Auszug aus:
http://www.iue.it/Personal/Researchers/mueller/Academica/Deutsche_Geschichte_in_der_Neu/Streifzuge_I/body_streifzuge_i.html

Das Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation

Angeblich soll Ludwig van Beethoven im Mai des Jahres 1804 im Zustand äußerster Erregung das Titelblatt seiner soeben beendeten Dritten Sinfonie zerrissen haben; das heute als ‘Eroica-Sinfonie’ bekannte Werk wäre sonst womöglich als ‘Die Napoleonische’ in die Musikgeschichte eingegangen. Tatsächlich wollte Beethoven noch zu Beginn des Jahres Napoleon Bonaparte ein klingendes Monument setzen, denn solange der Franzose General der Revolution und damit Vorkämpfer republikanischer Ideen war, konnte auch ein patriotischer Vertreter der deutschen Bildungsschicht in den nicht enden wollenden Eroberungszügen des Franzosen noch den Siegeszug der Ideen von 1789 sehen. Spätestens mit Napoleons Griff nach der Kaiserkrone im Mai 1804 war jedoch klar, daß die Revolutionskriege längst zu imperialen Eroberungskriegen der ‘Grande Nation’ geworden waren, die keineswegs den erhofften großen politischen Befreiungsschlag darstellten. 

Immerhin brachte Napoleon Ordnung in die vielgestaltige und vielgliedrige deutsche Verfassungswirklichkeit - indem er sie zerschlug. Wie sehr die Struktur des Reiches bereits von innen her aufgeweicht war, zeigte sich in den letzten Jahren seiner Existenz noch einmal besonders deutlich. Schon 1795, im Baseler Separatfrieden, hatte Preußen gegen Kompensationsgarantien der Abtretung der linksrheinischen Gebiete an Frankreich zugestimmt und damit den Reichsgedanken wieder einmal mit Füßen getreten. Angesichts der napoleonischen Machtfülle sahen sich kurz darauf auch die süddeutschen Staaten schnell zu Verhandlungen über geeignete Entschädigungen - oder sollte man sagen: über den Preis - für ihre Zustimmung bereit. Sogar der habsburgische Kaiser selbst pfiff auf die Integrität des Reiches, als ihm bei den Verhandlungen vor dem Friedensschluß zu Campo Formio (1797) ein Nachgeben opportun erschien. Als Verhandlungsmasse standen die schwächsten Glieder des Reiches zur Diskussion, die zahlreichen, oft kleinstformatigen geistlichen Territorien sowie die reichsunmittelbaren Städte. Was dann 1803 doch noch einmal formal als Reichsdeputationshauptschluß verabschiedet wurde, war zuvor unter französischer Regie mit den Einzelstaaten ausgehandelt worden und wird als ‘Säkularisation’ bezeichnet. Dahinter verbirgt sich nicht nur die ‘Verweltlichung’ vormals von der Geistlichkeit beherrschter Gebiete, sondern vor allem die gezielte Stärkung der mittel- und süddeutschen Staaten wie Hessen, Württemberg und Baden, denen die so gewonnenen Gebiete zugeschlagen wurden und die damit ihre Territorien abrunden, ihre Herrschaftsräume stabilisieren konnten. Denn das war das Ziel Napoleons: neben bzw. gegen die beiden deutschen Großmächte Preußen und Österreich eine Reihe kleiner, lebensfähiger, aber doch auf Frankreich als Schutzmacht angewiesener Staaten in der Mitte Deutschlands zu etablieren. 

Diesem Ziel kam er nach dem Sieg bei Austerlitz und dem Preßburger Frieden (1805) ein gutes Stück näher, denn nun konnte er auch die ‘Mediatisierung’, die Auflösung der herrschaftlichen Unabhängigkeit der kleinen bis winzigen weltlichen Territorien der Reichsritter durchsetzen; und wieder ging die damit erfolgende Flurbereinigung der verwirrenden deutschen Herrschaftssituation vor allem zu Gunsten der Mittelstaaten. Die letzte Stunde des alten Reiches schlug, als sich diese inzwischen 16 Länder zählenden Mittelstaaten auf Wunsch Napoleons im ‘Rheinbund’ eine eigene föderale Struktur gaben und zu diesem Zweck aus der alten Reichsföderation austraten. Nur wenige Tage später, am 6. August 1806, trat Franz II. von Habsburg als deutscher Kaiser zurück. Wohl wissend, was da kommt, hatte er sich zwei Jahre zuvor bereits sicherheitshalber den zusätzlichen Titel eines Kaisers von Österreich gegeben.

Damit brach eine neunhundertjährige deutsche Verfassungstradition unwiderruflich ab. Vom völkerübergreifenden Reichsgedanke blieb allein das föderale Bündnismodell übrig, auch wenn das untergegangene Reich als Idealvorstellung noch lange weiterwirken und über ein Jahrhundert später sogar sein Unwesen treiben sollte. Eine wie auch immer geartete politische Einheit, die man hätte Deutschland nennen können, gab es nicht mehr. Die von Napoleon erzwungene deutsche Vielstaaterei, die doch schon vor ihm in der Tendenz zur territorialstaatlichen Verselbständigung der Einzelstaaten angelegt war, sollte nur unwesentlich modifiziert über mehr als ein halbes Jahrhundert ein Thema der Geschichte bleiben. 

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Last updated 17 Februar 2002 -- 15:44
© 2001 Elisabeth Albenberger