Wassily Kandinsky
Kandinsky und der Weg der Farbe
Alexander Schaumann
Die Kunst des 20. Jahrhunderts beginnt mit einem
Aufbruch, der den Zusammenhang mit der Kunst des 19. Jahrhunderts
ganz verdeckt. Eine neue Frische und Ursprünglichkeit durchziehen
die Malerei, in der ein neuer Anfang spürbar wird. Diesen neuen
Einsatz verdankt sie Farbe und Fläche, die jetzt von
den Malern ganz neu, wie zum erstenmal gesehen werden. Zum erstenmal
werden also die Mittel der Malerei zu selbständig sprechenden Eigenwesen.
Die
Malerei des ersten Jahrzehnts zeigt, welch
unterschiedliche Qualitäten in der Farbe leben
können. Bei Matisse, in dessen Werk das neue
Jahrhundert zum erstenmal spürbar wird, scheint
die Farbe lebendig auszuströmen und sich
wechselseitig im Gleichgewicht zu halten. Bei
Jawlensky scheint die Farbe aus einer verborgenen
Tiefe hervorzuleuchten, und bei Franz Marc wird
die Farbe zu einem Tor, durch das sich seine
Ahnung in eine neue, fremde Welt hinein tastet:
in die Seelenwelt der Tiere. Kandinsky führt das
Erleben der Farbe dagegen an eine Schwelle, an
der eine Welt sichtbar wird, die nun nicht in der
Phantasie aufgeht, sondern die als eine konkrete
neue Erfahrung aufbricht. Insofern ist er der
Maler, der sich am radikalsten auf das Erleben
der Farbe eingelassen hat. 1907 beginnt seine
Farbe lebendig zu werden, die ihn dann 1909 zu
jenem Durchbruch führt, der in dem Bild
Murnau mit Kirche unmittelbar
anschaulich wird.
Von
Anfang an waren Farben für ihn also etwas
Wesenhaftes, voll nuanciertester Charaktere,
kraftvoll und lebendig. Diese Erfahrung hinderte
ihn zunächst daran, Maler zu werden. Denn wie
sollte er diese Wesen im Bild handeln lassen,
ohne daß sie von der Darstellung von Dingen
aufgesaugt würden? 1909, als er an dem Bild
Murnau mit Kirche arbeitete, hatte
das Erleben der Farbe also bereits 30 Jahre in
seiner Seele gearbeitet, und so konnte ein Bild
entstehen, das als ein Symbol erscheinen kann
für den von der Kraft der Farbe durchwalkten und
jetzt zerreißenden Sinnesteppich, hinter dem
eine neue Welt sichtbar wird.
http://www.blauereiter.de/hauptteil_schaumann.htm
Wo bleibt das Geistige in der Kunst?
Christian Gelleri
Erfindungen in Chemie und Elektrotechnik,
die Internationalisierung durch rasche und günstige Mobilität, und
insbesondere die Relativitätstheorie und später die Quantenmechanik
erschütterten das alte Weltbild des göttlichen, präzise festgelegten
Uhrwerks, in dem alles seinen festen Platz hatte mit dem
Menschen als Krone der Schöpfung. Auf der Suche nach dem `neuen Zeitalter´
wurden alte Weisheitslehren ausgegraben (Theosophie), Klassiker
wiederentdeckt (Novalis, Goethe, Schiller ...), neue pädagogische
Richtungen erprobt (Montessorie, Waldorfpädagogik), neue Wege des
Wirtschaftens und der Gemeinschaft beschritten (Anthroposophie)
und vieles mehr. Leider gingen in diese Richtung nur einige wenige,
sehr viel stärker wurde Halt in der Nation und in der wirtschaftlichen
Prosperität gesucht. In der Kunst begannen die Umbrüche bereits
sehr viel früher. Spätestens mit dem Aufkommen des Impressionismus
war klar, daß die naturalistische Abbildung in alter Form ausgedient
hatte.
http://www.blauereiter.de/hauptteil_gelleri.htm
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