Auszug aus:
http://www.iue.it/Personal/Researchers/mueller/Academica/Deutsche_Geschichte_in_der_Neu/Streifzuge_I/body_streifzuge_i.html

Der aufgeklärte Absolutismus

Am 25. August 1769 kam es im schlesischen Neisse zu einem denkwürdigen Treffen zwischen Friedrich II. von Preußen und Joseph II. von Österreich. Dieser Gedankenaustausch der beiden eigentlich verfeindeten Staatsoberhäupter war ausschließlich der Initiative Josephs zu verdanken, der - sehr zum Bedauern seiner Mutter Maria Theresia - ein glühender Bewunderer des preußischen Königs war. Diese Bewunderung kam nicht von ungefähr und hatte mit den Grundsätzen der Regierungsweise Friedrichs II. zu tun; Grundsätze, die Joseph II. in Österreich noch vollkommener, konsequenter und umfassender umsetzen wollte, als es dem Preußenkönig gelungen war. Im nachhinein ist diese neuartige Regierungsweise als ‘aufgeklärter Absolutismus’ bezeichnet worden, und in Friedrich II. sowie Joseph II. fand er seine vielleicht charakteristischsten Vertreter.

Absolutismus und Aufklärung scheinen auf den ersten Blick Gegensätze zu sein. Die Vorstellung einer rechtlich ungebundenen, uneingeschränkten Machtausübung im Rahmen einer Alleinherrschaft von Gottes Gnaden ist kaum vereinbar mit einer geistigen Bewegung, die Vernunftgründe, individuelle Freiheiten und naturgegebene Menschenrechte in den Mittelpunkt rückt. Genaugenommen gab es auch keinen ‘aufgeklärten Absolutismus’ im Sinne einer Staatstheorie oder eines Regierungssystems, sondern lediglich ‘aufgeklärte Absolutisten’ oder ‘absolutistische Aufklärer’. Der absolutistische Fürst war vor allem an der rationalen Gestaltung seines Staates, an einer vernünftigen administrativen, wirtschaftlichen und sozialen Ordnung interessiert - nicht zuletzt, um seine fürstliche Herrschaft effektiver ausüben zu können. Unter dem Absolutismus lebende Aufklärer wiederum bemühten sich um eine Neuinterpretation der Herrscherrolle auf der Grundlage des Vernunftprinzips und des Naturrechtes. Staatstheoretiker wie Christian Wolffoder Samuel Pufendorf erklärten und rechtfertigten die uneingeschränkte Machtfülle des Monarchen nicht mehr mit dem Gottesgnadentum, sondern mit der Annahme einer gesellschaftlichen Vereinbarung, derzufolge der Fürst zum Wohle aller mit der Regentschaft beauftragt worden sei. Ein Regent war nun nicht mehr ein Herrscher über Land und Leute, sondern ein Funktionär der Gesellschaft, ein Amtsträger, der “erste Diener des Staates”, wie es Friedrich II.treffend formulierte.

Die Tendenz zur rationalen Umgestaltung der staatlichen, zum Teil auch gesellschaftlichen Strukturen, findet sich bei nahezu allen europäischen Herrschern im 18. Jahrhundert; dieser Trend war letztlich im absolutistischen Regime angelegt. Im Idealtyp des aufgeklärten absolutistischen Fürsten, wie z.B. bei Friedrich und Joseph, verband sich diese gezielte Stärkung der fürstlichen Macht aber auch mit den zentralen Gedanken der Aufklärung selbst. An der Herrschaftspraxis änderte sich dadurch wenig - sie blieb absolutistisch. Es änderten sich aber die Inhalte und die Ziele der Politik. Hier standen die vom Fürsten verordneten modernisierenden Reformen auch im Dienste der Hebung des allgemeinen Lebensstandards und der Verbesserung der sozialen Gerechtigkeit, wurden die Prinzipien des Naturrechts, soweit sie die eigene Machtstellung nicht gefährdeten, zumindest berücksichtigt und zum Teil auch umgesetzt. Friedrich II. z.B. förderte Manufakturbetriebe, schaffte die Folter ab, gewährte Religionsfreiheit, reformierte das Rechtswesen nach naturrechtlichen Prinzipien und verbesserte das Bildungssystem. Joseph II. ging in Österreich noch weiter. Er drängte den Einfluß der Kirche zurück, beschnitt die Pivilegien des Adels, befreite die Bauern von Frondienst und Erbuntertänigkeit, förderte die ersten industriellen Unternehmer und richtete unabhängige Gerichte ein. All dies aber erfolgte kraft fürstlicher Machtfülle und stieß auf heftigen Widerstand, zum Teil sogar bei denjenigen, denen es nutzen sollte. Manche Reformen ließen sich eben nicht einfach verordnen und nicht jeder wollte sich zu seinem Glück zwingen lassen.

Mit der Idee des Fürsten als dem Volk verpflichteter Staatsdiener kam letztlich auch die Legitimation der dynastischen Monarchie ins Wanken. Wenn der Herrscher eines Staates schon als oberster Beamter im Dienste der Bevölkerung gelten sollte, dann war nicht einzusehen, warum die Bevölkerung nicht auch über die personelle Besetzung dieses Amtes entscheiden konnte. Und umso weiter gesellschaftliche Reformen voranschritten, umso fragwürdiger wurden die ständische Ordnung und das absolutistische Herrschaftssystem selbst. Es war nur noch eine Frage der Zeit, daß daraus politische Forderungen wurden. In gewissem Sinne sägte also der aufgeklärte Absolutismus am eigenen Ast.

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 Last updated 17 Februar 2002 -- 15:44
© 2001 Elisabeth Albenberger