Die Geisteswissenschaft wird, wenn sie richtig und tief genug verstanden
wird, den Menschen immer mehr und mehr wieder hineinführen in das unmittelbare
Leben, dem er durch eine materialistische Denkweise nicht nähergebracht
wird, wie man glaubt, sondern dem er sich durch eine solche entfremdet.
Dieser Satz ist oftmals hier und sonst, bei dieser und jener
Gelegenheit ausgesprochen worden, um die Mission unserer Bewegung zu
charakterisieren. Er wird aber den Menschen der Gegenwart sonderbar
anmuten, denn zahlreiche unserer Zeitgenossen haben nun einmal die
Meinung, daß wirkliches Leben - das, was sie Leben nennen - ganz
woanders zu suchen sei als m dem, was Geisteswissenschaft zu geben
vermag; und manche haben wohl auch die Meinung, daß Geist-Erkenntnis
am wenigsten berufen sein könne, den Menschen zu einer tatsächlichen
Lebenspraxis zu führen. Sie wird es dennoch tun; sie wird es im
kleinsten, sie wird es im größten tun! Die Geisteswissenschaft wird
imstande sein, wenn sich diejenigen, die sich mit öffentlichen oder
sonstigen Angelegenheiten befassen, von ihr durchdringen lassen, alle
die großen Fragen der Gegenwart in der Weise zu lösen, wie sie
gelöst werden müssen, wenn die Menschheit ein volles Leben führen
soll. Alle die mannigfaltigen Verwirrungen, alle die ungesunden
Verhältnisse in unserer Zeit, alles, was man Zeitfragen nennt, was
man heute in dilettantenhafter Weise von diesem oder jenem
Gesichtspunkte aus zu lösen versucht, es wird nur gedeihlich in
Angriff genommen werden können, wenn sich unsere Zeitgenossen
bequemen werden, sich mit der Wahrheit der Geisteswissenschaft zu durchdringen. Doch das soll uns heute weniger
beschäftigen, es sollte nur berührt werden.
Heute soll uns mehr die Gefühlsseite, die Empfindungsseite der
Geist-Erkenntnis beschäftigen. Es soll uns mehr der Gedanke vor die
Seele treten, wie bei einer tieferen, gefühlsmäßigen Auffassung des
Lebens dem Menschen gerade in einer solchen Zeit wie jetzt unser
Dasein abstrakt, öde, verstandesmäßig und begriffsmäßig vorkommen
muß. Wir sehen in einer solchen Zeit, wenn eines der großen Feste -
das Weihnachtsfest, das Osterfest oder das Pfingstfest -herannaht, wie
da die äußeren Formen, gewisse äußere Maßnahmen dieser Feste
festgehalten werden. Sehr, sehr wenig ist aber von dem vorhanden, was
unsere Vorfahren in einer solchen Zeit lebendig in ihrer Seele
fühlten: jener tiefe, die Seele durchhauchende Zug des Gefühls, der
unseren Vorfahren eigen war in bezug auf das Verhältnis des Menschen
zum ganzen Kosmos und seines göttlichen Untergrundes. Dieser Zug
wurde besonders belebt in solchen Festeszeiten. Denn solche
Festeszeiten waren etwas Reales für die Seele. Die Seele empfand in
solchen Zeiten anders als während des übrigen Teiles des Jahres.
Der heutige Mensch macht sich keine Vorstellung von dem, was durch
die Seelen zog in den Vorzeiten, wenn bei immer kürzer werdenden
Tagen das Jahresende herannahte und die Geburt des Christus Jesus
gefeiert wurde, oder wenn die Auferstehung des Christus Jesus nahte,
wenn die Schneedecke allmählich schwand von der Erde und das, was die
Erde unter ihr verborgen hatte, wieder an die Oberfläche trat.
Scheinbar ist unser Leben konkret. In Wahrheit sind die Gefühle
unserer Zeitgenossen abstrakt, verstandesmäßig, leer geworden. Die
Menschen gehen durch die Straßen und fühlen von dem Weihnachtsfest
in der Regel kaum mehr, als daß es ein Fest der Geschenke ist. Und
was sie sonst fühlen, steht nur in geringem Zusammenhange mit jenen
tiefen Empfindungen, die unsere Vorfahren in jener Zeit durchzogen.
Der Mensch hat eben verloren den Zusammenhang mit dem Leben.
Gefühlsmäßig diesen Zusammenhang wieder zu erlangen, das ist etwas,
was zu der Mission der Geisteswissenschaft gehört.
Wer sich nur mit den Begriffen und Ideen dessen, was man
gewöhnlich die Weltanschauung der Geisteswissenschaft nennt, befaßt,
hat das Allerwenigste von der Geisteswissenschaft begriffen. Der erst
hat sie begriffen, der da weiß, daß die ganze Gefühlswelt und
Empfindungswelt des Menschen eine andere werden muß, wenn die
Geist-Erkenntnis sich einlebt in die Herzen und in die Seelen. Und was
eine Weile abstrakt wurde, was eine Weile in seiner Bedeutung
vergessen wurde, der tiefe Sinn unserer Feste, wird wieder lebendig
vor die Seele treten, wenn dieses intime Verhältnis zur ganzen
umliegenden Welt den Menschen wieder erfassen wird so, wie es ihn
erfassen kann durch eine spirituelle Anschauung.
Öfter hat uns bei dieser Gelegenheit der tiefere Sinn des
Weihnachtsfestes beschäftigt. Heute soll das noch von einer ändern
Seite her geschehen. Heute soll es geschehen dadurch, daß wir uns
zuerst einmal klarmachen, wie die anthroposophischen Gedanken und
Ideen auf unsere Empfindungswelt wirken, wie sie tatsächlich aus dem
Menschen etwas ganz anderes machen werden, als er jetzt ist, etwas,
wodurch er wiederum wissen wird, was es heißt, den Pulsschlag des
geistigen Lebens in der Natur unmittelbar zu empfinden, die Wärme,
die durch die Welt geht, als die alle Wesen beseelende Wärme wirklich
zu fühlen. Heute ist für den Menschen, wenn er hineinsieht in den
Sternenhimmel, durch die abstrakte Astronomie der Sternenhimmel
erfüllt mit abstrakten stofflichen Weltenkugeln. Diese Weltenkugeln
werden dem Menschen wieder erscheinen als Körper von Seele und Geist.
Der Raum wird für ihn wiederum durchgeistigt und durchseelt sein. Er
wird den ganzen Kosmos empfinden, warm, wie er empfindet an dem Busen
eines Freundes; nur wird er den Geist des Kosmos selbstverständlich
majestätischer und großartiger empfinden.
Wir wissen, daß wir eine solche Seele, wie wir sie im Menschen
kennen, eine individuelle Seele, die im einzelnen Leibe wohnt, nur in
dem Menschen zu suchen haben. Bei den ändern Wesen, die uns umgeben,
haben wir die Seele in anderer Art und anderer Form zu suchen. Die
Tiere, die um uns herum leben, sind auch beseelt, aber wir werden
vergeblich ihre Seele hier auf dem physischen Plan suchen. Das Tier-Ich, das wir ein Gruppen-Ich nennen, ist zu
suchen auf dem astralischen Plan, und eine ganze Gruppe verwandter
Tiere - meinetwegen die Löwengruppe, die Tigergruppe, alle Katzen -,
alle einzelnen Gruppen verwandter Formen haben eine gemeinsame Seele,
ein gemeinsames Ich. Die Getrenntheit des Ortes hier auf der Erde tut
nichts zur Sache. Ob ein Löwe hier in einer Menagerie und ein anderer
in Afrika ist, das ist ganz gleich; alle Löwen gehören zusammen zu
demselben Ich, das der Geheimforscher auf dem Astralplan finden kann.
Diese Gruppen-Iche sind dort geschlossene Persönlichkeiten; und wie
Ihre Persönlichkeit hier auf dem physischen Plan eine geschlossene
ist, so ist das Gruppen-Ich eine geschlossene Persönlichkeit auf dem
Astralplan. Wie Ihre zehn Finger zu Ihrer geschlossenen
Persönlichkeit, so gehören alle Löwen zu dem Gruppen-Ich des
Löwen. Und wenn wir die Bekanntschaft machen könnten mit den
einzelnen Gruppen-Ichen auf dem Astralplan, so würden wir finden,
daß die hervorstechendste Eigenschaft der Gruppen-Iche die Weisheit
ist, wie wenig weise die einzelnen Tiere uns auch auf der Erde
erscheinen mögen. Niemand darf von den Eigenschaften der einzelnen
Tiere hier schließen auf die Eigenschaft der Gruppen-Iche, der
Tierpersönlichkeit auf dem astralen Plan. Ebensowenig wie Ihre Finger
Eigenschaften zeigen eines individuellen Ichs, ebensowenig zeigt das
einzelne Tier die Eigenschaften des Gruppen-Ichs. Weise handeln diese
Gruppen-Iche, und weiser, als Sie es sich denken können, sind diese
einzelnen Tierseelen, und was Sie hier als die Verrichtungen der Tiere
kennen, wird bewirkt von den Gruppen-Ichen. In unserer Atmosphäre, im
Umkreis unserer Erde leben sie, um uns herum sind sie zu finden. Wenn
Sie den Flug der Vögel verfolgen, wie sie beim Herannahen des
Herbstes fortziehen von Nordosten nach Südwesten, und beim Herannahen
des Frühlings wieder zurückziehen in ihre Heimat, von Südwesten
nach Nordosten ziehen, und wenn Sie sich fragen: Wer lenkt weise
diesen Vogelflug? - dann kommen Sie als okkulter Forscher, wenn Sie die
einzelnen Anordner und Regierer suchen, auf die Gruppen-Iche der
einzelnen Gattungen oder Arten. In aller tierischen Bevölkerung lebt
das astralische Ich, das für den astralischen Plan ebenso ein Ich
ist wie das Menschen-Ich hier, nur ein viel, viel weiseres Ich. Viel
gescheitere Iche als hier die physischen Menschen sind dort auf dem
Astralplan die geschlossenen Gruppenpersönhchkeiten, die die
einzelnen Glieder hier auf dem physischen Plan haben, und alles, was
bei den einzelnen Tieren weise eingerichtet ist, ist geoffenbarte
Weisheit der Gruppen-Iche der Tiere. Wir schreiten anders durch die
Welt, wenn wir das wissen, daß wir bei jedem Schritt und Tritt durch
Wesen schreiten, deren Taten wir sehen.
Sehen wir das Pflanzenreich vor uns, dann liegt das Ich dieser
Pflanzenwelt in einer noch höheren Welt als die Gruppen-Iche der
Tiere. In der geistigen Welt oder im Devachan liegen die Iche der
Pflanzen, und im Grunde genommen sind es sehr wenige, diese Iche der
Pflanzen; denn alle diese Iche der Pflanzen umfassen viele einzelne
Pflanzen, die hier auf der Erde sind, viele Arten. Und wenn wir uns
den Ort suchen, wo wir diese Pflanzen-Iche räumlich zu finden haben,
dann würden wir zu dem Mittelpunkt der Erde kommen. Alle
Pflanzen-Iche sind vereinigt im Mittelpunkt der Erde.
Es wäre ein primitives Sich-Vorstellen von dem Geist der Iche,
wenn man fragen wollte, ob diese verschiedenen Iche auch alle Platz
haben. Im Geistigen durchdringt sich alles. Wer das nicht versteht,
kommt zu der Anschauung, die jetzt in einem Buche enthalten ist, das
auch besonders den Theosophen angepriesen wird, das zwar von geistigen
Welten spricht, aber doch so davon spricht, daß gefragt wird: Wenn im
Laufe eines Jahrtausends dreißig Milliarden Menschen gelebt hätten,
deren Seelen nun im Umkreis der Erde sein sollen, so müßte da eine
so große Anzahl von Seelen sein, daß da für alle wenig Platz wäre
im Umkreis der Erde. - Es ist gut gemeint, dieses Buch, aber es ist
ungeheuer trivial.
Im Mittelpunkt der Erde haben wir zu suchen die Pflanzen-Iche, weil
die Erde selbst als Planet ein ganzer Organismus ist; und so wie die
Haare an Ihrem Organismus sind, so sind die Pflanzen Teile am
Organismus unserer Erde, und die Pflanzen, die Teile am Organismus
unserer Erde sind, sind für sich nicht selbständige Wesen, sondern
sind Glieder des Erdorganismus. Schmerz und Lust bei den Pflanzen sind
Schmerz und Lust des Erdorganismus.
Wir brauchen uns nur zu erinnern, was ein paar Wochen vorher
schon gesagt worden ist in Bezug auf Schmerz und Lust in der
Pflanzenwelt. Wer diese Dinge beobachten kann, der weiß, daß, wenn
man eine Pflanze - soweit es die oberen Teile betrifft - verletzt,
diese Verletzung nicht mit einem Schmerzgefühl unseres Erdorganismus
verbunden ist. Es bereitet der Erde ein Wohlgefühl. Das ist dann so,
wie wenn das Kalb an der Mutterkuh saugt, was auch mit Wollustgefühl
verbunden ist. Denn das, was von der Erde heraussproßt von den
Pflanzen, wenn es auch fest ist, dieses aus der Erde heraussprossende
Grün ist für den Erdorganismus zu vergleichen mit der Milch des
tierischen Organismus. Und wenn im Herbst der Schnitter mit der Sense
durch die Halme schneidet, ist das nicht bloß ein abstrakter Vorgang
für den, der die Ideen der Geisteswissenschaft zu Empfindungen der
Seele zu vertiefen versteht, sondern der Schnitt der Sense bedeutet
einen Hauch von Wollust, der hingeht über den Acker, und das ganze
Mähen des Getreides übersät das Feld mit Lustgefühlen.
So lernen wir fühlen mit dem Erdorganismus, wie wir fühlen an dem
Busen eines Freundes. Und wir lernen verstehen den Schmerz der Erde,
wenn wir wissen, daß die Erde den Schmerz fühlt, sobald wir die
Pflanzen ausreißen mit ihrer Wurzel. Das ist für die Erde Schmerz,
wenn wir die Pflanze mit den Wurzeln ausreißen. Man darf hier nicht
einwenden, daß es unter Umständen besser sein könnte, wenn man eine
Pflanze mit der Wurzel versetzt, als wenn man die Blüte pflückt.
Solche Umstände haben da keine Bedeutung. Wenn ein Mensch anfängt
grau zu werden, und er sich, um schöner zu bleiben, dann die ersten
grauen Haare ausreißt, tut es ihm deshalb doch weh.
So lernen wir fühlen mit der umliegenden Natur, und die Natur wird
uns immer mehr Seele und Geist. Und wenn wir hinausgehen in einen
Steinbruch, und wenn da die Steinarbeiter die Steine abklopfen, so
bleibt uns das, wenn wir die Ideen der Geisteswissenschaft vertiefen
zu Gefühlen der Seele, nicht etwas Abstraktes. Wir sehen dann nicht
bloß die Steine aus dem Felsen herausfliegen. Ja, nicht einmal, wenn
ein Felsen gesprengt wird, bleibt uns das etwas
Abstraktes, sondern wir lernen mitfühlen, was da draußen die
durchseelte, durchgeistigte Natur fühlt. Und wenn wir vor einem Glas
Wasser stehen, und wir werfen in die Wassermenge etwas Salz oder ein
Stück Zucker hinein und sehen, wie das Salz oder der Zucker sich
auflösen, so wird da etwas gefühlt: da ist Seele drinnen. Und wollen
wir wissen, was da für Seele drinnen ist, dürfen wir nicht
gewöhnliche Analogien anwenden. Denn leicht könnte man glauben: wenn
der Steinarbeiter die Steine loshämmert, daß das der Natur Schmerz
verursacht; aber das Gegenteil ist gerade der Fall. Was man
Zersplittern im Steinreich nennt, verursacht der Natur die größte
Freude, innerliches Wohlgefühl, und innerliches Wohlgefühl ist es
auch, wenn wir ein Stück Zucker oder Salz im Wasser auflösen.
Dadurch durchströmen das Wasser Wohlgefühle der sich auflösenden
mineralischen Körper. Anders ist es bei anderen Gelegenheiten.
Erinnern wir uns der Urzeit der Erde, jener Zeit der Erde, wo sie
ein feurig-flüssiger Körper war und alles Metall und Mineral in
unserer Erde aufgelöst war. So hätte die Erde nicht bleiben können,
denn sie mußte werden der Schauplatz, auf dem wir wohnen, der feste
Schauplatz, auf dem wir herumgehen können. Die Metalle und Mineralien
mußten sich verfestigen aus dem flüssigen Element; fest mußten sie
werden, sich zusammenziehen mußten sie. Was aufgelöst war im
flüssigen Element, mußte sich zusammenballen, kristallisieren; ein
ähnlicher Prozeß also, wie er sich uns in einem Glase Wasser
abspielt, worin Sie Salz aufgelöst haben. Kühlen Sie das Wasser ab,
dann sehen Sie die Salzkristalle sich ablösen als feste Körper aus
der Wassermasse. Wenn Sie verfolgen die Gefühle, die dabei spielen,
so sind das Schmerzgefühle im scheinbar toten Steinreich. Alles
scheinbare Zerstören und Zersplittern des Steinreichs ist
Wollustgefühl der Erde. Alles Konsolidieren, alles Festwerden, alles
Kristallisieren geschieht unter Schmerzen, und unter Schmerzen haben
sich alle Gesteine gebildet, alle festen Mineralien des Wohnplatzes,
auf dem wir herumgehen. Dies ist mehr oder weniger so der Fall gewesen
beim Festwerden unseres Erdumkreises.
Wenn wir auf die Zukunft unserer Erdentwickelung hinblicken,
müssen wir uns diese so vorstellen, daß das Feste immer mehr
flüssig
wird, sich auflöst. Die Erde verwandelt sich ja zuletzt in das,
was wir die «astralische Erde» nennen, bis die Erdmaterie immer
feiner und feiner geworden ist. So daß wir in der ersten Hälfte
unseres Erdbildungsprozesses die mineralischen Bestandteile anzusehen
haben als das, was unter Schmerz und Leid der feste Schauplatz wird
für unser Wohnen; und gegen Ende durchzieht immer mehr seliges
Wohlgefühl das Erdenwerden, und die ganze Erde wird in Wohlgefühl
getaucht sein, wenn sie sich verwandeln wird in einen himmlischen
Planeten, der astral in der Welt sein wird.
Eingeweihte, wenn sie sprechen über die Dinge, sprechen in ihren
Sätzen immer tiefe Geheimnisse aus. Sie sprechen solche Geheimnisse
aus, daß ihre Sätze sogar in mehrfacher Weise zu verstehen sind,
weil viel Sinn in ihnen ist. Paulus, der ein Eingeweihter war, hat
solche Sätze ausgesprochen, in denen immer ein mehrfacher Sinn liegt.
Je weiter wir selbst kommen im Verständnis des Kosmos, der geistigen
Welten, desto tiefer wird uns auch immer ein solcher Ausspruch des
Paulus erscheinen. Paulus wußte es, daß die Erdenkörper unter
Schmerzen fest geworden sind und entgegenseufzen ihrer Auflösung,
ihrem Geistig-Himmlischwerden: «Und die ganze Natur seufzet unter
Schmerzen, ihrer Annahme an Kindesstatt harrend!» Diese Schmerzen,
unter denen sich die festen Mineralien herausgebildet haben zu dem,
worauf wir stehen und gehen, die meint der Eingeweihte Paulus mit
diesem tiefen Wort.
So lange wissen wir noch nicht das Rechte von der
Geisteswissenschaft, solange sie für uns nur ein System des Denkens
ist. Aber das ist das Eigentümliche, daß sich die Ideen in Gefühle
umwandeln, und daß wir andere Menschen werden, weil wir auf Schritt
und Tritt alles das, was wir außen sehen, fühlen und empfinden
lernen! Das meinten die, die wirklich etwas gewußt haben von der
esoterischen Lehre des Christentums. Bis in das 18. Jahrhundert hinein
können Sie verfolgen die christlichen Schriftsteller, die noch eine
Empfindung hatten zu dem Lebenden in der Natur, zu allem Lust und
Leid. Daher sagen sie uns in ihren Schriften Worte, die heute für den
Menschen nur bloße Worte sind, oder höchstens Allegorien und Bilder,
während sie als Wirkliches zu verstehen sind: Ihr sollt
nicht bloß denken über die Natur, ihr sollt sie empfinden und
schmecken und fühlen! - Das meinten sie, wenn der Sensenmann die
Halme abmäht: daß wir das schmecken, die Gefühle empfinden, die
über den Acker hinziehen. Und wenn wir sehen, wie der Mann im
Steinbruch die Steine heruntersplittert, daß wir dann das Wohlgefühl
der Natur mitempfinden. Und wenn wir sehen, wie da, wo ein Fluß ins
Meer fließt, sich die Erde ablagert, daß wir empfinden lernen, wie
da mit der sich hinlagernden Erde zu gleicher Zeit Schmerzgefühle
sich hinlagern.
Ganz durchseelt wird uns so die Natur. So lebt sich die Seele des
Menschen aus der Enge heraus. Das Gefühl strömt in die Umwelt ein.
Wir werden eins auf diese Weise mit der ganzen umliegenden Natur. Und
wenn wir so mit der ganzen umliegenden Natur Stück für Stück eins
werden, dann fühlen wir auch die größeren Ereignisse noch m ihrer
Geistigkeit, Seelenhaftigkeit. Wir fühlen dann, wenn im Frühling die
Tage immer länger werden, wenn immer mehr und mehr Licht auf unsere
Erde strömt, wenn aus dem geheimnisvollen Inneren der Erde
herauswachsen die Pflanzen, die in ihren Keimen drinnen waren in der
Erde, und wenn sich alles wieder mit Grün bedeckt, wir fühlen da
herausströmen nicht bloß das, was wir sehen - das herausschimmernde
Grün -, wir fühlen, daß da auch seelisch etwas geschieht.
Und wenn gegen den Winter die Tage kürzer werden, immer weniger
Licht auf unsere Erde kommt, die Pflanzen sich wieder zurückziehen,
das Grün sich verändert, dann fühlen wir etwas ähnliches, wie wir
selbst fühlen, wenn wir ermüdet des Abends dem Schlafe
entgegengehen. Und ähnliches fühlen wir im Frühling, wenn die Natur
aufwacht: daß dann dieser Ausdruck für uns nicht bloße Allegorie
ist, sondern wahre Wirklichkeit. Wir fühlen den Wechsel der Natur,
den Wechsel der Seele und des Geistes der Natur. Wir fühlen, wie von
der Mitte des Sommers an alles nach abwärts geht, wie die Seele
unserer Erde sich zuneigt ihrem Schlafzustand. - Dann aber, wenn
abends der Mensch sich seinem Schlafzustand zuneigt, haben wir jenen
lebendigen Prozeß vor uns, den wir oft beschrieben haben: Allmählich
zieht sich der Astralleib mit dem
Ich des Menschen heraus, macht sich frei und schwebt sozusagen
in seiner eigenen, seiner ureigenen Welt. Und könnte der Mensch im
gegenwärtigen Entwickelungszustand der Menschheit das, was er einst
können wird, so würde, wenn der Astralleib sich heraushebt aus dem
Äther- und physischen Leib, ein geistiges Bewußtsein aufleuchten;
geistiges Arbeiten und geistige Welt wäre um den Leib herum. Der
Mensch stiege einfach heraus aus seinem physischen Leib, in eine
andere Daseinsform eintretend. Das tut er so auch, nur weiß er davon
nichts in seinem heutigen Entwickelungszustand.
Das geschieht auch auf unserer Erde. Der Astralleib unseres
Erdumkreises macht Verwandlungen durch das Jahr hindurch. Die
Verwandlungen sind auf den beiden Halbkugeln der Erde andere; darauf
kommt es uns heute nicht an. Der Astralleib unserer Erde ist in
derjenigen Zeit, in welcher die Pflanzen und das Leben überhaupt
heraussprossen aus der Erde, mit dem natürlichen Dasein unserer Erde
beschäftigt. Er besorgt es, wenn Pflanzen wachsen; er besorgt alles
das, was auf der Erde geschieht als Grünen und Gedeihen. Und im
Herbst, wenn eine Art Schlafzustand über die Erde kommt, geht dieser
Astralleib der Erde über zu seinem geistigen Schaffen.
Diejenigen, welche diesen Vorgang der Erde lebendig empfinden, die
wissen, daß sie in einer unmittelbaren Weise während des Hochstandes
der Sonne, vom Frühling bis in den Herbst hinein, in allem, was
draußen sproßt und gedeiht, die äußere Offenbarung des
Erdengeistes zu sehen haben. Dann aber, wenn der Herbst herankommt,
stehen sie unmittelbar dem freier gewordenen irdischen Astralleib
gegenüber; und wenn die Tage am kürzesten sind, das heißt, das
äußere physische Leben sich am meisten dem Schlafe nähert, dann
wacht das geistige Leben auf. Und was ist es, dieses geistige Leben
der Erde? Wer ist der Geist der Erde?
Dieser «Geist der Erde» hat sich selbst als den Geist der Erde
bezeichnet, da, als er sprach: «Wer mein Brot isset, tritt mich mit
Füßen», und als er hinwies auf das, was die Erde hervorbringt an
fester Nahrung für die Menschen, und sagte: «Dies ist mein Leib»,
und als er hinwies auf das, was als die Säfte das Lebendige durchfließt, und sagte: «Das ist mein Blut.» Damals hat er mit diesen
zwei Aussprüchen die Erde selbst als seinen Organismus bezeichnet.
Das alles ist anders gewesen in vorchristlicher Zeit, und das ist
anders in der christlichen Zeit. Denn so, wie es in der christlichen
Zeit ist, ist es erst geworden in einem bestimmten Augenblick der
Erdentwickelung. In den Zeiten der kurzen Tage, wann die heiligen
Mysterien des Altertums gespielt haben, wandten sich die, welche
eingeweiht wurden, mit all ihrem seelischen Wesen der Sonne zu; und in
der tiefen Mitternacht des Tages ungefähr, den wir als den
Weihnachtstag kennen, wurden die Einzuweihenden in den heiligen
Mysterien dazu gebracht, daß sie die Sonne sehen konnten in der
Mitternachtsstunde. Denn da wurden sie zum Hellsehen befördert. Der
gegenwärtige Mensch kann dann um Mitternacht nicht die Sonne sehen,
denn sie ist jenseits der Erde. Für den Sehenden ist aber die
physische Erde kein Hindernis, die Sonne zu sehen. Er sieht die Sonne
in ihrer geistigen Wesenheit. Und wenn die Seher in den heiligen
Mysterien um die Mitternachtsstunde die Sonne sahen, sahen sie den
Regenten der Sonne, den Christus. Denn er war ja für die, die mit ihm
in Verbindung treten sollten, damals noch durchaus in der Sonne.
Als auf Golgatha das Blut aus den Wunden floß, war das ein
bedeutsames Ereignis für die ganze Erdentwickelung. Niemand versteht
dies Ereignis, der nicht verstehen kann, daß das Christentum auf
einer mystischen Tatsache beruht. Wenn jemand mit hellsichtigem
Gesicht von einem fernen Planeten aus die Entwickelung der Erde hätte
verfolgen können durch Jahrtausende, würde er gesehen haben nicht
bloß den physischen Leib der Erde, sondern auch den Astralleib der
Erde; und dieser Astralleib der Erde hätte gezeigt durch Jahrtausende
hindurch bestimmte Lichter, bestimmte Farben und bestimmte Formen. In
einem Moment hat sich das geändert. Andere Formen erschienen, andere
Lichter und andere Farben leuchteten auf - und das war der Augenblick,
da auf Golgatha das Blut aus den Wunden des Erlösers floß. Das war
nicht bloß ein menschliches, sondern das war ein kosmisches Ereignis.
Dadurch ging das Christus-Ich, das sonst bloß auf der Sonne gesucht
werden
durfte, über auf die Erde. Es verband sich mit der Erde, und im
Geist der Erde finden wir das Christus-Ich, das Sonnen-Ich. Und der
Eingeweihte vermag den Sonnengeist, den er in den heiligen Mysterien
des Altertums auf der Sonne suchte in der
Weihnachts-Mitter-nachtsstunde, nun in neuer Zeit in dem Christus
selbst zu sehen, als in dem Mittelpunktsgeist der Erde.
In dem Sich-lebendig-verbunden-Fühlen mit dem Christus-Geist liegt
das christliche Bewußtsein; nicht nur das Bewußtsein des
gewöhnlichen Christen, sondern das Bewußtsein des christlichen
Eingeweihten.
Dies ist der Prozeß, der in jedem Jahr sich abspielt, wenn die
Tage kürzer werden und die natürliche Erde in ihren Schlaf eingeht.
Dann ist der Prozeß der, daß wir in unmittelbare Verbindung treten
können mit dem Geiste der Erde. Deshalb ist es nicht einer Willkür
entsprossen, sondern dem Prinzip der Einweihung, in die Zeit der
kürzesten Tage und der längsten Nächte die Geburt des Heilandes zu
verlegen. Und wir sehen so etwas unendlich bedeutsames Geistiges mit
dem Kürzerwerden der Tage und dem Längerwerden der Nächte verbunden
und fühlen auch, daß in diesem Ereignis Seele ist, und zwar die
höchste Seele, die wir in der Erdentwickelung fühlen können.
Nicht eine Lehre oder eine Summe von Gedanken empfanden die ersten
Christen, wenn sie den Namen des Christus aussprachen. Ihnen wäre es
ganz unmöglich erschienen, daß man bloß auf die Sätze hin, die der
Christus Jesus ausgesprochen hat als christliche Lehre, jemanden einen
Christen genannt hätte. Niemandem wäre eingefallen zu leugnen, daß
diese Sätze auch in ändern Religionsbekenntnissen zu finden sind,
und niemandem wäre es eingefallen, dies als etwas Besonderes
anzusehen. Erst heute legt man gerade in den gebildeten Kreisen einen
besonderen Wert darauf, daß die Lehre des Christus Jesus
übereinstimme mit ändern Religionsbekenntnissen. Es ist richtig: man
wird kaum einen Lehrsatz finden können, der nicht auch schon früher
gelehrt worden ist, aber darauf kommt es nicht an. Nicht durch die
Lehre allein ist der Christ mit dem Christus verbunden. Nicht der ist
ein Christ, der an die Worte glaubt,
sondern der ist ein Christ, der an den Christusgeist glaubt. Zum
Christ sein gehört das Sich-verbunden-Fühlen mit dem tatsächlich
auf der Erde wandelnden Christus. Bloß Christi Lehre anerkennen,
heißt nicht, das Christentum predigen. Das Christentum predigen
heißt, in dem Christus den Geist sehen, den wir eben charakterisiert
haben als den Regenten der Sonne, der in dem Moment, als das Blut aus
den Wunden floß auf Golgatha, seine Arbeit auf die Erde verlegte und
dadurch die Erde miteinbezogen hat in die Arbeit der Sonne.
Deshalb empfanden auch die, die zuerst das Christentum
verkündeten, sich am wenigsten gedrängt dazu, bloß die Worte zu
verkündigen; sondern sie legten den größten Wert darauf, zu
verkündigen die Person des Christus Jesus: «Wir haben Ihn gesehen,
als Er mit uns auf dem heiligen Berge war.» Daß er da war, daß sie
ihn gesehen haben, darauf legten sie Wert. «Wir haben unsere Hände
in Seine Wunden gelegt.» Daß sie ihn berührt haben, darauf legten
sie Wert. Von diesem historischen Ereignis aus geht alle zukünftige
Menschheitsentwickelung auf unserer Erde. Das hat man damals
gefühlt. Deshalb sagten die Jünger: Wir legen großen Wert darauf,
daß wir mit Ihm auf dem Berge waren; aber wir fassen es auch als ein
Großes auf, daß das Wort der Propheten sich in Ihm erfüllt hat, das
aus der Wahrheit und Weisheit selbst stammte! - Und erfüllt hat sich,
was die Propheten vorausgewußt haben. Damals meinte man mit den
Propheten die Eingeweihten, die den Christus voraussagen konnten, weil
sie ihn in den alten heiligen Mysterien gesehen haben um die
Weihnachts-Mitternachtsstunde. Als eine Erfüllung dessen, was man
immer gewußt hat, stellen die ersten Christus-Jünger das Ereignis
von Golgatha hin, und ein großer Umschwung geht in den Gefühlen der
Wissenden vor sich.
Wenn wir hinschauen in eine Zeit des Vorchristentums, und immer
weiter hinausgehen in diese Zeiten, finden wir immer mehr, wie alle
Liebe an die Blutsbande geknüpft ist. Noch in dem jüdischen Volke,
aus dem der Christus selbst hervorgegangen ist, sehen wir die Liebe
nur in den Blutsverwandtschaften selber. Wir sehen, daß diejenigen
sich lieben, in denen gemeinsames Blut fließt, und auch früher war
das immer so, daß auf der Naturgrundlage des
gemeinsamen Blutes die Liebe beruhte. Die geistige Liebe, die
unabhängig ist von Blut und Fleisch, ist erst mit dem Christus auf
die Erde eingezogen. Und in der Zukunft wird es davon abhängen, daß
der Spruch sich erfülle: «Wer nicht verläßt Vater und Mutter,
Bruder und Schwester, Weib und Kind, der kann nicht mein Jünger
sein.» Wer die Liebe abhängig machen wird von der Naturgrundlage,
vom Blut, ist nicht in diesem Sinne ein Christ. Die geistige Liebe,
die als großes Bruderband die Menschheit durchziehen wird, ist das
Ergebnis des Christentums.
Dafür lernt der Mensch aber auch die größte Freiheit, die
größte innere Geschlossenheit durch das Christentum. Noch der
Psalmist sagte: «Ich erinnere mich der alten Tage, und über die
Urzeit sinne ich nach.» Das war eine ständige Empfindung der alten
Zeiten: hinaufzuschauen zu den Urahnen. Man fühlte, daß das Blut der
Urahnen noch in den eigenen Adern rollt, und man fühlte sein Ich
verbunden mit dem Ich der Urahnen. Wollte man so recht das fühlen,
selbst noch in dem alten jüdischen Volke, so sprach man den Namen
Abraham aus; denn man fühlte sich dadrinnen in dem gemeinsamen
Blutstrom, der von Abraham herunterrollte. Der Jude sagte, wenn er
sein Höchstes aussprechen wollte: Ich bin mit Abraham eins. - Und
seine Seele ging - das hat einen sehr tiefen Hintergrund -, nachdem
der Leib gestorben war, in den Schoß Abrahams zurück. Da war noch
nicht jene Selbständigkeit vorhanden, die durch den Christus Jesus in
des Menschen Bewußtsein eingezogen ist. Durch den Christus Jesus zog
die bewußte Erkenntnis des «Ich bin» in den Menschen ein.
Eines aber wurde damals noch nicht gefühlt: die volle
Göttlichkeit des innersten göttlichen Wesens des Menschen. Das «Ich
bin» fühlten sie, aber sie brachten es in Zusammenhang mit den
Urahnen; sie fühlten es in dem gemeinsamen Blut, das herunterfloß
seit den Zeiten Abrahams. Da kam der Christus Jesus und brachte das
Bewußtsein, daß ein viel Älteres in dem Menschen ist, ein viel
Selbständigeres - daß das «Ich bin» nicht nur etwas ist, was
dasjenige enthält, was in einem Volke als Gemeinsames lebt, sondern
was in der einzelnen Person ist, das daher auch die Liebe wiederum
suchen muß in der einzelnen Person, aus sich heraus.
Das Ich, das in Ihnen heute eingeschlossen ist, abgeschlossen nach
außen, sucht die geistige Liebe nach außen. Nicht mit dem Vater, der
in Abraham war, fühlt sich dieses Ich eins, sondern mit dem geistigen
Vater der Welt: «Ich und der Vater sind eins.» Und ein noch tieferer
Ausspruch als dieser - obwohl dies der gewichtigste ist, weil er mehr
das Verständnis eröffnet - ist der, daß Christus den Menschen
klarmachte, daß das nicht das Tiefste ist, wenn sie sagen: Ich war
schon in Abraham. - Er machte ihnen klar, daß das «Ich bin»
älteren Datums ist, aus Gott selbst entsprossen: «Vor Abraham war
< Ich bin >.» So heißt der Ausspruch im Urtext, der
gewöhnlich so steht, daß niemand etwas sich dabei denken kann,
nicht: Ehe denn Abraham war, bin ich: «Vor Abraham war <Ich
bin>», das innerste geistige Wesen, das jeder in sich selber
trägt.
Wer diesen Satz versteht, dringt tief in das Wesen der christlichen
Anschauung und des christlichen Lebens ein, und er versteht, warum der
Christus auch darauf hinweist: «Ich bin bei euch alle Tage bis an das
Ende der Welt.» Und deshalb sollen wir auch fühlen den richtig
gedeuteten Satz des Weihnachts-Antiphons, der uns jederzeit aufs neue
sagt in der christlichen Weihenacht das urewige Geheimnis des
Außerzeitlichseins des «Ich bin». Nicht wird gesagt in dem
Weihnachtsgesange als Erinnerung: Heute gedenken wir, daß Christus
geboren wurde -, sondern jedesmal heißt es: «Heute ist uns Christus
geboren!» Denn das Ereignis ist ein außerzeitliches; und das, was
einstmals in Palästina geschehen ist, geschieht für den, der die
Lehre zu Gefühlen und Empfindungen machen kann, in jeder
Weihnachtsnacht immer wieder aufs neue.
Daß der Mensch wieder lebendig empfinden wird, was mit einem
solchen Fest gemeint ist, dazu wird eine spirituelle Weltanschauung
den Menschen wieder führen. Nicht eine abstrakte Lehre, eine
abstrakte Theorie zu sein ist ihre Mission, sondern den Menschen
wieder voll hineinzuführen ins Leben, es ihm erscheinen zu lassen
nicht als ein Abstraktes, sondern als erfüllt überall mit Seele. Und
Seele fühlen wir, wenn wir hinausgehen in den Steinbruch und den
Stein zersplittern sehen, Seele fühlen wir, wenn wir den Vogelzug
sehen, wenn wir sehen, wie die Sense über die Felder geht, wenn die
Sonne
auf- und untergeht; und immer tiefere Seelenhaftigkeit fühlen
wir, je tiefere Ereignisse wir betrachten. An den großen Wendepunkten
des Jahres fühlen wir die wichtigsten seelischen Geschehnisse, und
das, was für uns das Wichtigste ist, sollen wir wieder fühlen lernen
an den großen Wendepunkten des Jahres, die in unseren Festen
abgesteckt sind.
So werden unsere Feste wieder etwas werden, was wie ein lebendiger
Hauch die Menschenseelen durchzieht, und der Mensch wird sich wieder
einleben in solchen Festesaugenblicken in das ganze Wirken und Weben
der vollen geistigen und seelischen Natur. Der Anthroposoph soll
zunächst vorfühlen als ein Pionier, was die Feste werden können,
wenn die Menschheit wiederum den Geist begreifen wird, erleben wird,
was es heißt, den Geist in den Festen wiederum zu begreifen. Es wird
gehören zu den Kräften, die den Menschen wiederum herausführen in
die Welt, wenn wir schon heute an solchen Festestagen etwas fühlen
und empfinden von dem Fühlen und Empfinden der Natur, und uns in
diesen wichtigen Augenblicken erinnern, was die Geist-Erkenntnis in
dieser Lebenslehre den Menschen wieder bringt. Dann wird
Geisteswissenschaft lebendige Tatsache der Seele, wird Vitaesophia
sein. Und sie kann es am besten sein in den Zeiten, wo sich die
Weltenseele ganz besonders zu uns herunterneigt und sich ganz
besonders intim mit uns verbindet.