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III. IMAGINATIVE, INSPIRIERTE UND INTUITIVE ERKENNTNISMETHODE

Beim Eintreten in die imaginative Erkenntnis nimmt das Innenleben des Menschen eine andere Form an, als die des gewöhnlichen Bewußtseins ist. Und auch das Verhältnis des Menschen zur Welt ändert sich. - Man hat diese Änderung durch das Konzentrieren aller Seelenkräfte auf einen leicht überschaulichen Vorstellungskomplex herbeigeführt. Leicht überschaulich muß dieser sein, damit nichts von einem unbewußten Vorgang in die Meditation hineinspielt. In dieser muß alles nur innerhalb des Seelisch-Geistigen verlaufen. Wer ein mathematisches Problem durchdenkt, der kann ziemlich sicher sein, daß er dabei nur das Seelisch-Geistige engagiert. Unbewußte, gefühls- oder willensbeeinflußte Vorstellungsreminiszenzen werden da nicht hineinspielen. So muß es im Meditieren sein. Nimmt man hierzu eine Vorstellung, die man aus der Erinnerung herausholt, so kann man gar nicht wissen, wieviel aus dem Körperlichen, Instinktiven, dem Unbewußt-Seelischen man zugleich in das Bewußtsein hereinholt und beim Ruhen auf der Vorstellung zur seelischen Wirksamkeit bringt. - Es ist daher am besten, wenn man zum Meditationsinhalt etwas wählt, von dem man sicher ist, daß es der Seele ganz neu ist. Läßt man sich darinnen von einem erfahrenen Geistesforscher raten, so wird er vor allem darauf Rücksicht nehmen. Er wird einen Meditationsinhalt vorschlagen, der ganz einfach ist und den man ganz gewiß noch niemals gedacht haben kann. Es kommt dabei nicht darauf an, daß der Inhalt einem schon erfahrenen oder überhaupt einem Tatbestande der Sinnenwelt entspricht. Man kann zu einer bildhaften Vorstellung greifen, die nichts Äußerliches abbildet, z. B. «im Lichte lebt strömend Weisheit». Es kommt auf das Ruhen auf einem solchen Vorstellungskomplex an. Bei diesem Ruhen verstärken sich die geistig-seelischen Kräfte, wie sich die Muskelkräfte beim Verrichten einer Arbeit verstärken. Auf einmal kann die Meditation kurz sein; sie muß aber durch lange Zeiten wiederholt werden, wenn ein Erfolg eintreten soll. Je nach der Veranlagung kann dieser Erfolg bei der einen Persönlichkeit schon nach Wochen, bei der andern erst nach Jahren eintreten. Will jemand wirklicher Geistesforscher werden, so muß er solche Übungen in streng systematischer, intensiver Art machen. Zunächst wird durch ein Meditieren in der hier angedeuteten Art das erreicht werden, daß der Meditierende durch sein Innenleben eine Kontrolle von größerer Sicherheit über die Aussagen eines Geistesforschers hat als der gewöhnliche gesunde Menschenverstand. Doch reicht auch dieser, wenn er genug unbefangen und vorurteilslos ist, zu einer solchen Kontrolle durchaus aus.

Dem Meditieren muß zu Hilfe kommen die Übung in der Charakterstärke, inneren Wahrhaftigkeit, Ruhe des Seelenlebens, völliger Besonnenheit. Denn nur wenn die Seele von diesen Eigenschaften durchzogen ist, wird sie das, was im Meditieren als ein Vorgang sich bildet, der ganzen menschlichen Organisation allmählich einprägen.

Ist durch solches Üben der richtige Erfolg eingetreten, dann erlebt man sich im ätherischen Organismus. Das Gedankenerlebnis erhält eine neue Form. Man erlebt die Gedanken nicht nur in der abstrakten Form wie früher, sondern so, daß man in ihnen Kräfte fühlt. Die vorher erfahrenen Gedanken können nur gedacht werden; sie haben keine Macht zu einer Aktivität. Die Gedanken, die man jetzt erlebt, haben eine Macht wie die Wachstumskräfte, die den Menschen vom kleinen Kinde zum Erwachsenen umbilden. Eben deshalb aber ist es notwendig, daß die Meditation in richtiger Art ausgeführt wird. Denn greifen in sie unterbewußte Kräfte ein, ist sie nicht ein in voller Besonnenheit rein seelisch-geistig verlaufender Akt, so werden Impulse entwickelt, die so wie die natürlichen Wachstumskräfte in den eigenen menschlichen Organismus eingreifen. Das darf in keiner Art geschehen. Der eigene physische und ätherische Organismus muß durch die Meditation völlig unberührt bleiben. Man kommt bei richtiger Meditation dazu, mit dem neu entwickelten Gedanken-Kräfte-Inhalt außerhalb des eigenen physischen und ätherischen Organismus zu leben. Man hat das Äther-Erleben; und der eigene Organismus gelangt zu dem persönlichen Erleben in ein Verhältnis einer relativen Objektivität. Man schaut ihn an, und er strahlt in Gedankenform zurück, was man im Äther erlebt.

Gesund ist dieses Erleben, wenn man in den Zustand kommt, durch den man in völlig freier Willkür abwechseln kann zwischen einem Dasein im Äther und einem solchen in seinem physischen Leibe. Liegt etwas vor, was einen in das Ätherdasein hineinzwingt, dann ist der Zustand kein richtiger. Man muß in sich und außer sich nach völlig freier Orientierung sein können.

Das erste Erlebnis, das man durch eine solche innere Arbeit sich erringen kann, ist die Anschauung des eigenen verflossenen Erdenlebenslaufes. Man schaut denselben, wie er durch die Wachstumskräfte von Kindheit auf geformt worden ist. Wie in Gedankengebilden, die zu Wachstumskräften verdichtet sind, schaut man ihn an. Man hat nicht etwa bloß die Erinnerungsbilder des eigenen Lebens vor sich. Man hat Bilder von einem ätherischen Tatsachenverlauf vor sich, der sich in der eigenen Wesenheit abgespielt hat, ohne daß er in das gewöhnliche Bewußtsein eingetreten ist. Was im Bewußtsein ist und in der Erinnerung lebt, das ist nur die abstrakte Begleiterscheinung des realen Verlaufes. Es ist gewissermaßen nur eine obere Welle, die in ihrer Formung ein Ergebnis des Tiefenvorganges ist. Man überschaut das Weben und Wirken des eigenen Ätherorganismus im Zeitverlauf des Erdenlebens.

In der Anschauung dieses Verlaufes offenbart sich das Wirken des ätherischen Kosmos auf den Menschen. Was da gewirkt wird, das kann man als Inhalt der Philosophie erleben. Es ist Weisheit, aber nicht in der abstrakten Form des Begriffes, sondern als Form des Ätherwirkens im Kosmos.

Für das gewöhnliche Bewußtsein ist nur das ganz kleine Kind, das noch nicht sprechen gelernt hat, in demselben Verhältnis zum Kosmos wie der regelrecht Imaginierende. Aber dieses Kind hat noch nicht aus den allgemeinen Wachstums-(ätherischen) Kräften die Gedankenkräfte abgesondert. Das geschieht erst im Sprechenlernen. Da sondern sich aus den vorher vorhandenen nur allgemeinen Wachstumskräften die abstrakten Gedankenkräfte ab. Der Mensch in seinem späteren Lebensverlaufe hat diese abstrakten Gedankenkräfte; aber sie sind nur am physischen Organismus; sie sind nicht in das Ätherdasein aufgenommen. Der Mensch kann daher das Verhältnis, das er zum Äther hat, sich nicht zum Bewußtsein bringen. Der imaginierende Mensch lernt dieses.

Das ganz kleine Kind ist ein unbewußter Philosoph; der imaginierende Philosoph ist wieder das kleine Kind, aber zum vollen Bewußtsein erwacht.

Durch die Inspirationsübung wird zu den vorher entwickelten Fähigkeiten eine neue hinzugebracht, nämlich Bilder, auf denen man in der Meditation geruht hat, wieder aus dem Bewußtsein fortzuschaffen. Es muß ausdrücklich betont werden, daß hier die Fähigkeit entwickelt werden muß, vorher willkürlich in der Meditation ergriffene Bilder fortzuschaffen, und zwar wieder in völlig freier Willkür. Das Fortschaffen von Vorstellungen, die nicht durch freie Willkür in das Bewußtsein versetzt worden sind, genügt nicht. Es ist eine größere seelische Energie notwendig zum Fortschaffen von Bildern, die in der Meditation erworben sind, als zum Auslöschen von Vorstellungen, die in anderer Art in das Bewußtsein gekommen sind. Und diese größere Energie braucht man zum Fortschreiten in übersinnlicher Erkenntnis.

Man gelangt dazu, ein waches, aber ganz leeres Seelenleben auf diese Art sich zu erringen. Man beharrt in wachem Bewußtsein. Erlebt man diesen Zustand in völliger Besonnenheit, dann erfüllt sich die Seele mit den geistigen Tatsachen, wie sie sich durch die Sinne mit den physisch-sinnlichen erfüllt. Das ist der Zustand der Inspiration. Man erlebt sich mit einem Innenleben im Kosmos, wie man sich sonst mit einem solchen Innenleben in dem physischen Organismus erlebt. Aber man weiß, daß man das kosmische Leben in sich erlebt, daß die geistigen Dinge und Vorgänge des Kosmos sich als eigenes inneres Seelenleben offenbaren. Es muß nun die Möglichkeit geblieben sein, dieses innere Erleben des Kosmos stets mit dem Zustande des gewöhnlichen Bewußtseins in freier Willkür zu vertauschen. Dann kann man, was man in der Inspiration erlebt, stets auf etwas beziehen, was man im gewöhnlichen Bewußtsein erlebt. Man schaut in dem sinnlich wahrgenommenen Kosmos ein Abbild des geistig erlebten. Der Vorgang läßt sich dem vergleichen, durch den man eine neue Erfahrung des Lebens mit einem Erinnerungsgebilde vergleicht, das im Bewußtsein auftaucht. Die geistige Anschauung, die man erlangt, ist wie die neue Erfahrung, und die sinnliche Anschauung des Kosmos ist wie das Erinnerungsbild.

Die geistige Anschauung, die man in dieser Art von dem Kosmos erlangt, ist verschieden von der imaginativen. Bei dieser entstehen allgemeine Bilder eines ätherischen Geschehens; bei der Inspiration ergeben sich Bilder von geistigen Wesenheiten, die in diesem ätherischen Geschehen walten. Was man als Sonne und Mond, als Planeten und Fixsterne in der physisch-sinnlichen Welt kennengelernt hat, findet man als kosmische Wesenheiten wieder. Und das eigene seelisch-geistige Erleben erscheint in den Kreis des Waltens dieser kosmischen Wesenswelt eingeschlossen. Der physische Organismus des Menschen wird jetzt erst verständlich, denn zu seiner Form und seinem Leben wirkt nicht nur das, was die Sinne des Menschen überschauen, sondern die Wesenheiten, die in den Tatsachen der Sinnenwelt schaffend walten. Alles, was so durch die Inspiration erlebt wird, bleibt dem gewöhnlichen Bewußtsein völlig verschlossen. Es würde dem Menschen nur bewußt sein, wenn er seinen Atmungsprozeß so erlebte wie den Wahrnehmungsprozeß. Für das gewöhnliche Bewußtsein bleibt das kosmische Walten zwischen Mensch und Welt verborgen. Die Yoga-Philosophie sucht auf dem Wege zu einer Kosmologie zu kommen, daß sie den Atmungsprozeß in einen Wahrnehmungsprozeß umwandelt. Das sollte der abendländische Mensch der modernen Zeit nicht nachahmen. Er ist im Laufe der Menschheitsentwickelung in eine Organisation eingetreten, die solche Yoga-Uebungen bei ihm ausschließt. Er würde durch dieselben sich nie ganz von seinem Organismus loslösen und dadurch der Forderung nicht genügen, den physischen und den ätherischen Organismus unberührt zu lassen. Solche Übungen entsprachen einer abgelaufenen Epoche der Menschheitsentwickelung. Was aber durch sie erreicht wurde, muß so errungen werden, wie dies soeben für die inspirierte Erkenntnis beschrieben worden ist. Dadurch wird vollbewußt erlebt, was in abgelaufener Zeit von der Menschheit in wachen Träumen erlebt werden mußte.

Ist der Philosoph ein vollbewußtes Kind, so muß der Kosmologe in vollbewußter Art ein Mensch der Vorzeit werden, einer Zeit, in der der Geist des Kosmos noch durch natürliche Fähigkeiten angeschaut werden konnte.

In der Intuition wird durch die schon das letzte Mal geschilderte Willensübung der Mensch mit seinem Bewußtsein ganz in die objektive Welt der kosmischen geistigen Wesenheiten hineinversetzt. Er erlangt einen Erlebniszustand, den nur die Urmenschheit auf Erden hatte. Diese war mit dem Innensein der kosmischen Umgebung so verbunden wie mit den Vorgängen des eigenen Körpers. Diese Vorgänge waren nicht völlig im Unbewußten wie bei dem neuzeitlichen Menschen. Sie spiegelten sich in der Seele. Der Mensch erlebte seelisch sein Wachstum, seinen Stoffwechsel wie in wachen Traumbildern. Und was er in solcher Art erlebte, das befähigte ihn, auch die Vorgänge seiner kosmischen Umgebung traumhaft-fühlend mit ihrem geistigen Innensein wahrzunehmen. Er hatte eine traumhafte Intuition, von der heute in besonders veranlagten Menschen nur ein Nachklang vorhanden ist. Die Umwelt war für das Bewußtsein des Urmenschen zugleich materiell und geistig. Was da halb traumhaft erlebt worden ist, war für den Urmenschen die religiöse Offenbarung. Für ihn war diese eine geradlinige Fortsetzung seines übrigen Menschenlebens. Diese von der Urmenschheit traumhaft gewußten Erlebnisse in der Geisterwelt bleiben dem neuzeitlichen Menschen völlig unbewußt. Der übersinnlich intuitiv Erkennende bringt sie sich zum vollen Bewußtsein. Er wird dadurch auf eine neue Art in den Zustand der Urmenschheit zurückversetzt, für die das Weltbewußtsein noch den religiösen Inhalt abgab.

Wie der Philosoph zum vollbewußten Kinde, der Kosmologe zum vollbewußten Menschen einer abgelaufenen mittleren Menschheitsepoche, so wird der im modernen Sinne religiös Erkennende wieder ähnlich dem Urmenschen, nur daß er in seiner Seele die geistige Welt nicht wie dieser traumhaft, sondern vollbewußt erlebt.


 

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