermögen schlechtweg als solches, noch auch das göttliche Leben,
schematisiert wird, indem die Anschauung erst die factische
Möglichkeit eines solchen Schematisierens herbeiführt, so ist klar,
daß derselben nichts übrigbleibe, denn die bloße Gestalt des
Vermögens in seiner Gegebenheit. Es ist (§.5.) ein Vermögen des
Hinschauens, und zwar ohne die Richtung auf das Eine göttliche Leben,
die auf diesem Standpunkte verborgen bleibt, ein unbestimmtes
und durchaus ungebundenes, jedoch absolutes Vermögen, also ein
unendliches. Es schematisiert sich darum als hinschauend ein
Unendliches in einem Blicke (den Raum); sich schematisiert es
also, demnach als in derselben ungeteilten Anschauung sich
zusammennehmend und zusammenziehend auf ein in der ersten
Unendlichkeit Begrenztes, in sich selber gleichfalls unendlich
Teilbares, einen verdichteten unendlichen Raum, in einem anderen
einfachen unendlichen Raume, oder Materie; - auch hier als ein
unendliches Vermögen, sich zusammenzuziehen, und so eine unbegrenzte
materielle Welt im Raume: welches Alles nun zufolge des angeführten
Grundgesetzes des Wissens (§.5.) ihm als ein wirklich und an sich
daseyendes Seyn erscheinen muß.
Ferner, es ist eben durch sein bloßes
formales Seyn Vermögen, absolut anfangendes Princip. Um sich als
solches zu schematisieren für die Anschauung, muß es, vor seiner
Wirksamkeit voraus, ein mögliches Wirken erblicken, das es, - so
nämlich müßte es ihm erscheinen, - vollziehen könnte, oder auch
nicht. Dieses mögliche Wirken kann es nicht erblicken an dem
absoluten Soll, das in diesem Standpunkte unsichtbar ist: sonach nur
an einer gleichfalls blind schematisierten Causalität, die doch nicht
unmittelbar Causalität ist, die aber schlechtweg durch die
erscheinende Vollziehung des Vermögens es zu werden erscheine. Eine
solche Causalität aber ist ein Trieb. Es müßte sich fühlen
getrieben zu diesem oder jenem Wirken; ohne daß jedoch die
Wirksamkeit dadurch unmittelbar gegeben sey, indem eine solche
Unmittelbarkeit ihm die Erscheinung seiner Freiheit, auf die es ja
hier ankommt, verdecken würde.
Diese durch den Trieb geforderte
Wirksamkeit kann nur eine Wirksamkeit auf die Körperwelt seyn. Der
Trieb zur Wirksamkeit wird daher angeschaut in einer unmittelbaren
Beziehung auf die Körper; diese werden demzufolge in dieser
unmittelbaren Beziehung gefühlt, und erhalten, durch diese Beziehung,
ihre innere, mehr als raumfüllende Qualität; und es wird
durch diese Bemerkung die oben unvollendet gebliebene Bestimmung der
Körper vollendet.
Sollte zufolge dieses Triebes, und der
Erscheinung der Selbstbestimmung, das Vermögen sich als in der Tat
wirkend erblicken, so würde es in dem Erblicken dieser Wirksamkeit
mit der Körperwelt in dieselbige Eine Form der Anschauung
zusammenfallen: es würde darum in dieser mit der Körperwelt
vermittelnden Anschauung sich selbst als einen Körper erblicken; in
seiner doppelten Beziehung zur
Körperwelt, teils als Sinn, um die
Beziehung derselben auf seinen Trieb zu fühlen, teils als Organ, um
seine Wirksamkeit darauf anzuschauen.
In dieser Wirksamkeit ist es sich nun
gegeben als das Eine und selbige Vermögen in der Selbstbestimmung,
aber durch kein Wirken zu erschöpfen, und so Vermögen
bleibend ins Unendliche. Es entsteht ihm in dieser Anschauung seines
Einen unendlichen Vermögens eine Unendlichkeit, nicht wie die
ersterwähnte, in Einem Blicke, sondern eine solche, in der es sein
unendliches Wirken anschauen könne; eine unendliche Reihe
aufeinanderfolgender Glieder: die Zeit. Da ins Unendliche fort diese
Wirksamkeit nur auf die Körperwelt gehen kann, so wird in der Einheit
der Anschauung auch auf diese die Zeit übertragen, ohnerachtet diese
Welt ihren eigentümlichen Unendlichkeitsausdruck schon hat an der
unendlichen Teilbarkeit des Raumes und aller seiner Teile.
Es ist klar, daß der Zustand, da das
Vermögen sich lediglich der Anschauung der Körperwelt hingibt, und
in derselben aufgeht, mit demjenigen, da es auf seinen Trieb auf die
schon erkannte zu wirken aufmerkt, auseinanderfällt; daß jedoch auch
in dem letzten Zustande ein Schema der vorhanden seynsollenden Dinge
bleibt, damit der Trieb auf sie bezogen werden könne: und dies bildet
den Zusammenhang zwischen diesen beiden auseinanderfallenden
Zuständen der Anschauung.
Dieses ganze Gebiet der Anschauung ist,
wie gesagt, Ausdruck und Schema des bloßen Vermögens. Da das
Vermögen, ohne Schema des göttlichen Lebens, nichts ist, hier aber
dasselbe in dieser seiner Nichtigkeit schematisiert wird, so ist
dieses ganze Gebiet nichts, und nur in seiner Beziehung auf das
wirkliche Seyn, indem dessen factische Möglichkeit dadurch bedingt
ist, erhält es eine Bedeutung.
§.10.
Es liegt im Vermögen ferner die
Bestimmung, sich zu erheben zum Ersehen des Soll, dessen factische
Vollziehung nun, nachdem das gesamte Gebiet der Anschauung da ist,
unmittelbar und schlechtweg möglich ist. Wie aber und auf welche
Weise wird diese Erhebung geschehen? Was in der Anschauung festhält,
und die eigentliche Wurzel derselben ist, ist der Trieb; diesem
zufolge hängt das Vermögen am Anschauen, und bleibt in demselben
gefangen. Die Bedingungen und der eigentliche Act des nun
vollziehbaren Vermögens wäre daher das Sichlosreißen vom Triebe,
die Vernichtung desselben, als unsichtbaren und blinden Triebes des
Schematisierens; und so würde, da das Princip wegfällt, auch die
Folge, das Gehaltenseyn in der Anschauung, wegfallen. Das Wissen
stände nun da, als Eins, so wie die Wissenschaftslehre bei ihrem
Beginnen es erblickt; es würde in dieser seiner Wesens-Einheit
eingesehen als unselbständig und bedürftig eines Trägers, des
Einen, das da ist schlechtweg durch sich. -- Ein Wissen in dieser Form
ist kein Anschauen mehr, sondern ein Denken, und zwar das reine, oder
das Intelligiren.
§.11.
Ehe wir dies weiter verfolgen, müssen
wir von diesem Mittelpunkte aus der erst dargelegten Sphäre der
Anschauung eine ihr noch ermangelnde Bestimmung hinzufügen. -
Lediglich durch den blinden Trieb, der der einzig möglichen Richtung
des Soll ermangelt, wird das Vermögen in der Anschauung zu einem
unbestimmten; wo es als absolut schematisiert wird, unendlichen, wo es
als bestimmtes, wie als Princip, gegeben wird, wenigstens zu einem
mannigfaltigen. Von diesem Triebe reißt nun durch den eben
angegebenen Act des Intelligirens das Vermögen sich los, um sich zu
richten auf Eins. So gewiß es nun zur Hervorbringung dieser Einheit,
und zwar zuvörderst innerlich und unmittelbar im Vermögen selbst,
weil nur unter dieser Bedingung sie auch äußerlich im Schema
erblickt werden konnte, eines besonderen Actes bedurfte, so gewiß war
in der Sphäre der Anschauung das Vermögen nicht als Eins angeschaut,
sondern als ein Mannigfaltiges; dieses Vermögen, das nun durch die
Selbstanschauung zum Ich geworden ist, war in dieser Sphäre nicht Ein
Ich, sondern es zerfiel notwendig in eine Welt von Ichen.
Dies zwar nicht in der Form der
Anschauung selbst. Das ursprünglich schematisierende, und das dieses
Schema unmittelbar und in der Tat seines Werdens als Schema erkennende
Princip sind notwendig numerisch Eins, nicht zwei; und so ist denn
auch auf dem Gebiete der Anschauung das unmittelbar sein Anschauen
Anschauende nur ein einziges, in sich verschlossenes, gesondertes, in
dieser Rücksicht jedem anderen unzugängliches: das Individuum eines
jedweden, deren aus diesem Grunde jedweder nur Eins haben kann. Wohl
aber muß diese Trennung der Iche einfallen in derjenigen Form, in
welcher allein auch die Einheit hervorgebracht wird, in der des
Denkens: daß daher das beschriebene Individuum, so einzeln es
auch in der unmittelbaren Selbstanschauung bleibt, wenn es sich im
Denken auffaßt, in diesem Denken sich finden würde als ein
Einzelnes, in einer Welt ihm gleicher Individuen; welche letztere, da
es dieselben nicht als freie Principe, so wie sich selbst, unmittelbar
anschauen könnte, es als solche nur durch einen Schluß aus ihrer
Wirkungsweise auf die Sinnenwelt erkennen könnte.
Aus dieser weiteren Bestimmung der
Sphäre der Anschauung, daß in ihr das durch sein Seyn aus Gott
einige Princip in mehrere zerfalle, folgt noch eine andere. Dieses
Zerfallen selbst in dem Einen Denken, und die dabei dennoch
stattfinden müssende gegenseitige Anerkennung wäre nicht möglich,
wenn nicht das Object der Anschauung und des Wirkens aller Eine und
die selbige, ihnen Allen gleiche Welt wäre. Die Anschauung einer
Sinnenwelt war nur dazu da, daß an dieser Welt das Ich, als absolut
sollendes, sich sichtbar würde. Dazu bedarf es nicht mehr, als daß
eben die Anschauung einer solchen Welt nur schlechtweg sey; wie sie
sey, darauf kommt durchaus nichts an, indem zu jenem Zwecke jede
Gestalt derselben gut ist. Aber, das Ich soll noch überdies sich als
Eines in einer gegebenen Vielheit von Ichen erkennen, und dazu
gehört, außer den schon angegebenen allgemeinen Bestimmungen der
Sinnenwelt, auch noch diese, daß sie für jedes anschauende
Individuum dieselbe sey. Derselbe Raum, und dieselbe Erfüllung
desselben für alle; ohnerachtet es der individuellen Freiheit
überlassen bleibt, diese gemeinsame Erfüllung in einer
eigentümlichen Zeitfolge aufzufassen. Dieselbige Zeit und ihre
Ausfüllung durch sinnliche Begebenheiten für alle; ohnerachtet in
seinem eigenen Denken und Wirken es jedem freisteht, sie auf seine
eigene Weise auszufüllen. Das Soll der Sichtbarkeit des Soll (§.8.),
wie es aus Gott ausgeht, ist ja an das Eine Princip gestellt, wie denn
aus Gott nur Ein Princip ausgeht; und so ist es denn, zufolge der
Einheit des Vermögens, jedem Individuum schlechthin möglich, zu
schematisieren, - und es muß jedes, unter der Bedingung, daß es auf
dem Wege der Erblickung des Soll befindlich sey, schematisieren -
seine Sinnenwelt nach dem Gesetze jener ursprünglichen
Übereinstimmung. Ich könnte sagen: es kann schlechtweg und es muß,
unter der angegebenen Bedingung, construiren die wahre
Sinnenwelt; diese nämlich hat, außer den oben abgeleiteten
allgemeinen und formalen Gesetzen gar keine andere Wahrheit und
Realität, als diese allgemeine Übereinstimmbarkeit.
§.12.
Kehren wir zurück zum reinen Denken
oder Intelligiren (§.10). -- Das Wissen ist durch dasselbe
eingesehen, als sein könnend allein Schema des göttlichen Lebens. In
diesem Denken habe im das Wissen nicht unmittelbar, sondern nur in
einem Schema; noch weniger unmittelbar das göttliche Leben, sondern
dieses nur in einem Schema des Schema, in einem doppelt ertöteten
Begriffe. Besinne ich mich, - und ein solches Vermögen unmittelbar
mich zu besinnen muß, um des sogleich anzugebenden Grundes willen, im
allgemeinen Vermögen liegen -- besinne ich mich, daß ich das
soeben gesagte einsehe, daß ich es daher einsehen kann, daß,
da laut der zu Stande gebrachten Einsicht das Wissen Ausdruck Gottes
ist, auch dieses Vermögen selbst sein Ausdruck ist, daß das
Vermögen da ist, um vollzogen zu werden, daß ich demnach, zufolge
meines Seyns aus Gott, es einsehen soll. Nur auf dem Wege
dieser Besinnung komme ich zur Einsicht, daß ich schlechtweg soll;
aber ich soll zu dieser Einsicht kommen; es muß daher, wie erwiesen
werden sollte, ein absolutes Vermögen dieser Besinnung, gleichfalls
zufolge meines Seyns aus Gott, im allgemeinen Vermögen liegen. Diese
gesamte jetzt beschriebene Sphäre offenbart sich demnach als ein Soll
des Ersehens: daß ich, das in der Sphäre der Anschauung schon
ersehene Princip, daß ich soll. In ihr ist das durch die
bloße Besinnung unmittelbar als Princip sichtbar zu machende Ich
Princip des Schema, wie sich dies an der hervorgebrachten Einsicht vom
Wissen in seiner Einheit, und vom göttlichen Leben, als dem Träger
desselben, zeigt, wo ich, nach unmittelbarer Besinnung, hinzuzusetzen
vermag: ich denke das, ich bringe hervor diese Einsicht. Dieses Wissen
durch das unmittelbar als Princip sichtbare Princip heißt, wie
gesagt, reines Denken, zum Unterschiede von dem durch das unmittelbar
unsichtbare Princip, dem Anschauen.
Beide, das reine Denken und das
Anschauen, fallen also auseinander, daß das letztere durch das
erstere bis in sein Princip aufgehoben und vernichtet wird. Ihr
Zusammenhang aber wird dadurch gebildet, daß das letztere die
factische Möglichkeit des ersten bedingt; auch daß das in dem
letzteren erschienene Ich in seinem bloßen Schema (denn in seiner
Wirklichkeit ist es zugleich mit dem Triebe vernichtet) auch im
ersteren bleibt, und darauf sich besonnen wird.
§.13.
In diesem beschriebenen Denken denke
ich bloß das Wissen, als Schema des göttlichen Lebens seyn könnend,
und da dieses Können der Ausdruck Gottes ist, der auf das Seyn geht,
als dasselbe seyn sollend; keineswegs aber bin ich es.
Es wirklich zu seyn, kann keine Gewalt mich nötigen; wie denn auch
früher keine mich nötigen konnte, auch nur die Anschauung der wahren
sinnlichen Welt zu vollziehen, oder zum reinen Denken, und dadurch zur
wirklichen, aber leeren Einsicht des absolut-formalen Soll mich zu
erheben. Dies steht in meinem Vermögen; aber nun, da alle
factische Bedingungen schon vollzogen sind, steht es auch unmittelbar
in meinem Vermögen.
Wenn ich nun, von einer Seite fallen
lassend das nichtige Anschauen, von der anderen das leere Intelligiren,
mit absoluter Freiheit und Unabhängigkeit davon, mein Vermögen
vollziehe, was wird erfolgen? Ein Schema; ein Wissen demnach, das
durch das Intelligiren ich schon kenne, als das Schema Gottes, das
aber in dem jetzt vollzogenen Wissen unmittelbar mir erscheint als
das, was ich schlechtweg soll. Ein Wissen, dessen Inhalt weder
hervorgeht aus der Sinnenwelt, denn diese ist vernichtet, noch aus der
Betrachtung der leeren Form des Wissens, denn auch diese habe ich
fallen lassen; sondern das da ist durch sich selbst, schlechtweg, wie
es ist, sowie das göttliche Leben, dessen Schema es ist, schlechtweg
durch sich selbst ist, wie es ist.
Ich weiß nun, was ich soll. Aber alles
wirkliche Wissen führt durch sein formales Wesen seinen schematischen
Beisatz mit sich, ohnerachtet ich also nun weiß von dem Schema
Gottes, so bin ich dennoch noch nicht unmittelbar dieses Schema,
sondern ich bin nur Schema des Schema. Das geforderte Seyn ist noch
immer nicht vollzogen.
Ich soll seyn? Wer ist dieser
Ich? Offenbar der seyende, der in der Anschauung gegebene Ich, das
Individuum. Dieser soll seyn.
Was bedeutet sein Seyn? Als Princip
in der Sinnenwelt ist er gegeben. Der blinde Trieb zwar ist
vernichtet, und statt dessen steht nun da das hell ersehene Soll. Aber
die Kraft, die erst den Trieb in Bewegung setzte, bleibt, daß nun das
Soll sie in Bewegung setze, und ihr höheres bestimmendes Princip
werde. Durch diese Kraft soll ich daher darstellen in der Sphäre
dieser Kraft, der Sinnenwelt, und in ihr anschaubar machen, was ich
als mein wahres Wesen anschaue in der übersinnlichen Welt.
Die Kraft ist gegeben als ein
Unendliches; was daher in der Einen Welt des Gedankens schlechthin
Eins ist, das was ich soll, -- wird in der Welt der Anschauung für
meine Kraft eine unendliche Aufgabe, an der ich zu lösen habe in alle
Ewigkeit.
Nur in der Anschauung kann diese
Unendlichkeit, die eigentlich eine Unbestimmtheit ist, stattfinden,
keinesweges in meinem wahren einfachen Seyn, das, als Schema Gottes,
so einfach und so unwandelbar ist, wie er selbst. Wie kann, innerhalb
der doch fortdauernden, und durch das absolute Soll, als gerichtet an
mich Individuum, ausdrücklich geheiligten Unendlichkeit, diese
Einfachheit hervorgebracht werden?
Wenn in dem Ablaufe der Zeit in jedem
neueintretenden Momente das Ich durch den Begriff dessen, was es soll,
in einem besonderen Acte sich bestimmen müßte, so wäre es in seiner
ursprünglichen Einheit allerdings unbestimmt, und lediglich in der
unendlichen Zeit immerfort bestimmbar. Es könnte aber ein solcher
bestimmender Act in der Zeit möglich werden nur im Gegensatze mit
einem Widerstande. Dieses Widerstehende aber, und durch den Act der
Bestimmung zu Bezwingende, könnte nichts Anderes seyn, denn der
sinnliche Trieb; es wäre darum die Notwendigkeit einer solchen
fortzusetzenden Selbstbestimmung in der Zeit der sichere Beweis, daß
der Trieb nicht durchaus ertötet worden, wie wir dies doch bei der
Erhebung zum Leben in Gott vorausgesetzt haben.
Durch die wirkliche und gänzliche
Ertötung des Triebes ist jene unendliche Bestimmbarkeit selbst
vernichtet, und in eine einzige absolute Bestimmung aufgenommen. Diese
Bestimmung ist der absolut einfache Wille, der das ebenso einfache
Soll zum treibenden Princip der Kraft erhebt. Laßt diese Kraft nun
ablaufen ins Unendliche, wie sie muß; der Wandel ist nur in ihren
Producten, keinesweges in ihr selbst, sie ist einfach, und ihre
Richtung ist Eine, und diese ist mit einemmale vollendet.
Und so ist denn der Wille
derjenige Punkt, in welchem Intelligiren und Anschauen oder Realität
sich innig durchdringen. Er ist ein reales Princip, denn er ist
absolut, und unwiderstehlich bestimmend die Kraft, haltend aber und
tragend sich selbst; er ist ein intelligirendes Princip, der
durchschaut sich, und er schaut an das Soll. In ihm ist das Vermögen
vollständig erschöpft, und das Schema des göttlichen Lebens zur
Wirklichkeit erhoben.
Das unendliche Wirken der Kraft selbst
ist nicht um seiner selbst willen, und als Zweck; sondern es ist nur,
um das Seyn des Willens in der Anschauung zu dokumentieren.
§.14.
So endet denn die Wissenschaftslehre,
welche in ihrem Inhalte die Vollziehung des soeben ausgemessenen
absoluten Vermögens zu intelligiren ist, mit der Erkenntnis ihrer
selbst, als eines bloßen Schema, jedoch als eines notwendigen und
unentbehrlichen Mittels, in eine Weisheitslehre, das ist in den
Rat, nach der in ihr erlangten Erkenntnis, durch welche ein sich
selbst klarer und auf sich selbst ohne Verwirrung und Wanken ruhender
Wille allein möglich ist, sich wieder hinzugeben dem wirklichen
Leben; nicht dem in seiner Nichtigkeit dargestellten Leben des blinden
und unverständigen Triebes, sondern dem an uns sichtbar werden
sollenden göttlichen Leben.