Forum für Anthroposophie, Waldorfpädagogik und Goetheanistische Naturwissenschaft
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II. SEELENÜBUNGEN DES DENKENS, FÜHLENS UND WOLLENS

Philosophie ist nicht in derselben Art entstanden, in der sie in der modernen Zeit weitergeführt wird. In dieser Art ist sie ein Zusammenhang von Ideen, die innerlich, in der Seele, nicht so erlebt werden, daß der seiner selbst bewußte Mensch sich in ihnen als in einer Wirklichkeit fühlte. Daher kommt es, daß man nach allen möglichen theoretischen Mitteln sucht, durch die man beweisen will, wie sich der philosophische Inhalt doch auf eine Wirklichkeit beziehe. In dieser Art aber kommt man nur zu verschiedenen philosophischen Systemen, von denen man sagen kann, daß sie eine gewisse relative Richtigkeit haben; denn es sind, im wesentlichen, die Gründe, mit denen man sie widerlegt, ebensoviel wert wie diejenigen, mit denen man sie beweisen will.

Es handelt sich bei Anthroposophie darum, daß man nicht mit theoretischem Nachdenken der Wirklichkeit des philosophischen Inhaltes beikommen kann; sondern durch Ausbildung einer Erkenntnismethode, die auf der einen Seite ähnlich ist derjenigen, durch die in alten Zeiten Philosophie gewonnen worden ist, und die auf der andern Seite so vollbewußt exakt ist wie die mathematische und naturwissenschaftliche Methode der neueren Zeit.

Die alte Methode war eine halb unbewußte. Sie hatte gegenüber dem Bewußtseinszustand, in dem der moderne Mensch ist, wenn er wissenschaftlich denkt, etwas Halbtraumhaftes. Sie lebte nicht in solchen Träumen, die durch sich selbst nicht unmittelbar ihren realen Inhalt verbürgen, sondern in Wachträumen, die eben durch diesen Inhalt auf Wirklichkeit wiesen. Solcher Seeleninhalt hat aber auch nicht den abstrakten Charakter wie derjenige des gegenwärtigen Vorstellens, sondern den der Bildhaftigkeit.

Solch ein Seeleninhalt muß wieder gewonnen werden; aber, gemäß dem modernen Entwickelungszustande der Menschheit, in voller Bewußtheit; gerade in derselben Bewußtseinsverfassung, wie sie im wissenschaftlichen Denken vorhanden ist. Die anthroposophische Forschung sucht das zu erreichen in einer ersten Stufe des übersinnlichen Erkennens, in dem imaginativen Bewußtseinszustande. Er wird erreicht durch ein meditatives Seelenverfahren. Durch dieses wird die Totalkraft des Seelenlebens auf leicht überschauliche Vorstellungen gelenkt und im Ruhen auf denselben festgehalten. Dadurch wird, wenn ein solches Verfahren durch genügend lange Zeitepochen immer wiederholt wird, zuletzt bemerkt, wie die Seele in ihrem Erleben leibfrei wird. Man erkennt klar, daß alles Denken des gewöhnlichen Bewußtseins Abglanz einer geistigen Tätigkeit ist, die als solche unbewußt bleibt, die aber dadurch bewußt wird, daß sie den menschlichen physischen Organismus in ihren Verlauf einbezieht. Alles gewöhnliche Denken ist ganz abhängig von der im physischen Organismus nachgeahmten übersinnlichen Geistestätigkeit. Dabei wird aber nur bewußt, was der physische Organismus bewußt werden läßt.

Durch die Meditation kann die geistige Tätigkeit vom physischen Organismus losgerissen werden. Die Seele erlebt dann auf übersinnliche Art das Übersinnliche. Es wird nicht mehr im physischen Organismus seelisch erlebt, sondern im ätherischen Organismus. Man hat ein Vorstellen mit Bildcharakter vor sich.

Man hat in diesem Vorstellen Bilder der Kräfte vor sich, die aus dem Übersinnlichen heraus dem Organismus als seine Wachstumskräfte, auch als die Kräfte zugrunde liegen, die im Regeln der Ernährungsvorgänge wirksam sind. Man hat es mit einer wirklichen Anschauung der Lebenskräfte zu tun. Es ist dies die Stufe der imaginativen Erkenntnis. Man lebt auf diese Art im ätherischen menschlichen Organismus. Und man lebt mit dem eigenen ätherischen Organismus in dem ätherischen Kosmos. Es ist zwischen dem ätherischen Organismus und dem ätherischen Kosmos keine so scharfe Grenze in bezug auf Subjektives und Objektives wie bei dem physischen Nachdenken über die Dinge der Welt.

Mit dem Erleben in imaginativer Erkenntnis kann man die alte Philosophie als Wirklichkeitsinhalt nacherleben; man kann aber auch eine neue Philosophie konzipieren. Eine wirkliche Konzeption der Philosophie kann nur durch diese imaginative Erkenntnis zustande kommen. Ist diese Philosophie einmal da, dann kann sie aber von dem gewöhnlichen Bewußtsein erfaßt und auch verstanden werden. Denn sie spricht aus dem imaginativen Erleben heraus in Formen, die aus der geistigen (ätherischen) Wirklichkeit stammen, und deren Wirklichkeitsgehalt in der Aufnahme durch das gewöhnliche Bewußtsein nacherlebt werden kann.

Für die Kosmologie bedarf es einer höheren Erkenntnisbetätigung. Diese wird erworben, wenn die Meditation erweitert wird. Man bildet nicht nur das intensive Ruhen auf einem Seeleninhalt aus, sondern auch das vollbewußte Beharren in einem inhaltlosen Seelenruhen, nachdem man einen meditativen Seeleninhalt aus dem Bewußtsein fortgeschafft hat. Man bringt es damit so weit, daß in das inhaltlose Seelenleben der geistige Gehalt des Kosmos einfließt. Man erreicht die Stufe der inspirierten Erkenntnis. Man hat vor sich einen geistigen Kosmos, wie man vor den Sinnen den physischen Kosmos hat. Man gelangt dazu, in den Kräften des geistigen Kosmos dasjenige anzuschauen, was im Atmungsprozesse zwischen dem Menschen und dem Kosmos geistig vorgeht. In den Vorgängen dieses Atmungsprozesses und in den übrigen rhythmischen Prozessen des Menschen findet man das physische Abbild dessen, was im Geistigen existiert an dem astralischen Menschenorganismus. Man kommt zu der Anschauung, wie dieser astralische Organismus außerhalb des Erdenlebens im geistigen Kosmos seinen Bestand hat, und wie er sich durch das Keimesleben und die Geburt in den physischen Organismus einkleidet, um im Tode denselben wieder zu verlassen. Man kann durch diese Erkenntnis die Vererbung, die ein irdischer Vorgang ist, von dem unterscheiden, was sich der Mensch aus der geistigen Welt mitbringt.

So gelangt man durch die inspirierte Erkenntnis zu einer Kosmologie, die den Menschen in bezug auf sein seelisches und geistiges Dasein umfassen kann. Die inspirierten Erkenntnisse bilden sich im astralischen Organismus aus. Man hat sie, indem man außerhalb seines Körpers ein Dasein erlebt im Kosmos des Geistes. Sie spiegeln sich aber im Äther-Organismus; und in den Bildern, die sich da ergeben, kann man sie in die menschliche Sprache übersetzen und mit dem Inhalte der Philosophie vereinigen. Man erhält dadurch eine kosmische Philosophie.

Für die religiöse Erkenntnis ist ein Drittes notwendig. Man muß in die Wesenheiten untertauchen, die sich im inspirierten Erkenntnisinhalte bildhaft offenbaren. Man erreicht dieses, wenn man zu der bisher charakterisierten Meditation Seelenübungen des Willens hinzufügt. Man sucht, zum Beispiel, Vorgänge, die in der physischen Welt einen bestimmten Verlauf haben, in umgekehrter Folge, von rückwärts nach vorne vorzustellen. Dadurch reißt man durch einen Willensvorgang, den man im gewöhnlichen Bewußtsein nicht anwendet, das Seelenleben los von dem kosmischen Außeninhalte und versenkt die Seele in die Wesenheiten, die sich in der Inspiration offenbaren. Man gelangt zu der wahren Intuition, zu dem Zusammenleben mit Wesen einer geistigen Welt. Diese Erlebnisse werden im ätherischen und auch im physischen Menschen gespiegelt und ergeben in dieser Spiegelung den Inhalt des religiösen Bewußtseins.

Man gelangt durch diese intuitive Erkenntnis dazu, die wahre Wesenheit des «Ich» zu schauen, die in Wirklichkeit in die Geisteswelt eingesenkt ist. Was im gewöhnlichen Bewußtsein von diesem Ich vorhanden ist, das ist nur ein ganz schwacher Abglanz seiner wahren Gestalt. Man erreicht durch Intuition die Möglichkeit, diesen schwachen Abglanz in Vereinigung zu fühlen mit der göttlichen Urwelt, der er durch seine wahre Gestalt angehört. Man ist dadurch auch imstande, zu durch schauen, wie der Geistmensch, das wahre «Ich», in der geistigen Welt seinen Bestand hat, wenn der Mensch in den Schlafzustand versenkt ist. In diesem Zustande brauchen physischer und ätherischer Organismus die rhythmischen Prozesse für sich, zu ihrer Regeneration. In dem Wachzustande lebt in diesem Rhythmus und den in ihn eingegliederten physischen Stoffwechselprozessen das «Ich». Im Schlafzustande sind der Rhythmus des Menschen und die Stoffwechselvorgänge als physischer und ätherischer Organismus in einem Leben für sich; und der astralische Organismus und das «Ich» haben da ihren Bestand in der Geisteswelt. In der inspirierten und intuitiven Erkentnis wird der Mensch bewußt in diese Welt versetzt. Er lebt in einem geistigen Kosmos, wie er durch seine Sinne in einem physischen Kosmos lebt. Er kann erkenntnismäßig von dem Inhalte des religiösen Bewußtseins sprechen. Dieses kann er, weil sich das im Geistigen Erlebte im physischen und ätherischen Menschen spiegelt und die Spiegelbilder in der Sprache ausgedrückt werden können. Sie haben dann in dieser Ausdrucksform einen Inhalt, der dem Menschengemüte des gewöhnlichen Bewußtseins religiös einleuchten kann.

So wird durch die imaginative Erkenntnis die Philosophie, durch die Inspiration die Kosmologie, durch die Intuition das religiöse Leben durchschaut. Zur Intuition führt, außer dem schon Charakterisierten, auch zum Beispiel die folgende Seelenübung. Man versucht in das Leben, das sich sonst unbewußt von Lebensalter zu Lebensalter beim Menschen entwickelt, so einzugreifen, daß man bewußt sich Gewohnheiten aneignet, die man vorher nicht gehabt hat, oder solche umwandelt, die man gehabt hat. Je größere Anstrengungen zu einer solchen Umwandlung nötig sind, desto besser ist es für die Herbeiführung einer intuitiven Erkenntnis. Denn diese Verwandlungen bewirken eine Loslösung der Willenskräfte von dem physischen und ätherischen Organismus. Man bindet den Willen an den astralischen Organismus und an die wahre Gestalt des «Ich», und versenkt diese beiden dadurch bewußt in die Geisteswelt.

In der modernen geistigen Entwickelung der Menschheit hat sich erst das ausgebildet, was man abstraktes Denken nennen kann. Der Mensch früherer Entwickelungsepochen hatte dieses Denken nicht. Es ist aber notwendig zur Entwickelung der menschlichen Freiheit. Denn es löst die Kraft des Denkens von der Bildform los. Man erreicht die Möglichkeit, durch den physischen Organismus zu denken. Ein solches Denken wurzelt aber nicht in einer wirklichen Welt. Es ist nur in einer Scheinwelt enthalten. In dieser Scheinwelt kann man die Naturvorgänge abbilden, ohne daß der Mensch in diese Bilder von sich aus etwas hineinlegt. Man gelangt zu einem Abbilde der Natur, das als Abbild wirklich sein kann, weil das Leben im denkerischen Abbild in sich selbst nicht Wirklichkeit, sondern nur Schein ist. In dieses Scheindenken können aber auch die moralischen Impulse so aufgenommen werden, daß sie auf den Menschen keinen Zwang ausüben. Die moralischen Impulse selbst sind wirklich, weil sie aus der Geisteswelt stammen; die Art, wie sie der Mensch in seiner Scheinwelt erlebt, macht es ihm möglich, sich frei nach ihnen zu bestimmen, oder nicht zu bestimmen. Sie selbst üben weder durch seinen Körper, noch durch seine Seele auf ihn einen Zwang aus. So schreitet die Menschheit vorwärts, indem dasjenige Denken, das in alten Zeiten ganz an die unbewußte imaginierte, inspirierte und intuitive Erkenntnis gebunden war und in dem die Gedanken so geoffenbart wurden wie die Imagination, Inspiration und Intuition selbst, zum abstrakten Denken wird, das durch den physischen Organismus ausgeführt wird. In diesem Denken, das ein Scheinleben hat, weil es geistige Substanz ist, in die physische Welt versetzt, erlebt der Mensch die Möglichkeit, eine objektive Naturerkenntnis und seine moralische Freiheit zu entwickeln. (Das Nähere darüber findet man in meiner «Philosophie der Freiheit», in meinen Schriften «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?», «Theosophie», «Geheimwissenschaft» usw.) Aber um wieder zu einer menschumfassenden Philosophie, Kosmologie und Religion zu kommen, ist notwendig, bewußt

- also im Gegensatz zu dem alten traumhaften Hellsehen

- in das Gebiet eines exakten Hellsehens in Imagination, Inspiration und Intuition einzutreten. Im Gebiete des abstrakten Vorstellungslebens erreicht der Mensch seine Vollbewußtheit. Es obliegt ihm im weiteren Menschheitsfortschritt, die Vollbewußtheit in die Erfahrungen aus der geistigen Welt hineinzutragen. Darin muß der wahre Menschheitsfortschritt in die Zukunft hinein bestehen.


 

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