Forum für Anthroposophie, Waldorfpädagogik und Goetheanistische Naturwissenschaft | ||||
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Die
modernen elektronischen Medien
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Nebenstehende Abbildung zeigt die Blickbewegungen beim Betrachten eines Gesichtes. Die dünnen Linien zeigen die raschen Augenbewegungen, die Punkte bezeichnen Stellen, die der Blick länger fixiert. Deutlich sieht man, wie die Formen des Gesichtes grob durch die Blickbewegungen nachgezeichnet werden. Den charakteristischen Merkmalen der Physiognomie wird dabei besondere Aufmerksamkeit geschenkt. (siehe Julius[2]) |
Die Welt ist unserem Augensinn niemals als fertiges Bild gegeben, sondern indem wir frei die Aufmerksamkeit auf die Dinge der Welt lenken, malen wir gleichsam aktiv das Wahrnehmungsbild auf die innere Leinwand unserer Seele. Das Sehen bekommt dadurch einen sehr individuellen Charakter; jeder entwirft sich im Grunde anhand der äußeren Dinge sein eigenes Bild der Welt. Das menschliche Sehen ist deswegen keineswegs bloß subjektiv, und der im 19. Jahrhundert so beliebte Satz "Die Welt ist meine Vorstellung", wodurch man ausdrücken wollte, dass der Mensch an die wahre Wirklichkeit überhaupt nicht herankommt, geht zu weit. Die menschliche Wahrnehmung ist subjektiv und objektiv zugleich. Im menschlichen Sehen wird immer mit der äußeren Wirklichkeit zugleich die innere Wirklichkeit des eigenen Ichs zumindest dumpf mitempfunden. Das entfernt uns nicht von der Wirklichkeit, sondern läßt sie uns gerade viel intimer erkennen, als es durch einen bloß passiven Blick möglich wäre. Tiere können das nicht, sie können sich daher auch nicht als individuelles Wesen erleben und sie können auch keine wirkliche Phantasie entwickeln. Die aktive Form des Sehens ist nämlich auch die notwendige Vorübung dazu, dass wir später durch die freie Phantasie rein innerlich seelische Bilder entwerfen können. Die Schule des Sehens ist zugleich die Vorschule der bildhaften Phantasie. Wird das Sehen nicht aktiv geschult, kann die Phantasie, ohne die aber später auch kein kreatives Denken möglich ist, nicht voll ausreifen.
Den freien Blick verdankt der Mensch seiner Aufrichtekraft. Sie befreit aber auch die oberen Gliedmaßen des Menschen von ihrer den Körper tragenden Funktion, die sie beim Tier letztlich immer behalten. Rein anatomisch betrachtet bleibt die menschliche Hand dadurch auf einem relativ frühen embryonalen Entwicklungsstadium stehen, das die Tiere zwar auch andeutungsweise durchleben, aber dann weit darüber hinausschießen. Der Biologe Louis Bolk hat dieses für das menschliche Dasein so wichtige "Retardationsphänomen" sehr ausführlich dokumentiert. So durchlaufen etwa auch die Huftiere das Entwicklungsstadium der fünfstrahligen Hand, bei dem der Mensch rein organisch stehen bleibt, aber diese angedeutete fünfstrahlige Hand verhärtet sich immer mehr, die "Finger" verwachsen miteinander und bilden endlich den verhornten Huf, durch den das Tier zwar optimal dem Steppenboden angepaßt ist - aber auch ewig an diesen gebunden bleibt. Die tierischen Gliedmaßen sind hochspezialisiert. Die menschliche Hand dagegen ist von ihrer Naturanlage her zu keiner spezifischen Tätigkeit vorgeprägt - aber der Mensch kann sie durch unermüdliche Übung zu vielseitigen geschickten Bewegungsformen ausbilden und wird dadurch zu einem selbstbewusst handelnden Wesen, das nicht mehr bloß instinkgetrieben reagiert, sondern willentlich frei agieren und bewußt die Verantwortung für seine Taten übernehmen kann.
Durch die Geschicklichkeit seiner Hände wird der Mensch zum Werkzeugmacher und Handwerker. Was immer dem Menschen organisch mangelt, kann er sich durch seine Werkzeuge ersetzen. Allem, was für das äußere Leben nützlich ist, kann dadurch Genüge getan werden. Aber der Mensch vermag noch mehr: Er kann durch die Geschicklichkeit seiner Hände auch die bildende Kunst hervorbringen. Diese ist nun im rein äußerlichen Sinn zu ganz und gar nichts nütze. Sie fördert das rein organische Überleben, auf das die tierische Existenz alleine gerichtet ist, in keiner besonderen Weise. Aber sie ist höchst bedeutsam für die seelische Entwicklung des Menschen. Die künstlerische Phantasie bildet sich nur in dem Maße aus, indem der Mensch die innerlich seelisch erlebten Formen und Farben durch die geschickte Tätigkeit seiner Hände der äußeren Welt einverleibt. Je mehr ihm das gelingt, desto formenreicher und farbiger wird im Gegenzug seine seelische Innenwelt. Niemand wird die bildreiche Phantasie eines Malers entfalten können, der nicht auch geschickt mit Farbe und Pinsel umzugehen gelernt hat. Niemand wird ein feines und bewusstes Raum- und Formgefühl entwickeln, der sich nicht auch als Plastiker praktisch geübt hat. Und das ist wiederum ganz entscheidend dafür, wieweit der Mensch sein Selbstbewusstsein entwickeln kann - denn dieses erwacht gerade dadurch, dass wir uns immer konkreter von den räumlich erlebten Gegenständen der äußeren Welt unterscheiden lernen. Ohne gesundem Raumempfinden kann sich der Mensch seiner selbst nicht klar und deutlich bewusst werden. Sein Seelenleben verarmt und wird an das zwar sehr intensive, aber eng begrenzte und eben gerade nicht selbstbewusste Seelenleben des Tieres herangerückt. Nur in dem beständigen Wechselschlag von rein seelischem Erleben und geschickter äußerer Gestaltungsfähigkeit kann sich überhaupt ein reiches Seelenleben entwickeln, das weit über die engen Grenzen der tierischen Erlebnisfähigkeit hinausragt und dadurch erst den Menschen zum wirklichen Menschen macht. Auch das menschliche Denken kann sich nur auf diesem Wege entwickeln. Wer mit seiner Aufrichtekraft als Kind nicht um einen sicheren Stand in der äußeren räumlichen Welt gerungen hat, dem wird es später auch an Verstand mangeln. Wer sich nicht im geschickten Greifen geübt hat, dem wird später auch das Begreifen schwer fallen. Wem die räumliche Orientierung mangelt, wird auch bei seinen Gedankengängen leicht den Weg verlieren. Das Verstandesdenken ist im Grunde nichts andres als ein vergeistigtes Handeln im rein seelisch erlebten Vorstellungsraum - und am realen Handeln im äußeren sinnlichen Raum wird es erübt.
Im künstlerischen Bilden vereinigt sich seelischer Ausdruck mit handwerklicher Geschicklichkeit. In der menschlichen Gestik steigert sich die freie Bewegung der oberen Gliedmaßen schließlich zum reinen Ausdruck inneren seelischen Erlebens, wie es ähnlich auch bei der Mimik der Fall ist. Tiere haben beides nicht. Sie können mit ihren Gliedmaßen nicht gestikulieren und sind auch echter Mimik nicht fähig. Sie können nicht lächeln oder weinen, sondern drücken ihre innere, vor allem im Rückenmarksnervensystem empfundene organisch bedingte Befindlichkeit auf arttypische Weise in der ganzen bewegten Körperhaltung aus. Der Hund, wenn er freudig erregt ist, wedelt nicht bloß mit dem Schwanz, dem verlängerten Rückenmark, sondern der ganze Hund wedelt, geführt von den rhythmisch wohligen Bewegungen der horizontal orientierten Wirbelsäule. Aus dieser instinktiven, durch die waagerechte Wirbelsäule vermittelten Bewegung hebt sich der Mensch gerade durch seine aufrechte Haltung heraus und kann so erst seine rein menschliche Gestik und Mimik entfalten. Unzweifelhaft trägt der Mensch auch jede Menge instinktiver tierischer Verhaltensweisen in seinem Wesen. Die vergleichende Verhaltensforschung hat darauf zur Genüge hingewiesen - aber der Mensch wird in seinem ganzen Gehaben um so menschlicher erscheinen, als beseelte Gestik und Mimik die Oberhand gewinnen.
Das gilt ganz besonders für den aufrechten Gang des Menschen. Sein Schritt ist ganz und gar individuell geprägt. Der eine hüpft leichtfüßig, fast tänzelnd über die Erde, der andere tritt sie mit schwerem Schritt nieder, ein dritter zieht schlurfenden Trittes seine Bahn durch die Welt. Seine ganze Individualität und sein ganzes Lebensschicksal drückt sich darin aus - für den, der in diesen Spuren lesen gelernt hat. Je bewusster wir im späteren Lebensalter erfassen, was seelisch in unserer eigenen Mimik, Gestik und in unserem Gang lebt, desto bewusster werden wir auch miterleben können, was sich durch Gestik, Mimik und Schritt unserer Mitmenschen seelisch ausspricht. Die ganze bewegte äußere sinnliche Erscheinung des Menschen wird uns dadurch zu einem Bild, durch das sich seine Seele und sein individueller Geist ausdrücken. Solange wir die äußere sinnliche Erscheinung des Menschen als voll auf sich selbst gegründete Wirklichkeit ansehen, kommen wir nicht an den individuellen geistigen Kern des Menschen heran, der ihn überhaupt erst zum Menschen macht. Erst wenn wir seine sinnliche Erscheinung als Bild seiner übersinnlichen geistigen Wesenheit erleben, erfassen wir das eigentlich Menschliche an ihm, durch das er sich von allen anderen Naturreichen unterscheidet. Rudolf Steiner hat auf diese Bildnatur dessen, was man sinnlich vom Menschen erfassen kann, sehr deutlich hingewiesen:
"Das ist nun gerade so, als ob man das Bild, das ein Maler geschaffen hat, betrachtete nach der Substanz der Farben, nach der Kraft, mit der die Farben an der Leinwand haften, nach der Art, wie sich diese Farben auf die Leinwand streichen lassen, und nach ähnlichen Gesichtspunkten. Aber mit alledem trifft man nicht, was sich in dem Bilde offenbart. In dieser Offenbarung, die durch das Bild da ist, leben ganz andere Gesetzmäßigkeiten als diejenigen, die aus den angegebenen Gesichtspunkten gewonnen werden können.
Es kommt nun darauf an, sich darüber klar zu werden, daß sich auch in der menschlichen Wesenheit etwas offenbart, das von den Gesichtspunkten, von denen aus die Gesetze der äußeren Natur gewonnen werden, nicht zu ergreifen ist. Hat man diese Vorstellung in der rechten Art sich zu eigen gemacht, dann wird man in der Lage sein, den Menschen als Bild zu begreifen. Ein Mineral ist in diesem Sinne nicht Bild. Es offenbart nur dasjenige, was unmittelbar die Sinne wahrnehmen können.
Beim Bilde richtet sich die Anschauung gewissermaßen durch das sinnlich Angeschaute hindurch auf einen Inhalt, der im Geiste erfaßt wird. Und so ist es auch bei der Betrachtung des Menschenwesens. Erfaßt man dieses in rechter Art mit den Naturgesetzen, so fühlt man sich im Vorstellen dieser Naturgesetze nicht dem wirklichen Menschen nahe, sondern nur demjenigen, durch das sich dieser wirkliche Mensch offenbart."[3]
Die Aufrichtekraft ist die notwendige Voraussetzung für die menschliche Sprache. Nur Wesen mit aufrecht orientiertem Kehlkopf können überhaupt artikulierte Laute bilden. Weil Vögel ähnlich dem Menschen einen aufgerichteten Kehlkopf haben, können manche von ihnen die menschlichen Laute in begrenztem Umfang nachbilden - ohne allerdings den geringsten Sinn mit den Lautfolgen verbinden zu können. Auch das heranwachsende Kind lernt die Sprache zunächst durch reine Nachahmung, aus reiner Freude an der Artikulation, ohne auch nur irgendetwas vom Sinn der nachgebildeten Worte bewusst zu erfassen.
Zwar verfügen viele Tiere über ein oft erstaunlich umfangreiches arttypisches Klangrepertoire, durch das sie ihr inneres Befinden, ihre Emotionen der Welt offenbaren, aber Tiere können, abgesehen von den erwähnten Vögeln, keine artikulierten Laute bilden, die das wesentliche und eigentlich menschliche Element der Sprache ausmachen. Vom völlig ungestalteten Grölen können sich die tierischen Lautäußerungen bis zum wunderschönen Vogelgesang oder zu den hochdifferenzierten Walgesängen steigern - und doch bleiben sie stets unendlich weit hinter der menschlichen Sprache zurück, die durch die Kombination einiger weniger klar artikulierter Phoneme eine praktisch unendliche Ausdrucksfähigkeit erreicht.
Durch die Artikulation unterscheidet sich also die menschliche Sprache grundlegend von den tierischen Lautäußerungen. Durch die Artikulation werden beim Sprechen nicht nur Schwingungen in der Luft erregt, sondern es werden der ausgeatmeten Luft, hochcharakteristische Formen eingebildet. Diese sog. Luftlautformen kann man sogar auf technischem Wege sehr leicht sichtbar machen.[4] Derartig ausgeprägte Luftlautformen können Tiere durch ihre Laute nicht hervorbringen. Wie gut ein Kind seine Muttersprache erlernt, hängt wesentlich davon ab, ob es geeignete Bedingungen findet, durch die es sich nachahmend genügend in diese formbildenden Kräfte einleben kann.
Aufrechter Gang und Sprache sind die Basis, auf der sich das selbstbewusste Denken entwickeln kann. Vom wirklich selbstbewussten Denken kann man erst dort sprechen, wo der Denkende bewusste Einsicht in die inneren Gesetzmäßigkeiten seines Denkens gewinnt. Diese Fähigkeit hat sich im Zuge der Menschheitsentwicklung erst verhältnismäßig spät herausgebildet. Erst zur Zeit der griechischen Antike erwacht das auf Einsicht gegründete philosophische Denken. Nicht, dass die Menschheit nicht schon vorher durchaus weisheitsvoll handeln konnte - aber das Denken hatte nicht diesen selbstbewussten, sondern einen mehr instinktiven Charakter. Die Menschen hatten Gedanken, aber sie konnten sich über ihren tieferen Ursprung noch keine Rechenschaft geben. Innerhalb gewisser Grenzen verhalten sich auch Tiere durchaus intelligent, doch haben sich nicht den geringsten bewussten Einblick in die Gesetzmäßigkeiten ihres Tuns.
Aristoteles war bekanntlich der erste, der in seiner Logik die Grundgesetze des Denkens bewusst erfasst und klar dargelegt hat. Dabei ist die Logik zunächst nichts anderes als eine präzise gefasste Anleitung zum folgerichtigen Sprechen, bei dem aus den Vordersätzen mit zwingender Notwendigkeit die Conclusio abgeleitet wird. Logik kommt von Logos - und Logos ist das Wort. An der Sprache entwickelt sich das selbstbewusste Denken. Die Kategorienlehre, mittels derer Aristoteles alle Welterscheinungen in ein enges begriffliches Schema einzuordnen sucht, spiegelt exakt die grammatikalische Struktur der altgriechischen Sprache wider. Während des ganzen Mittelalters bis weit in die Neuzeit hinein ist dann die lateinische Sprache das Werkzeug, an dem sich das logische Denken schult. Dabei kommt es aber offensichtlich weniger auf den Lautcharakter der Sprache und auf die Artikulationsfähigkeit an, als vielmehr auf ihre grammatikalischen Gesetzmäßigkeiten, die so etwas wie das feste Knochengerüst der Sprache sind.
Nicht nur die Sprache, auch die Aufrichtekraft ist wesentlich für die Entwicklung des Denkens. Es wurde schon darauf hingewiesen, dass sich ohne sicherem aufrechten Stand der Verstand nicht ordentlich entwickeln kann und das das Greifen die Vorübung für das spätere Begreifen ist. Sehr bedeutsam prägt auch der aufrechte Gang die Qualität des Denkens. Im alten Griechenland philosophierte man nicht zurückgezogen in der stillen Studierstube, sondern man pflegte bei einem gemeinsamen Spaziergang das philosophische Gespräch. Die Schüler des Aristoteles wurden deshalb als Peripatetiker bezeichnet, als Herumwandelnde. Der gebildete Grieche der Antike liebte es, leichtfüßig über die Erde zu schreiten, wobei er den Boden zuerst mit den Ballen bzw. der Fußfläche gleichsam leise befühlte und sie nicht sogleich mit den Fersen voran niedertrat, wie das heute üblich ist. Von Sokrates wird berichtet, dass er gerne barfüßig ging, wodurch er dieses Befühlen der Erde im Schreiten noch deutlicher erleben konnte. Diese Art des Dahinschreitens gab dem griechischen Denken sein charakteristisches feinfühliges lebendiges Gepräge. Unser moderner Intellekt wirkt demgegenüber viel starrer, was nicht zuletzt damit zusammenhängt, dass wir intellektuelle Stubenhocker geworden sind, die in verkrümmter Haltung hinter dem Schreibtisch ihre Ideen ausgrübeln. Tatsächlich verbrauchen wir beim intellektuellen Denken etwa soviel Körperenergie wie bei mittelschwerer körperlicher Arbeit - aber nicht etwa deshalb, weil das Gehirn diese Energie benötigt, sondern weil die Muskelanspannung der gesamten Körpermuskulatur erhöht wird. Der Organismus wird im wahrsten Sinne des Wortes krampfhaft ruhiggestellt. Wenn man so will, lebte das griechische Denken noch viel stärker im ganzen Körper, während sich der moderne Intellekt ganz in den Kopf zurückgezogen hat. Unser Intellekt ist dadurch in gewissem Sinn körperloser, geistiger als das Denken der Antike, aber es ist dabei wesentlich steifer, abstrakter und blasser geworden. Zugleich hat es sich weiter von der Wirklichkeit entfernt; es ist, obwohl das wahrscheinlich wenige heute zugeben würden, wirklichkeitsfremder und damit auch irrtumsanfälliger geworden. Im Intellekt haben wir die Welt weitgehend verloren, wir haben es vorwiegend nur mehr mit unserer eigenen geistigen Tätigkeit zu tun - gerade darum erwacht aber das Selbstbewusstsein im intellektuellen Denken ganz besonders.
Alles, was auf diesem Weg an Selbstbewusstsein gewonnen werden kann, ist allerdings heute weitgehend ausgereizt und die Erstarrung und der Wirklichkeitsverlust im Denken wird zunehmend problematisch. Künftighin muss das Denken - unter Erhaltung des mittlerweile gewonnen Selbstbewusstseins - wieder lebendiger werden. Das ist einer der wichtigsten der nächsten Schritte, die wir auf dem Wege unserer weiteren Menschwerdung tun müssen. Unsere Lebenswelt verändert sich mit rasendem Tempo und unser Denken droht immer mehr vor den Anforderungen der sich beständig wandelnden Wirklichkeit zu versagen. Das Denken muss kreativer, bildhafter und wirklichkeitsgemäßer werden. Das bloße frei kombinatorische Spiel mit im Grunde fertig vorgegebenen Gedankensplittern, auf das sich aber der Intellekt weitgehend beschränkt, genügt längst nicht mehr. Tote Dinge lassen sich mit diesem toten Denken recht gut konstruieren. Es mag daher genügen, um den technischen Fortschritt weiter voranzutreiben, aber die wirklichen großen Lebensprobleme werden wir so nicht lösen können. Eine wesentliche Frage im Rahmen unseres Themas wird also sein: Fördern die elektronischen Medien die Entfaltung des lebendigen kreativen Denkens oder frieren sie unsere geistigen Fähigkeiten auf der Stufe des abgestorbenen Intellekts ein?
Wir leben heute im Zeitalter der Bewusstseinsseele. Alles, was wir tun, fühlen, denken und wahrnehmen, soll immer mehr vom wachen Selbstbewusstsein begleitet und dadurch in die freie Verantwortung des Menschen gestellt werden. Einige Schritte auf diesem Weg haben wir bereits zurückgelegt, weit mehr liegen noch vor uns. Unser helles Selbstbewusstsein gleicht noch der Spitze eines Eisberges, der aus dem dunklen Meer des Unterbewussten herausragt. Wirklich vollständig wach sind wir eigentlich nur, wenn wir ganz konsequent und folgerichtig im Denken eine logische Gedankenkette bilden, etwa wenn wir eine mathematische Aufgabe lösen. Schon in der Sinneswahrnehmung sind wir lange nicht so wach. Indem wir die Welt räumlich erleben und uns dadurch bewusst von den uns umgebenden Gegenständen als eigenständige Persönlichkeit unterscheiden, erwacht zwar unser Selbstbewusstsein - aber wie viel von dieser äußeren Welt nehmen wir wirklich bewusst wahr. An wie vielen Dingen gehen wir tagein tagaus vorbei ohne dass wir uns ihrer wirklich klar und deutlich bewusst werden. Die weitaus meisten Wahrnehmungen ziehen höchsten traumartig an unserer Seele vorbei oder werden ganz und gar verschlafen. Es kann noch lange keine Rede davon sein, dass wir alles das, was sich vor unseren Sinnen ausbreitet, auch wirklich bewusst erleben. Auch unserer Gefühle werden wir uns selten ganz klar bewusst; im Gefühlsleben träumen wir eigentlich beständig. Und was sich in den Tiefen unseres Organismus abspielt, wenn unser Wille tätig wird, verschlafen wir völlig. Das dafür nötige Körperbewusstsein ist heute nur wenig entwickelt.
Gerade im abstrakten logischen Denken sind wir also am wachsten, in jenem Denken, das uns eigentlich am aller weitesten von der Wirklichkeit wegführt. In den abstrakten Gedanken haben wir ja höchstens einen ganz blassen kraftlosen Schatten der Wirklichkeit. Dieser bloße Bildcharakter des Denkens hat aber auch sein Gutes, er ist die notwendige Voraussetzung dafür, dass der Mensch im Denken die Freiheit gewinnen kann. Die Wirklichkeit bedrängt uns, das bloße Spiegelbild der Wirklichkeit kann uns zu nichts zwingen; wir können es betrachten und uns daran orientieren - und dann frei entscheiden, wie wir damit umgehen wollen.
Den Wahrnehmungen stehen wir lange nicht so frei gegenüber, da sie viel weniger bewusst aufgenommen werden. Alles, was nicht voll bewusst, sondern unbewusst oder halbbewusst in die Seele dringt, wirkt in viel tiefere Schichten unserer Persönlichkeit hinein, in unsere Emotionen und Triebe, oft bis in unsere Lebenskräfte und manchmal sogar bis in den physischen Leib. Bei Kindern, die noch sehr wenig das wache Bewusstsein ausgebildet haben, ist das besonders bedeutsam. Kinder sind geradezu ein einzige großes Wahrnehmungsorgan, das wahrnehmend alles aufsaugt, was sich in seiner Umgebung tut, und das dann bis in die feine Ausgestaltung seiner Organe hineinträgt. Ob das für das Kind förderlich oder hemmend ist, hängt ganz von der Qualität der Wahrnehmungen ab. Wie sehr diese Prägung bis ins Physische hineingeht, kann man an einem erstaunlichen Phänomen sehen: Manche Kinder sind ihren Eltern wie aus dem Gesicht geschnitten. Man schiebt das dann gerne auf die Vererbungskräfte. Tatsächlich sind aber Adoptivkinder ihren Adoptiveltern mit gleicher Häufigkeit verblüffend ähnlich, wie leibliche Kinder ihren leiblichen Eltern. Die Ähnlichkeit beruht eben vielmehr auf der unbewussten Nachahmung der mütterlichen oder väterlichen Gesichtszüge bis ins Physische hinein, als auf den Vererbungskräften.
"Die körperliche Entwicklung von Kindern ist nicht, wie uns heute immer öfter und lauter erzählt wird, von den Genen determiniert", widerspricht der Wiener Psychologe Franz Schaudy gegenüber dem STANDARD, "sondern stark von der Umwelt bestimmt: Die Kinder entwickeln ihre Körpergestalt nach dem Vorbild der Eltern, ganz gleich, ob es die natürlichen oder Adoptiveltern sind."[5]
In analoger Weise nimmt aber das Kind auch alles andere aus seiner Umwelt auf und prägt es seinem Leib ein. In den ersten Lebensmonaten ist das am aller stärksten und wird mit dem zunehmenden Erwachen des Bewusstseins schwächer. Ganz verschwindet diese Tiefenwirkung der Wahrnehmungen aber niemals. Die tieferen Seelenkräfte und auch die Lebenskräfte werden ein Leben lang wesentlich durch das beeinflusst, was unterbewusst mit unseren Wahrnehmungen mitschwingt.
Um den Einfluss der elektronischen Medien auf das menschliche Leben sachgemäß beurteilen zu können, wird man sein Augenmerk vor allem auf die unterbewussten Wirkungen richten müssen. Die in das Bewusstsein fallenden Inhalte sind demgegenüber vergleichsweise unbedeutend.
Wenn ein Orchester in einem Konzertsaal spielt, werden durch den musikalischen Klang Schwingungen in der Luft erregt. Diese können von einem Mikrophon aufgefangen und auf elektronischem Weg weiter übermittelt oder aufgezeichnet werden, bis sie schließlich irgendwann und irgendwo die Membran eines Lautsprechers zu analogen Schwingen anregen und so den Klang scheinbar weitgehend authentisch reproduzieren. Die technische Qualität der modernen Audiogeräte ist mittlerweile so ausgereift, dass der elektronisch reproduzierte Klang kaum mehr dem Original nachzustehen scheint. Und doch ist der Unterschied beträchtlich, nur ist er gerade in jenem Bereich der dem Bewusstsein normalerweise weitgehend verborgen bleibt.
Der Klang lässt sich nicht auf bloße Schwingungen reduzieren, er ist wesentlich auch formbildende Kraft. Wenn die verschiedensten Instrumente von den unterschiedlichsten Stellen des Podiums her erklingen und der Klang vielfältig von den Wänden, der Decke und dem Boden des Konzertsaals zurückgeworfen wird, ebenso von den Menschen, die der Musik lauschen, so entsteht in Wahrheit ein wunderbares unsichtbares räumliches Klanggebäude, das sich von Augenblick zu Augenblick beständig lebendig verwandelt. Ohne dass uns das deutlich bewusst wird, leben wir uns als Zuhörer im Saal ganz in diese formbildenden Kräfte ein. Sie sind es, durch die uns die Musik bis tief in unser Wesen ergreift und menschlich berührt. Bei der Sprache und beim Gesang kommen noch die formbildenden Kräfte der artikulierten Lauten hinzu, von denen wir schon gesprochen haben.
Diese formbildenden Kräfte werden durch die elektronischen Medien vollkommen ausgefiltert. Der wirkliche Raumklang verschwindet und wird durch den Stereoton höchstens nachgeäfft. Namentlich kann ein Lautsprecher zwar das Klangspektrum der menschlichen Sprache, niemals aber die beim natürlichen Sprechen erzeugten Luftlautformen reproduzieren. Diese sind aber ganz wesentlich dafür, dass das heranwachsende Kind nachahmend die Sprache erlernt. Ohne unmittelbaren Umgang mit den Mitmenschen kann das Kind die Sprache nicht erlernen. Das haben entsprechende Untersuchungen sehr deutlich gezeigt.
Überhaupt erweist sich der Lautsprecher, gemessen an der Aufgabe, um die es im frühesten Kindesalter geht, als hoffnungslos defizitär. Seinen Klängen fehlt gerade das Entscheidende, von dem die Sprachentwicklung abhängt: der Mensch mit seiner Sprechintention. Diese Sprechintention hat die Macht, bis in die unbewussten Tiefen des Leibes hinunter gestaltgebend auf die Muskulatur zu wirken und so die Sprachlaute entstehen zu lassen, die aus dem durchwärmten und durchfeuchteten Atem heraus bewegliche Gestalten in die Umgebungsluft plastizieren. Ein Gestaltungs-Wille ist am Werk, und er ruft in dem Kinde den Willen wach, auch seinerseits Laute zu bilden. [6]
Durch elektronische Medien wird die sprachliche Entwicklung und das musikalische Empfinden empfindlich gehemmt.
Die Bildnatur des Menschen wurde bereits angesprochen. In stufenweise abgeschwächter Form gilt dieser Bildcharakter aber auch für die ganze Natur: Die sichtbare Gestalt des Tieres ist ein Bild der in ihm unsichtbar lebenden Triebe; die Pflanze ist ein Bild der in ihr gestaltend wirkenden Wachstumskräfte. Am wenigsten Bildcharakter hat das Mineral, das sich weitgehend in seiner stofflichen Natur erschöpft, die für die anderen Naturwesen gleichsam nur das Malmittel darstellt, durch das sie sich zum sinnlichen Abbild ihrer verborgenen höheren Natur formen.
Einer mechanischen Maschine, etwa einem Uhrwerk oder einer Dampfmaschine, mangelt dieser Bildcharakter vollständig. Hier gibt es hinter der äußeren Erscheinung keine höhere Natur zu entdecken. Ihr fehlt jegliche Innerlichkeit, sie erschöpft sich völlig in ihrer rein äußeren Existenz.
Ein Maler mit geübtem Blick und geschickter Hand vermag den Bildcharakter des Menschen und der Natur durch seine Malkunst deutlicher hervorzuheben. Besonders wird ihm das gelingen, wenn er sich nicht dem reinen Naturalismus verpflichtet fühlt, der sklavisch nur den äußeren Schein abbilden will. Er hebt dann den räumlich-gegenständlichen Charakter ganz oder teilweise auf und öffnet durch seine Farben- und Formkomposition den Blick für die hinter der äußeren Erscheinung liegende Wirklichkeit. Die besonderen Bedingungen seiner Malkunst kommen ihm dabei hilfreich entgegen: Die Leinwand ist nun einmal flach, wodurch uns ein Gemälde ohnehin niemals ein echtes Raumerlebnis bietet - es kann uns ein solches höchstens durch allerlei perspektivische Darstellungen vorlügen. Die Natur in ihrem äußeren Glanz und ihrer ganzen sinnlichen Fülle kann die Malerei niemals einfangen. Wirklicher Naturalismus ist gar nicht erreichbar - und auch gar nicht die Aufgabe der Kunst: "Die Natur ist unerreichbar. Sie ist ein ewig blühender Jüngling, doch Gemälde sind geschminkte Leichen", heißt es so treffend in Ferdinand Raimunds Zauberspiel Der Alpenkönig und der Menschenfeind.
Bei der Photographie ist die Gefahr, bloß äußeren Abklatsch zu liefern, noch viel größer, obwohl ein geübter, künstlerisch empfindsamer Photograph hier durch geeignete Wahl des Motivs und des Blickpunktes und der Lichtverhältnisse noch wesentlich gegensteuern kann. Viel schwerer ist das schon bei Film und Fernsehen. Hier wird uns am allermeisten die Illusion der äußeren Welt vorgegaukelt - und je täuschender diese Illusion erscheint, umso befriedigter zeigt sich zumeist das Publikum und macht sich dabei kaum bewusst, wie sehr es eigentlich belogen wird. Die immer öfter verwendeten computergenerierten Filmsequenzen verstärken diese Lüge nur noch mehr. Bewusst mag uns diese Lüge vielleicht wenig irritieren. Bewusst vermeinen wir, sie leicht durchschauen zu können, weil wir ja schließlich ganz genau wissen, dass wir bloß einen Film und nicht die Wirklichkeit sehen - unbewusst richtet sie dennoch, namentlich beim heranwachsenden Kind, beträchtlichen Schaden an, und zwar gleich in doppelter Hinsicht: Sie verdirbt einerseits das gesunde Raumempfinden, das aber, wie wir gesehen haben, wesentlich für die Entfaltung des Selbstbewusstseins ist, und sie verdeckt zugleich den Bildcharakter des Gesehenen und verhüllt uns so seine übersinnliche Seite.
Wenn wir die Natur draußen betrachten, muss unser Blick die Gegend aktiv erfassen, von Detail zu Detail wandern, sich einmal auf die Nähe, dann wieder auf die Ferne einstellen. Unser Sehen muss aktiv werden und frei die Landschaft durchstreifen. Beim Film und noch mehr beim Fernsehen wird der Blick auf die flache Leinwand oder den Bildschirm gebannt. Die flimmernden Fernsehbilder fesseln unseren Blick so, dass wir uns ihnen meist nur schwer entziehen können. Sie machen das Sehen passiv. Die bewegten, ständig wechselnden Bilder geben uns keine Chance, das Gesehene aktiv zu ergreifen - im Gegenteil, es ergreift von uns Besitz. Je rascher die Bildeindrücke wechseln, desto lahmer wird unser Blick. Weil die Filmsequenzen heute immer rascher und dynamischer geschnitten werden, verschärft sich dieses Problem zunehmend. Je faszinierender die Bildsequenzen wirken, um so schlimmer ist es. Sie wirken dann geradezu suggestiv. Dadurch verliert aber das Sehen seinen menschlichen Charakter - denn der besteht gerade in der aktiven Blickführung - und nähert sich der passiven tierischen Wahrnehmungsweise an. Das Selbstbewusstsein wird dadurch herabgedämpft und die unbewussten Emotionen werden geschürt. Wie die Tiere sind wir dann nicht fähig, die Welt aktiv willentlich zu betrachten, sondern werden von den sich uns aufdrängenden Schlüsselreizen instinktiv angezogen. Namentlich Werbefilme machen davon ausgiebig Gebrauch, um unser Verlangen nach bestimmten Produkten anzuheizen.
Da Film- und Fernsehbilder nicht annähernd die Helligkeit der natürlichen Umwelt erreichen, die Hell/Dunkel-Kontraste wesentlich schwächer sind und obendrein die Farbpalette wesentlich weniger reich an feinen Farbnuancen ist, wird unser bewusstes optisches Wahrnehmungsvermögen vergröbert. Je öfter und regelmäßiger wir uns der flimmernden Medienwelt aussetzen, desto unsensibler wird unser Wahrnehmung. Immer kräftigere Reize sind nötig, um überhaupt unsere Aufmerksamkeit zu erregen. Unsere Wahrnehmungswelt verarmt und verblasst, sie wird geradezu abstrakt, und wir werden immer unfähiger, feine Naturstimmungen zu erfassen. Wir übertragen unbewusst immer mehr die an den visuellen Medien erübte Sehweise auch auf den Alltag und verlieren dadurch nach und nach die wirkliche Welt und werden in eine illusionäre Scheinwelt gebannt. Dieser wachsende Wirklichkeitsverlust geht so schleichend unauffällig vor sich, dass wir ihn kaum bemerken. Und schließlich wird uns ja nur bewusst, was wir sehen, aber nicht das, was wir nicht sehen - aber sehr wohl sehen könnten, wenn wir ein durch die Medienwelt nicht verdorbenes gesundes Wahrnehmungsvermögen pflegen würden.
Die bewusste sinnliche Wahrnehmung wird durch Film und Fernsehen vergröbert; dafür eröffnet sich unbewusst der Blick auf eine merkwürdige untersinnliche Welt, d.h. auf eine Welt, die zwar unmittelbar vor den Sinnen liegt und von diesen auch aufgenommen wird, aber uns nicht bewusst wird. Betrachen wir das anhand des Mediums Film. Der bewegte Bilderstrom eines Films besteht in Wahrheit aus aufeinanderfolgend gezeigten statischen Einzelbilder, die durch eine kurze Dunkelphase voneinander getrennt sind. Dass diese einzelnen starren Bilder zu einem bewegten Strom verschmelzen, liegt an der sog. Nachbildwirkung des Auges. Ein gesehenes Bild verschwindet von der Netzhaut nicht sofort, wenn es nicht mehr gezeigt wird, sondern es klingt allmählich ab und verschmilzt so für die bewusste Wahrnehmung mit dem nächsten Bild, das auftaucht. Im abgedunkelten Kinosaal wird diese Nachbildwirkung durch die Dunkelanpassung des Auges noch zusätzlich verlängert. In der Regel nimmt eine Filmkamera 24 Bilder pro Sekunde auf. Das genügt, um bei der Vorführung die Bilder durch den Nachbildeffekt zu einem kontinuierlichen Strom zu verschmelzen. Um das dabei noch störende Flimmern des Films - es wechselt ja ständig Bild und Finsternis - zu verringern, wird allerdings jedes Bild zweimal vorgeführt, so dass insgesamt 48 Bilder pro Sekunde an unserm Auge vorbeiziehen. Bewusst nehmen wir so eine scheinbar kontinuierliche Bewegung war - das Unterbewusstsein "sieht" allerdings sehr wohl die einzelnen Bilder und Dunkelphasen. Für das Unterbewusstsein wird der natürliche lebendig fließende Wahrnehmungsstrom zerrissen in einzelne starre Bilder.
Bei der Fernsehtechnik geht diese Atomisierung und Erstarrung der lebendigen Wahrnehmung noch wesentlich weiter und konfrontiert dadurch unser Unterbewusstsein mit einer völlig grotesken Welt. Das Bild wird hier völlig aufgelöst in einzelne Bildpunkte, die nacheinander aufleuchten und erst durch die Nachbildwirkung zu einem Ganzen verschmelzen. In Europa wird beispielsweise das PAL-System (Phase Alternate Line = zeilenweise Phasenänderung) verwendet, das aus 625 Zeilen und 25 Bildern je Sekunde aufgebaut wird und eine vergleichsweise hohe Auflösung bietet, da jedes Bild in zwei Phasen übertragen wird und so nach dem Zeilensprungverfahren 50 Halbbilder pro Sekunde angezeigt werden – erst die ungeraden Zeilen und dann die geraden. Würde man das, was das Unterbewusstsein dabei ertragen muss, bewusst erleben, verginge den meisten wohl die Lust aufs Fernsehen.
Nähere Ausführungen dazu sind in dem Aufsatz Geist, Gehirn und Computer zu finden.
Die voranstehenden Ausführungen sollten nicht als leidenschaftliches Plädoyer gegen die modernen elektronischen Medien verstanden werden. Sie haben zweifellos auch ihre nützlichen Seiten und sie sind mittlerweile zu einem festen Bestandteil unserer sozialen Organisationsstrukturen geworden. Dagegen antreten zu wollen, gliche dem verzweifelten Kampf gegen Windmühlen. Sehr wohl aber kann man den privaten Gebrauch der Medien auf ein sinnvolles Maß einschränken, und vor allem muss man die heranwachsenden Kinder so gut es geht davor bewahren, durch die elektronischen Medien Schaden zu nehmen. Wie aufgezeigt wurde, sind es nicht die medial vermittelten Inhalte, die den größten Schaden anrichten, sondern es sind vor allem die technischen Rahmenbedingungen der Medien, die am stärksten schädigend auf das Unterbewusstsein einwirken. Dieser unterbewussten Wirkung kann man sich selbst dann nicht entziehen, wenn man über sie Bescheid weiß. Das gilt auch für den erwachsenen Menschen; nur ist er in seinem ganzen Wesen nicht mehr so bildsam wie das kleine Kind, wodurch sich der Schaden in Grenzen hält. Das Kind aber wird in seiner menschlichen Entwicklung sehr wesentlich durch die technischen Medien gehemmt. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, sind sie als Unterrichtsmedium für die Schule völlig ungeeignet. Die Schule hat im Gegenteil die Aufgabe, Kräfte im Kind zur Entfaltung zu bringen, durch die es mit dem Einfluss der Medienwelt, der es sich im äußeren Leben kaum entziehen kann, besser fertig zu werden. Das kann nur durch einen durchgehend kreativ künstlerisch geprägten Unterricht geschehen, der all die Fähigkeiten fördert, die den Menschen erst zum Menschen machen: der aufrechte Gang, die artikulierte Lautsprache und das selbstbewusste lebendige Denken.
[1] Der Transistor wurde in den amerikanischen Bell Laboratories von Walter Houser Brattain, John Bardeen und William Bradford Shockley entwickelt. Für die Entdeckung des Transistoreffekts und ihre Untersuchungen an Halbleitern erhielten sie 1956 gemeinsam den Nobelpreis für Physik.
[2] Frits H. Julius, Entwurf einer Optik, Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 1984, S 139 f.
[3] Rudolf Steiner, Anthroposophische Leitsätze, GA 26 (1982), S 30, siehe auch: http://www.anthroposophie.net/steiner/leitsaetze/bib_steiner_leitsaetze_037_bildnatur.htm
[4] Johanna F. Zinke, Rainer Patzlaff (Hrsg.), Luftlautformen sichtbar gemacht, Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2001
[5] DER STANDARD, 05. Mai 2000
[6] Zinke, S 17
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