Forum für Anthroposophie, Waldorfpädagogik und Goetheanistische Naturwissenschaft
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Hat die Natur auch Seele und Geist?

Wolfgang Peter 1999

Der Bildcharakter der sinnlichen Welt

Geistige Wesenheiten in den Naturreichen

Das Mysterium von Golgatha - Mittelpunkt der Erdentwicklung

Die künftige Bedeutung der Erde und des Menschen für den Kosmos

Literatur

Der Bildcharakter der sinnlichen Welt

Naturerleben im Zeitalter der Bewußtseinsseele

In alten Zeiten erlebten die Menschen die ganze Natur durch und durch erfüllt von geistigen Wesenheiten, die schaffend in ihr wirken. Noch im Mittelalter, in der Schule von Chartres, sprach man von der Göttin Natura. Einzelne Menschen haben sich dieses Naturhellsehen, durch das sie die geistigen Kräfte schauen konnten, die hinter den sinnlichen Erscheinungen walten, noch bis in die Neuzeit hinein bewahrt. Viele Märchen legen davon noch Zeugnis ab.

Ganz anders ist das im Zeitalter der beginnenden Bewußtseinsseele geworden. Für die meisten Menschen ist die sinnliche Welt zu einem leblosen, nach abstrakten Naturgesetzen funktionierenden Gebilde, zu einem toten Mechanismus geworden. Man sieht zwar, daß sich die Natur ständig wandelt und immer neue Erscheinungen zeigt, aber all das soll sich nach bloßen physikalischen und chemischen Gesetzmäßigkeiten vollziehen, die eigentlich nur für den toten Stoff gültig sind. Das Leben in der Natur sieht man nicht mehr, und noch weniger Seele und Geist. Nur wenige Forscher, wie etwa James Lovelock, wagen es, sich die Erde als ein Lebewesen vorzustellen – und werden von ihren Kollegen entsprechend scheel angeschaut. Aber nicht nur in der Naturwissenschaft drückt sich diese innere Erkenntnishaltung des modernen Menschen aus, sie wurde eigentlich schon lange vorbereitet durch den Kampf der katholischen Kirche gegen die heidnischen Anschauungen. Eigentlich war es die Kirche, die viel dazu beigetragen hat, daß das Naturhellsehen verschwunden ist. Das kann man bedauern, besonders auch wegen des Leids, das die Kirche dadurch vielen Menschen auferlegt hat – aber man muß es auch als Entwicklungsnotwendigkeit akzeptieren, denn:

Die Bewußtseinsseele kann sich nur entwickeln, wenn sich der Mensch als rein geistiges Subjekt den toten Objekten gegenübergestellt sieht.

Damit zeigt sich aber auch sogleich die Ambivalenz der Bewußtseinsseele: denn von ihr aus führt ein Weg zu einem rein geistigen übersinnlichen Erleben, ein anderer aber in die untersinnliche Welt des Todes. Bis jetzt ist man vor allem den zweiten Weg gegangen, besonders durch Naturwissenschaft und Technik. Und das war auch gut und richtig, denn dadurch wird überhaupt erst die Vorbedingung dafür geschaffen, daß sich der Mensch als selbstbewußtes Geistwesen begreifen kann. Das ist der eigentliche Sinn der modernen "Naturwissenschaft" – über die Natur als solche, die aus einem stets belebten, beseelten Geistigen entstanden ist, kann sie uns nämlich überhaupt nicht das geringste sagen; sie spricht höchstens vom Leichnam der Natur. Wir haben eben praktisch noch gar keine wirkliche Naturwissenschaft, sondern eine reine Technikwissenschaft, in der es der Mensch mit den toten Produkten seiner eigenen geistigen Tätigkeit zu tun hat!

Die sinnliche Welt als Spiegelbild der geistigen Welt

So erlebt also der moderne Mensch die vollkommen entgeistigte sinnliche Welt, die er durch abstrakte Gedanken zu erforschen und zu manipulieren sucht, wobei zunehmend der abstrakte Gedanke immer bedeutender wird, während zugleich die sinnliche Wahrnehmung durch technische Meßvorrichtungen verdrängt wird, wodurch sich der Mensch nur noch mehr der Natur entfremdet.

Fragen wir uns zuerst: was ist eigentlich die sinnliche Welt? Was sind beispielsweise die sinnlich erlebten Farben, wie kommen sie zustande? Zunächst ist die Farbe, die wir durch die Sinne erfahren, ein seelisches Erlebnis. Nur beseelte Wesen können, sofern sie dazu über geeignete Sinnesorgane verfügen, solche Erlebnisse haben.

"Als eigene Innenwelt ist die seelische Wesenheit des Menschen von seiner Leiblichkeit verschieden. Das Eigene tritt sofort entgegen, wenn man die Aufmerksamkeit auf die einfachste Sinnesempfindung lenkt. Niemand kann zunächst wissen, ob ein anderer eine solche einfache Sinnesempfindung in genau der gleichen Art erlebt wie er selbst. Bekannt ist, daß es Menschen gibt, die farbenblind sind. Solche sehen die Dinge nur in verschiedenen Schattierungen von Grau. Andere sind teilweise farbenblind. Sie können daher gewisse Farbennuancen nicht wahrnehmen. Das Weltbild, das ihnen ihr Auge gibt, ist ein anderes als dasjenige sogenannter normaler Menschen. Und ein Gleiches gilt mehr oder weniger für die ändern Sinne. Ohne weiteres geht daraus hervor, daß schon die einfache Sinnesempfindung zur Innenwelt gehört. Mit meinen leiblichen Sinnen kann ich den roten Tisch wahrnehmen, den auch der andere wahrnimmt; aber ich kann nicht des andern Empfindung des Roten wahrnehmen. - Man muß demnach die Sinnesempfindung als Seelisches bezeichnen. Wenn man sich diese Tatsache nur ganz klar macht, dann wird man bald aufhören, die Innenerlebnisse als bloße Gehirnvorgänge oder Ähnliches anzusehen." (1)

Das Licht selbst aber ist es nicht, das wir sehen - es ist übersinnlicher Natur. Wenn wir etwa in den Nachthimmel blicken, dann sehen wir zwar tausende Sterne, aber das Licht, das von ihnen ausstrahlt und den Kosmos durcheilt, sehen wir nicht; der Nachthimmel erscheint uns tiefschwarz und finster. Erst wenn das Licht auf einen materiellen Gegenstand auftrifft, erglänzt dieser in den verschiedensten Farben. Solange ihn kein Licht trifft, bleibt er unseren Augen verborgen; er ist untersinnlicher Natur. Was also sind die Sinnesqualitäten?

Die Sinnesqualitäten (Farben, Töne, Gerüche usw.) sind das seelische Spiegelbild einer übersinnlichen Wirklichkeit, die von der untersinnlichen Welt zurückgeworfen wird.

"In der Tat wird es zu einer konkreten Tatsache, daß die ganze äußere Welt, die man ringsherum um sich sieht, ein Spiegelbild der geistigen Welt ist, jener geistigen Welt, von der ich auseinandergesetzt habe, daß sie zuerst die Gehirnprozesse hervorruft, welche den Spiegelapparat herstellen, durch den die äußeren Vorgänge wahrgenommen werden, und der selbst nicht wahrzunehmen ist." (2)

Wenn die moderne Naturwissenschaft, die Farben als elektromagnetische Schwingungsvorgänge deutet, dann beschreibt sie in Wahrheit nur den untersinnlichen, materiellen Spiegelungsapparat, der für jedes sinnliche Erleben nötig ist, und zu dem die materiellen Vorgänge in den leuchtenden und beleuchteten Gegenständen ebenso gehören, wie die physiologischen Prozesse in den Sinnesorganen und dem sich daran anschließenden Gehirn.

Erst wenn man sich wie Goethe in seiner Farbenlehre auf die sinnlich-sittliche Wirkung der Farben einläßt, nähert man sich der übersinnlichen Wirklichkeit des Lichtes.

Das sinnlich-sittliche Welterleben

Abstrakte Naturgesetze beherrschen die untersinnliche Welt; das Naturgesetz des Geistes ist aber die Moral. Man muß die sinnliche Welt moralisch erleben können, wenn man sie als Ausdruck der geistigen Welt erfahren will. Jede einzelne Sinnesqualität läßt sich so erleben. Das Himmelsblau etwa zieht uns sehnsuchtsvoll in die Himmelsfernen; es macht uns fromm. Es zieht uns aber auch in den sinnlichen Raum hinaus, in das Reich Ahrimans. Daher kann Rudolf Steiner auch sagen: "...das ahrimanische bewirkt, daß der Raum in die Bläue erstarrt." (3) Wenn sich die Sonne gelblich-rötlich an den Wolken spiegelt, hat man eigentlich eine wärmende luziferische Wirkung, und dazwischen liegt das, was dem Erdenleben des Menschen frommt. Im Erbleichen, Fahlwerden, in allem, was ins Bläulich-weißliche hinübergeht, kann man so Ahrimans Wirkung sehen, wie in jedem Erröten auch Luzifer zu schauen ist. Das Blau entsteht ja, wenn man dem übersinnlichen Licht nachschaut, wie es in den Stoff hinein erstirbt. Je stärker dabei die Trübe wird, desto mehr entsteht ein weißlicher Eindruck. Und im Weiß, wie man es etwa an der geschlossenen Schneedecke erleben kann, "fühlt man den Stoff weben und wesend in der Welt." (4) Weiß ist aber zugleich das "seelische Bild des Geistes." (5) Betrachten wir das Grün der Pflanzenwelt. "Grün ist das tote Bild des Lebens" (6), aber zugleich fühlt man im Grün auch: "Jetzt verstehe ich das, was ich erlebe, wenn ich in mir vorstelle, wenn ich in mir denke, schaffe, wenn ein Gedanke in mir aufschießt, wenn eine Vorstellung in mir erklingt!" (7) Es sind ja dieselben Ätherkräfte, die draußen das Pflanzenwachstum bewirken, und in uns in den Gedankenformen leben. Und wenn man das Denken lebendig macht, wenn man in sich metamorphosierenden Bildern denken kann, dann kann man auch das Leben draußen in der Natur verstehen. Das hat ja Goethe in seiner Metamorphosenlehre versucht. So kann man eben auch alle Naturformen sinnlich-sittlich nacherleben. Und dann kann man auch die Pflanzenformen, namentlich die Blütenformen, als typische Seelengesten erfahren. Man kann gleichsam eine Pflanzenphysiognomie (8) betreiben, die uns sehr deutlich auf die Astralkräfte hinweist, die in den Blütenprozeß hineinwirken. "Und erst ein ganzer Jahreslauf! Wenn sich die Pflanzen öffnen, so ist das ein seelischer Herzensausdruck für innere seelische Vorgänge der Erde wie für das, was die schöpferisch gebenden Geister der Sonne empfinden." (9)

Geistige Wesenheiten in den Naturreichen

Die Hierarchien und ihre Abgesandten

Hierarchien

deren Nachkommen

Trinität

Christus als Geist der Erde

(Sinn der Erdentwicklung)

Erden-Ich und Menschheits-Ich

I.

Seraphim

Geister der Umlaufzeiten

(Naturgesetze)

Astralleib der Erde

Bezug zu anderen Fixsternsystemen
Cherubim Harmonie des Sonnensystems
Throne

Gruppenseelen

Mineralien

II.

Kyriotetes Pflanzen
Dynamis Tiere
Exusiai Gruppen-Ich

III.

Archai

Elementarwesen

(gestaltende Naturkräfte)

Ätherleib der Erde

Gnome
Archangeloi Undinen
Angeloi Sylphen
  Mensch Salamander

Der Sündenfall in der Natur

Die Götter schufen die Pflanzen und Tiere "ein jedes nach seiner Art" (10), d.h. als Gruppenseele. Was sind aber dann die einzelnen sinnlich erscheinenden physischen Tiere und Pflanzen? "Tiere, auch Pflanzen in ihren äußeren Formen – aber Pflanzen weniger als Tiere und am wenigsten die Mineralien – sind Imaginationen Ahrimans... der okkultistische Erkenner kommt immer mehr und mehr darauf, daß die äußeren Naturreiche, insofern sie sich als materielle Wesenheiten darstellen, Imaginationen Ahrimans sind" (11)

In dem sich die eigentlichen Schöpfergötter immer mehr aus der Natur zurückziehen, wird der Einfluß der Widersachermächte auch in der Naturgestaltung immer deutlicher. Luziferische Kräfte wirken mehr im Osten bzw. Süden der Erdkugel, ahrimanische stärker im Westen bzw. Norden. Die luziferischen Kräfte versuchen die Erdgestalt noch weicher, beweglicher, "geistiger" zu erhalten, was aber der gegenwärtigen Erdentwicklung nicht mehr angepaßt ist. Die ahrimanischen Mächte hingegen führen zu einer immer stärkeren Verhärtung. Diese Impulse kann man am heutigen Erdenantlitz sehr deutlich ablesen: sich auflösende Inseln und Halbinseln im Osten; blockartig verhärtete Halbinseln im Westen und in der Mitte ein Gleichgewicht zwischen beiden Kräften (vgl. etwa Spanien, italienische Halbinsel, Griechenland mit den zerstreuten Inseln). Auf dem amerikanischen Kontinent sind beispielsweise die ahrimanischen elektrischen und magnetischen Kräfte aus der Erdentiefe sehr stark, während im Osten mehr Licht- und Klangätherkräfte wirken. Meteorologische Erscheinungen dürften eher Luzifer zuzuordnen sein (z.B. Hurrikans und Taifune; Tornados im SO Nordamerikas; der Blizzard zeigt wohl schon deutlich den ahrimanischen Einschlag, der eben bis in die Atmosphäre reicht), während Erdbeben wohl mehr auf Ahriman weisen (à Westküste Amerikas, San Andreas-Graben).

Alle diese Kräfte spielen eine ganz wesentliche Rolle bei der Entstehung der einzelnen Völker und Rassen (à siehe z.B. Volksseelenzyklus).

Zur Regelung von Geburt und Tod werden von den Göttern ahrimanische Elementarwesen eingesetzt, die dem menschlichen Wohlergehen feindlich gegenüberstehen. Seit dem 18. Jh. Gehen diese in die Technik, Industrie und das Wirtschaftsleben über und impulsieren diese: "Der Mensch selbst muß mit diesen Kräften hantieren. Sendboten des Ahriman also sind notwendig, ehern notwendig, um jene Zerstörung hervorzurufen, die der nächste Kulturfortschritt sein wird. Das ist eine furchtbare Wahrheit, aber es ist so." (12) Ähnliche Umstände führten zum (notwendigen) Untergang der Atlantis. Man bedenke nur, wie ganz andere Elementarwesen bei der kunstvollen handwerklichen Tätigkeit entstehen, als bei maschinellen Fließbandprozessen; vgl. nur etwa die Schwertschmiedekunst und eine moderne Waffenfabrik.

Immer mehr verschwinden die regelrechten Naturwesen aus unserer Erdenwelt, sie verfallen dem luziferischen und ahrimanischen Einfluß. Und derart verändert werden sie wieder auftauchen in den vom Menschen geschaffenen technischen und wirtschaftlichen Zusammenhängen:

"Nehmen wir an, der alte Mensch hatte eine Wolke, er hatte vielleicht einen Fluß, allerlei Gewächse und so weiter vor sich. Er sah darinnen nicht bloß dasjenige, was der heutige Mensch sieht, tote Natur; er sah darinnen geistige Elementarwesen, bis hinauf zu den göttlich-geistigen Wesenheiten der höheren Hierarchien. Das sah er gewissermaßen durch die Natur hindurch. Die Natur spricht eben nicht mehr von diesen göttlich-geistigen Wesen. Wir müssen sie als Geistiges erfassen, jenseits von der Natur, dann können wir es wiederum auf die Natur beziehen. Die Übergangszeit kam. Der Mensch schuf zu der Natur hinzu die Maschinen. Diese sieht der Mensch zunächst in aller Abstraktion an. Er wirtschaftet mit ihnen in aller Abstraktion. Er hat seine Mathematik, er hat seine Geometrie, seine Mechanik. Er konstruiert damit seine Maschinen und sieht sie so in aller Abstraktion an. Aber er wird sehr bald eine gewisse Entdeckung machen. So sonderbar es dem heutigen Menschen noch erscheinen mag, daß diese Entdeckung gemacht wird, der Mensch wird die Entdeckung machen, daß bei all dem Maschinellen, das er dem Wirtschaftsleben einverleibt, die Geister wieder wirken werden, die er früher in der Natur wahrgenommen hat. In seinen technischen Wirtschaftsmechanismen wird er wahrnehmen: er hat sie fabriziert, er hat sie gemacht, aber sie gewinnen ein eigenes Leben nach und nach, zunächst allerdings nur ein Leben, das er noch ableugnen kann, weil es sich im Wirtschaftlichen kundgibt. Aber er wird es immer mehr und mehr bemerken durch das, was er da selber schafft, wie das ein eigenes Leben gewinnt, wie er es, trotzdem er es aus dem Intellekt heraus geboren hat, mit dem Intellekt nicht mehr erfassen kann. Vielleicht kann man sich heute noch nicht einmal eine gute Vorstellung davon machen, dennoch wird es so sein. Die Menschen werden nämlich entdecken, wie ihre Wirtschaftsobjekte durchaus die Träger von Dämonen werden." (13)

Notwendig ist die ganze äußere Natur in den Sündenfall des Menschen mit einbezogen. Denn was ist eigentlich diese ganze äußere Natur. Sie ist das, was der Mensch aus sich herausgesetzt hat, um sein Wesen so zu läutern, daß er sein geistiges Ziel erreichen kann. Die überschäumenden Begierden, die den Menschen immer weiter in die bloße sinnliche Welt verstricken würden, hat er in Form der Tiere aus seinem Wesen ausgeschieden. Das überwuchernde Leben, daß ihm sein Bewußtsein rauben würde, breitet sich vor unseren Augen als Pflanzenwelt aus, und all die Kräfte, die sich in starren Formen verhärten und die menschliche Entwicklung unmöglich machen würden, sehen wir im Mineralreich vor uns. So ist ein gewaltiges Leid über alle Naturreiche ausgegossen, die sich immer mehr vom Geistigen abschnüren mußten, damit die Menschwerdung gelingen kann. Muß das nicht den Menschen mit tiefer Dankbarkeit und Mitleid gegenüber der ganz Natur erfüllen? Christian Morgenstern spricht es deutlich aus:

DIE FUSSWASCHUNG

Ich danke dir, du stummer Stein,
und neige mich zu dir hernieder:
Ich schulde dir mein Pflanzensein,

Ich danke euch, ihr Grund und Flor,
und bücke mich zu euch hernieder:
Ihr halft zum Tiere mir empor.

Ich danke euch, Stein, Kraut und Tier,
und beuge mich zu euch hernieder:
Ihr halft mir alle drei zu Mir.

Wir danken dir, du Menschenkind,
und lassen fromm uns vor dir nieder:
weil dadurch, daß du bist, wir sind.

Es dankt aus aller Gottheit Ein-
und aller Gottheit Vielfalt wieder.
In Dank verschlingt sich alles Sein.

Und damit ist auch die Aufgabe des Menschen bezeichnet: die Natur, die er um seinetwillen in die schmerzvolle Vergänglichkeit gerissen hat, durch seine geistige Entwicklung künftig wieder zu erlösen. Sagt das nicht schon Paulus ganz deutlich:

"Rings um uns her wartet alle Kreatur mit großer Sehnsucht darauf, daß in der Menschheit die Söhne Gottes zu leuchten beginnen. Die Kreatur ist der Vergänglichkeit unterworfen, nicht um ihrer selbst willen, sondern um dessentwillen, der sie in die Vergänglichkeit mit hineingerissen hat, und so ist in ihr alles von Zukunftssehnsucht erfüllt. Denn auch durch die Kreaturreiche soll der Atem der Freiheit hindurchgehen; die Tyrannei der Vergänglichkeit soll aufhören. Im Hellwerden der Geistessphäre wird die Unfreiheit abgelöst von der Freiheit, die allen Gottentsprossenen zugedacht ist. Wir wissen, daß die gesamte Kreatur in den Wehen einer Neugeburt leidet und seufzt. Sie tut es nicht allein; sie tut es mit uns, die wir die Erstlingsgaben des neuen Geistes empfangen haben und doch schmerzvoll dem Geheimnis der Sohnschaft entgegenharren, die für uns, bis in unsere Leiblichkeit hinein, die Erlösung mit sich bringen wird." (14)

Das Mysterium von Golgatha – Mittelpunkt der Erdentwicklung

"Das darf man nicht bloß mit dem Verstand ermessen. Keine okkulte Schulung wäre hoch genug, dies Ereignis in seiner vollen Bedeutung durchempfinden zu lassen. Was hat sich denn nun in unserem Weltensystem in diesem Zeitpunkte ereignet? Wodurch hat sich der Astralleib der Erde verändert? Dadurch, daß von diesem Zeitpunkt an einer der Sonnengeister seinen Astralleib mit dem der Erde vereinigt hat. Wir sagten: Auch unter den Sonnengeistern haben wir mehrere, sechs an der Zahl. Der eine, den wir als den Christus-Geist bezeichnen, der hat seinen astralischen Leib in dem Moment, in dem das Blut aus den Wunden des physischen Leibes floß, mit dem der Erde vereinigt. Seit jenem Zeitpunkt hat die Erde eine wesentliche Veränderung erfahren, weil die Erde seither mit dem Leib des Christus eins geworden ist. Heruntergestiegen aus Himmelshöhen ist das Christus-Prinzip. Gelebt hat es im Sonnenleibe bis zum Kreuzestode des Christus Jesus. Im Tode vereinigte es sich mit dem Erdenleib. Seit jener Zeit ist die Erde als planetarischer Körper der Leib des Christus. Er ist vereinigt mit der Erde seit jener Zeit. Und wir verstehen jetzt in einem tieferen Sinn, was es heißt:

«Der mein Brot ißt, der tritt mich mit Füßen.» (15)

Man stelle sich vor, daß die Erde der Leib des Christus wäre, und nehme diesen Ausdruck wörtlich. Die Menschen gehen auf dem Erdenleib, und sie essen das Brot des Erdenleibes. Und wenn der Geist der Erde spricht, so kann er diesen Vorgang nicht anders bezeichnen als mit den Worten: «Der mein Brot verzehrt, der tritt meinen Leib mit Füßen», und zwar ohne Groll.

Und das Abendmahl selber! Welche unendliche Vertiefung erfährt es, wenn wir verstehen, daß der Erdenleib der Leib des Christus ist! Was ist das Brot, das aus den Getreidekörnern gebacken wird? Wie muß der Geist der Erde zu diesem Brot sprechen? «Dies ist mein Leib!» (16) Das muß man wörtlich nehmen. Wie muß der Geist der Erde zu den Kräften der Pflanzen sprechen? Wie muß er, nachdem er sich vereinigt hat mit dem Erden-Ich, zu den Säften, die in den Pflanzen strömen, sprechen? «Dies ist mein Blut!»" (17)

"Ich bin das Brot, das vom Himmel gekommen ist." (18)

Die künftige Bedeutung der Erde und des Menschen für den Kosmos

Die Erde, dieses "Staubkorn" im Kosmos, ist der Keim eines neuen Kosmos

Folgt man der gegenwärtigen naturwissenschaftlichen Anschauung, die nur das Absterbende, das Tote erfassen kann, dann muß etwa man wie Jaques Monod sprechen und Mensch und Erde als unwichtiges sinnloses Staubkorn irgendwo am Rande des Universums auffassen:

"... dann muß der Mensch endlich aus seinem tausendjährigen Traum erwachen und seine totale Verlassenheit, seine radikale Fremdheit erkennen. Er weiß nun, daß er seinen Platz wie ein Zigeuner am Rande des Universums hat, das für seine Musik taub ist und gleichgültig gegen seine Hoffnungen, Leiden oder Verbrechen." (19)

Dann stehen wir als Menschen in einem völlig entgeistigten Kosmos, von allen guten Göttern verlassen und allein auf uns selbst gestellt. Und so mußte es auch kommen, damit der Mensch ein freies selbstbewußtes Geistwesen werden konnte. Monod und alle, die so denken wie er, haben völlig recht. Aber sie sehen nur eine Seite der Entwicklung. Manche Physiker und Kosmologen, wie etwa John Archibald Wheeler, denken allerdings schon weiter:

"Nein! Die alten Philosophen hatten recht! Der Sinn ist wichtig, ist geradezu zentral. Es ist nicht nur so, daß der Mensch an das Universum angepaßt ist. Das Universum ist dem Menschen angepaßt. Stellen Sie sich ein Universum vor, in dem die eine oder andere der fundamentalen dimensionslosen Konstanten der Physik nur um wenige Prozente geändert würde? Der Mensch hätte in einem solchen Universum niemals in Erscheinung treten können. Das ist der zentrale Punkt des anthropischen Prinzips. Entsprechend dieses Prinzips liegt ein lebensspendender Faktor im Mittelpunkt der ganzen Maschinerie und des Entwurfs der Welt." (20)

Vollen Einblick gewährt uns aber erst der geisteswissenschaftlich geschulte Blick:

"Der Makrokosmos wird von dem schauenden Bewußtsein in immer größerer Lebendigkeit gefunden, je weiter der Blick in die Vergangenheit zurückdringt. Er lebt in ferner Vergangenheit so, daß jede Berechnung seiner Lebensoffenbarungen da aufhört. Aus dieser Lebendigkeit heraus wird der Mensch abgesondert. Der Makrokosmos tritt immer mehr in die Sphäre des Berechenbaren ein.

Damit aber erstirbt er allmählich. In dem Maße, in dem der Mensch - der Mikrokosmos - als selbständige Wesenheit aus dem Makrokosmos ersteht, erstirbt dieser. In der kosmischen Gegenwart besteht ein erstorbener Makrokosmos. Aber im Werden desselben ist nicht nur der Mensch entstanden. Es ist aus dem Makrokosmos auch die Erde erstanden.

Der Mensch, der von der Erde die Kräfte für sein Selbstbewußtsein hat, steht dieser innerlich viel zu nahe, um ihr Wesen zu durchschauen. In der vollen Entfaltung des Selbstbewußtseins im Zeitalter der Bewußtseinsseele hat man sich gewöhnt, den Blick auf die räumliche Größe des Weltenalls zu wenden und die Erde wie ein Staubkorn, unbedeutend gegenüber dem physisch-räumlichen Weltall, anzusehen.

Daher wird es zunächst absonderlich erscheinen, wenn ein geistiges Anschauen die wahre kosmische Bedeutung dieses angeblichen «Staubkorns» enthüllt.

In die mineralische Grundlage der Erde sind die andern Reiche, das Pflanzen- und das Tierreich, eingebettet.

In alle dem leben die Kräfte, die sich im Jahreslauf in ihren verschiedenen Erscheinungsformen zeigen. Man sehe auf die Pflanzenwelt. Im Herbst und Winter zeigt sie physisch ersterbende Kräfte. Das schauende Bewußtsein nimmt in dieser Erscheinungsform das Wesen derjenigen Kräfte wahr, die den Makrokosmos zum Ersterben gebracht haben. Im Frühling und Sommer zeigen sich im Pflanzenleben wachsende, sprossende Kräfte. Das schauende Bewußtsein nimmt in diesem Wachsen und Sprossen nicht nur das wahr, was den Pflanzensegen für das Jahr erstehen läßt, sondern einen Überschuß. Dieser Überschuß ist ein solcher der Keimkraft. Die Pflanzen enthalten mehr Keimkraft, als sie für Blätter-, Blüten- und Fruchtwachstum verbrauchen. Dieser Überschuß an Keimkraft strömt vor dem schauenden Bewußtsein hinaus in den außerirdischen Makrokosmos.

Ebenso strömt aber auch überschüssige Kraft vom Mineralreich in den außerirdischen Kosmos. Diese Kraft hat die Aufgabe, die von den Pflanzen kommenden Kräfte an die rechten Orte im Makrokosmos zu bringen. Es wird unter dem Einfluß der Mineralkräfte aus den Pflanzenkräften ein neugestaltetes Bild eines Makrokosmos.

Ebenso gibt es vom Tierischen ausgehende Kräfte. Diese wirken aber nicht in dem Sinne, wie die mineralischen und pflanzlichen, von der Erde ausstrahlend, sondern so, daß sich, was in Gestaltung durch die mineralischen Kräfte an Pflanzlichem ins Weltall getragen wird, zur Sphäre (Kugel) zusammenhält und dadurch das Bild eines allseitig geschlossenen Makrokosmos ersteht.

So schaut das geist-erkennende Bewußtsein das Wesen des Irdischen. Dieses steht neu belebend innerhalb des erstorbenen Makrokosmos drinnen.

Wie aus dem Pflanzenkeim, der räumlich so unbedeutend klein ist, die ganze große Pflanze sich wieder bildet, wenn die alte ersterbend zerfällt, so wird aus dem «Staubkorn» Erde ein neuer Makrokosmos, indem der alte erstorbene zerfällt.

Das ist ein wahres Anschauen des Erdenwesens, das überall in ihm eine keimende Welt schaut. Man lernt nur dadurch die Naturreiche verstehen, daß man in ihnen dieses Keimende empfindet.

Inmitten dieses keimenden Lebens vollbringt der Mensch sein Erdendasein.- Er nimmt an diesem Keimenden sowohl wie an dem erstorbenen Leben teil. Aus dem erstorbenen hat er seine Denkkräfte. Solange diese Denkkräfte in der Vergangenheit aus dem noch lebenden Makrokosmos kamen, waren sie nicht Grundlage des selbstbewußten Menschen.

Sie lebten als Wachstumskräfte in dem Menschen, der noch kein Selbstbewußtsein hatte. Die Denkkräfte dürfen für sich kein Eigenleben haben, wenn sie die Grundlage bilden sollen für das freie menschliche Selbstbewußtsein. Sie müssen für sich mit dem erstorbenen Makrokosmos die toten Schatten von Lebendigem der kosmischen Vorzeit sein.

Auf der anderen Seite nimmt der Mensch teil an dem Keimenden der Erde. Aus ihm sind seine Willenskräfte." (21)

Dann nimmt der Mensch durch seine Willenskraft, dann nimmt die ganze Natur an den Auferstehungskräften teil, die der Christus in die Erd- und Menschheitsentwicklung getragen hat. Dann erfüllt sich der Sinn der ganzen Erdenentwicklung, denn der Christus selbst ist wesenhaft dieser Sinn des Erdenkosmos! Und dann versteht man auch das Christuswort:

"Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen." (22)

Literaturhinweise

  1. TB 615, S25
  2. TB 692, S 276
  3. GA 210, S 91
  4. GA 136, S 24
  5. TB 651, S 35
  6. ebenda S 30
  7. GA 136, S 24
  8. Ernst-Michael Kranich, Pflanzen als Bilder der Seelenwelt, Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 1996
  9. GA 98, S 123
  10. 1 Mo 1, 24
  11. GA 145, S 174
  12. GA 177, 4. Vo
  13. GA 200, S 91f
  14. Röm 8, 19 ff. (übersetzt von Emil Bock)
  15. Joh. 13, 18
  16. Math. 26, 26 und 28
  17. GA 98, S 126
  18. Joh. 6, 41
  19. Jacques Monod, Zufall und Notwendigkeit, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1975, S 151
  20. John A. Wheeler im Vorwort zu John D. Barrow/Frank J. Tipler, The Anthropic Cosmological Principle, Oxford University Press Inc., New York 1986
  21. GA 26, S 197 ff.
  22. Math. 24, 35
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