Chancen und Risiken der
modernen Medizin
unter besonderer Berücksichtigung von
Gentechnik und Transplantationsmedizin
Wolfgang Peter 2001
Inhalt
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Einleitung
"Alle Wünsche
werden klein gegen den, gesund zu sein", sagt uns ein
volkstümliches Sprichwort, und nicht ganz zu unrecht wird Gesundheit,
d.h. die ungebrochene harmonische Entfaltung unserer Lebenskräfte,
als hohes Gut geschätzt. Dennoch wird das menschliche Leben
unvermeidlich sehr wesentlich durch die verschiedensten Erkrankungen
geprägt. Man würde aber ganz fehlgehen, wollte man die Krankheit nur
als schmerzliche Beeinträchtigung des menschlichen Lebenslaufes
ansehen, die möglichst rasch überwunden werden muß. Wie kein
anderes Erdenwesen muß der Mensch lernen, oft lange Perioden seines
Lebens mit der Krankheit zu leben. Bei Tieren, die in ihrer
natürlichen Umwelt leben, ist das kaum der Fall, denn erstes haben
Tiere wesentlich stärkere Selbstheilungskräfte als der Mensch, und
zweitens haben kranke Tiere in der Natur keine sehr lange
Überlebenschance. Das Tier stirbt vielleicht an einer Krankheit, aber
es muß selten lange mit ihr leben. Beim Menschen ist das anders. Zwar
ist im vergangenen Jahrhundert die durchschnittliche Lebenserwartung
beträchtlich gestiegen, was teilweise, aber sicher nicht
ausschließlich der modernen Medizin zu danken ist, doch ist damit
keineswegs gesagt, daß der Mensch dadurch insgesamt gesünder
geworden ist, er hat vielmehr gelernt, länger und immer länger trotz
seiner Krankheit zu überleben.
Es scheint also das
Schicksal des Menschen zu sein, bis zu einem gewissen Grad mit seinen
Krankheiten leben zu müssen. Und wenn das so ist, dann muß man sich
auch die Frage stellen, ob wir diesem unvermeidlichen Kranksein nicht
auch einen gewissen tieferen Sinn abgewinnen können. Das Tier
kann das nicht. Aber im menschlichen Dasein zeigt sich doch oft, daß
dadurch, daß wir lernen unsere Krankheit zu bewältigen, geistige
Charakterkräfte in uns wachgerufen werden, die sich sonst nicht in
dem Maße entwickelt hätten. Selbstverständlich wird man sich
Krankheiten nicht herbeiwünschen, um seine geistige Entwicklung zu
fördern, aber wenn sie das Schicksal an uns heranträgt, so können
sie auch als eine Chance begriffen werden, die es zu ergreifen gilt.
Wie wir mit unserer Krankheit umgehen, wird dabei entscheidend sein;
und der bloße, wenngleich verständliche Wunsch, sie möglichst rasch
wieder loszuwerden, wird nicht genügen. Das wird heute, namentlich
auch von der modernen Medizin, viel zu wenig berücksichtigt, weil wir
heute zumeist von einem sehr einseitigen Menschenbild ausgehen, das
weitgehend nur den physischen Körper des Menschen und seine diversen
Funktionsstörungen berücksichtigt. Die seelischen und geistigen
Aspekte des menschlichen Lebens werden, obwohl es natürlich schon
einige erfreuliche Ansätze gibt, viel zu wenig beachtet. Wenn man den
Sinn der Krankheit und ihrer Überwindung ergründen will, wird
man aber vorallem bedenken müssen, daß der Mensch, anders als das
Tier, ein individuelles geistiges Wesen ist. Grundlage der
Heilkunst muß also ein erweitertes Menschenbild sein, das
dieser Tatsache gerecht wird. Namentlich die Chancen und Risiken der
Transplantationsmedizin und der Gentherapie, die sehr tiefgreifend in
die individuelle Körperstruktur eingreifen, wird man nur
verantwortungsvoll beurteilen können, wenn diese individuellen
Gegebenheiten entsprechend berücksichtigt werden.
Ein erweitertes
Menschenbild als Grundlage der Heilkunst
Medizin wurde einstmals
als Heilkunst aufgefaßt, heute ist sie mehr und mehr zur
Wissenschaft geworden und stützt sich dabei weitgehend auf die
naturwissenschaftliche Forschungsmethode. Sie hat dadurch eine
methodisch exakte Grundlage gefunden, kann aber letztlich nur das
erfassen, was den physisch-stofflichen Körper und seine
physikalischen, chemischen und biochemischen Prozesse betrifft. Gerade
in der Manipulation, in der "Reparatur" des stofflichen
Körpers feiert die moderne Medizin heute ihre großen Triumphe, und
ganz besonders die Chirurgie hat so im letzten Jahrhundert geradezu
phantastisch scheinende Fortschritte gemacht und ein noch nie
dagewesenes Niveau erreicht. Die eigentliche Heilkunst ist
demgegenüber in den Hintergrund getreten, und alles, was darüber
hinausgeht, Funktionsstörungen im physischen Körper zu beheben,
bleibt weitgehend den Selbstheilungskräften des Organismus
überlassen. Der Chirurg vermag zwar seine Operationstechnik präzise
zu beherrschen, wie die anschließende Wundheilung wirklich zustande
kommt durchschaut er kaum. Um die Regenerationskräfte, die
Lebenskräfte zu erfassen, die hierbei tätig werden, genügt die
allein auf den physischen Körper gerichtete wissenschaftliche
Sichtweise nicht.
Nichts soll hier
grundsätzlich gegen die Methoden der modernen, naturwissenschaftlich
orientierten "Schulmedizin" eingewendet werden. Sie haben
die Möglichkeiten medizinischer Behandlung in vielerlei Hinsicht
bereichert. Es kann nicht darum gehen, den gegenwärtigen
medizinischen Verfahren einfach eine "alternative" Medizin
entgegenzusetzen. Nur muß man erkennen, daß sich die gegenwärtig
gepflegten medizinischen Verfahren allein auf den physischen Körper
des Menschen erstrecken. Damit ist aber nicht der ganze Mensch erfaßt,
sondern nur seine äußerste Hülle. Man wird das Wesen von Krankheit
und Gesundheit nicht durchgreifend verstehen, wenn man das Augenmerk
nur auf diese äußerste Hülle richtet. Eine umfassende moderne
Heilkunst wird nur entstehen, wenn wir den Menschen nicht alleine als
physisches, sondern zugleich auch ganz konkret als lebendiges,
beseeltes, individuelles Geistwesen zu erfassen lernen. Schon das
Leben selbst läßt sich nicht alleine aus seiner physischen Grundlage
begreifen, und noch weniger die seelischen und geistigen Aspekte des
menschlichen Daseins. Das Menschenbild, das wir unseren medizinischen
Bestrebungen zugrunde legen, muß dementsprechend erweitert werden. Da
Gesundheit wesentlich damit zusammenhängt, daß sich die Lebenskraft
im Organismus möglichst ungestört entfalten kann, werden wir uns
vordringlich damit auseinanderzusetzen haben, was das Wesen des
Lebendigen eigentlich ausmacht, und wir werden darauffolgend
untersuchen, welche Einflüsse hemmend auf diese Lebenskraft einwirken
können. Dafür kommen grundsätzlich sowohl physisch-stoffliche als
auch seelisch-geistige Faktoren in Betracht.
Was ist Leben?
Das Leben bedarf
zwar auf Erden der stofflichen Grundlage, läßt sich aber aus ihr
nicht erklären. Alles Lebendige "besteht" nicht im
eigentlichen Sinn aus Stoffen, sondern ist durch einen unermüdlichen Stoffwechsel
gekennzeichnet, bei dem die verschiedensten Stoffe den Naturreichen
entnommen, auf vielfältigste Weise verwandelt und endlich wieder
ausgeschieden werden. Bei all diesem unaufhörlichen Stoffaustausch
bleibt aber eines stets erhalten: die arttypische, oder beim Menschen
sogar die individuell geprägte Gestalt. Wir haben heute zwar
umfangreiche Kenntnisse über die biochemischen Prozesse, die sich
dabei abspielen - wie sich dadurch die Gestalt des Lebewesens
ausgestalten und erhalten kann, durchschauen wir mittels der rein
physisch orientierten Wissenschaft nicht. Zwar wird lange schon der
wissenschaftliche Aberglaube kolportiert, daß in den Genen der
"Bauplan" eines Lebewesens festgeschrieben sei; tatsächlich
gibt es aber keinen Weg, aus den Genen auf rational durchschaubare
Weise die Gestalt auch nur des einfachsten Lebewesens abzuleiten. Wir
verstehen zwar einigermaßen, wie sich aus den Genen die verschiedenen
Eiweißstoffe ableiten lassen, die den physischen Körper aufbauen,
aber wie und warum diese Eiweißstoffe ihren geeigneten Platz im
Organismus finden und sich zum ganzen Lebewesen zusammengliedern,
ahnen wir kaum. Gerade die Pharmazie entbehrt dadurch weitgehend einer
rationalen Grundlage. Wir sind zwar heute so weit, zu erkennen, wie
einzelne biochemische Prozesse im gesunden bzw. kranken Organismus
ablaufen, wir können auch Pharmazeutika entwickeln, die auf genau
definierte Weise in diese Vorgänge eingreifen sollen - das "Drug-Design"
ist diesbezüglich weit fortgeschritten -, nur wird in der Praxis das
angestrebte Ziel selten wirklich befriedigend erreicht, denn selten
gelingt es, das so konstruierte Medikament exakt und unverändert
(oder höchstens in genau definierter Art verändert) an seinen
Wirkungsort zu bringen. Tatsächlich erreicht nur ein sehr geringer
Teil wirklich sein Ziel, der größte Anteil wird durch die
mannigfaltigsten Stoffwechselprozesse vielfältig verwandelt und oft
an ganz andere Orte gelenkt. Die "Nebenwirkungen" der
modernen Pharmazeutika sind daher meist viel bedeutender als die
eigentlich angestrebte Wirkung. Abgesehen davon ist eine funktionelle
Stoffwechselstörung selten auf einen einzigen Wirkungsort
beschränkt, sondern betrifft mannigfaltige Prozesse an verschiedenen
Stellen des lebendigen Organismus.
Im Lebendigen hat man
es mit einer beständigen lebendigen Metamorphose gestaltbildender und
gestaltregenerierender Kräfte zu tun. Sie lassen sich aus den
irdischen Verhältnissen alleine nicht begreifen, sondern hängen sehr
stark mit den kosmischen Beziehungen zusammen. Bei den Pflanzen, in
denen sich die pure Lebenskraft am reinsten entfaltet, zeigt sich das
besonders deutlich. Das Pflanzenwachstum ist ganz unmittelbar
abhängig von den tageszeitlichen und jahreszeitlichen Verhältnissen,
die ja aus der zeitlich veränderlichen Stellung der Erde zur Sonne
resultieren und das Pflanzenleben rhythmisch ordnen. Aber auch der
Mondenrhythmus und andere planetare Rhythmen sind hier sehr bedeutend.
Daß der Mondzyklus das Pflanzenwachstum beeinflußt, ist ja schon
lange bekannt und heute durch vielfältige Untersuchungen abgesichert,
aber auch etwa die monatliche Periode der Frau spiegelt deutlich den
Mondrhythmus ab, wobei sich aber zugleich schon ein wichtiger
Unterschied zum pflanzlichen Leben zeigt: der Zyklus ist zwar ein
weitgehend exaktes Abbild des Mondphasenzyklus, aber er läuft
nicht mehr synchron mit ihm, sondern hat sich abgelöst und ist
eigenständig geworden. Fieberperioden sind sehr stark abhängig vom
Tageslauf und vom 7-tägigen Wochenlauf. Alle Lebensprozesse zeigen im
Grunde einen typischen periodischen Verlauf. Tatsächlich ist das
tierische und menschliche Leben vielfach durch Abbilder kosmischer
Rhythmen bestimmt, die aber, ganz besonders beim Menschen, einen
selbstständigeren Charakter angenommen haben. Das ursprünglich
unmittelbar kosmisch geleitete Leben ist dadurch verinnerlicht worden
und bietet erst dadurch die Basis, auf der sich ein eigenständiges Seelenleben
entfalten kann.
Vermittelt werden alle
diese kosmischen Rhythmen durch das Sonnenlicht im weitesten Sinn,
entweder so, wie es direkt auf die Erde fällt, oder wie es durch den
Mond und die anderen Planeten in modifizierter Form zurückgespiegelt
wird. Entscheidend ist dabei aber nicht nur die Sonnenenergie, die das
Lebewesen dadurch aufnimmt (und alle Lebewesen ernähren sich in
letzter Konsequenz vom Sonnenlicht, das ursprünglich durch die
Pflanzenwelt eingefangen wird), sondern vorallem sind es die besagten
kosmischen Rhythmen, die regelnd, und dadurch formbildend, auf die
Lebensprozesse einwirken, wobei die übertragene Energiemenge ganz
marginal sein kann.
Das lebendige
kosmische Licht selbst ist nichtstofflicher Natur. Rudolf
Steiner hat dafür den Ausdruck "ätherische Bildekräfte"
geprägt, wobei man nicht an den alten Ätherbegriff der klassischen
Physik denken darf, sondern vorallem den hier angesprochenen
kosmischen Bezug ins Auge fassen muß. Diese nichtstofflichen
Bildekräfte können von den geeigneten Stoffen, die den Organismus
aufbauen, aufgenommen werden. Die Eigenart der irdischen Stoffe wird
dadurch zurückgedrängt, sie öffnen sich den gestaltbildenden
Rhythmen und lassen sich ihnen gemäß durchformen. Das ist eben
charakteristisch etwa für die Eiweißsubstanzen, daß sich hier nicht
ihre stoffliche Eigengestalt in den Vordergrund schiebt, sondern daß
sie sich vielfältig durch die ätherischen Bildekräfte plastizieren
lassen. Jede Pflanze, jedes Tier und jeder Mensch trägt einen solchen
"ätherischen Lichtleib" in sich, den man zurecht als einen
gegenüber dem stofflichen Körper eigenständigen "Ätherleib"
bezeichnen darf.
Nun sind allerdings
auch die bildsamsten Erdenstoffe doch nicht so weit plastizierbar,
daß sie alle kosmischen Bildekräfte in gleichem Maß aufnehmen
können. Wäre das der Fall, dann würde sich das irdische Leben in
einer einzigen umfassenden pflanzenartigen Wachstumsform darleben.
Goethe hat in seiner Metamorphosenlehre davon etwas geahnt, als er von
der Urpflanze sprach, und ihm wurde auch bald klar, daß diese niemals
stofflich erscheinen kann. Tatsächlich liegt die Urpflanze als rein
ätherisches Gebilde allen Pflanzen zugrunde, aber jede einzelne
irdische Pflanze kann immer nur einen geringen Teil ihres ganzen
Gestaltungspotentials einseitig verwirklichen, wodurch erst die
tausendfältig gestaltete irdische Pflanzenwelt entsteht. Überhaupt
wurden erst im Laufe einer langen Erdenevolution die irdischen Stoffe
durch die ätherischen Bildekräfte so umgeformt, daß sie immer
reichere Gestaltungsmöglichkeiten zuließen. So konnten nach und nach
aus den ersten primitiven Flechten und Farnen allmählich die viel
komplexer gestalteten Blütenpflanzen entstehen. Die Geschichte dieser
Entwicklung spiegelt sich heute in der genetischen Grundlage der
irdischen Lebewesen wider. Die Gene können also die lebendige Gestalt
nicht erklären, aber sie sind ein Abbild der lebendigen Formprozesse,
die auf sie eingewirkt haben.
Die Urpflanze im Sinne
Goethes kann nicht unmittelbar mit den äußeren Sinnen wahrgenommen
werden, aber sie zeigt sich dem verständigen Blick als in jeder
Pflanze auf spezifische Weise tätige Gestaltungskraft, die jeder
Pflanze ihren arttypischen Charakter verleiht. Hinter dem, was wir
gewöhnlich nur als abstrakten Gattungsbegriff auffassen, steht in
Wahrheit jeweils eine solche typische ätherische
Bildekräftetätigkeit. Davon war auch Goethe überzeugt, und er
meinte auch, diese Urpflanze unmittelbar wahrnehmen zu können -
allerdings nicht mit äußeren Augen, sondern im inneren Erleben, das
sich nur an der äußeren Betrachtung der Pflanzenwelt
entzündet. Eine solche Wahrnehmung der ätherischen Bildekräfte ist
tatsächlich möglich, nur muß sich dann unser bloßes abstraktes
Denken zu dem steigern, was Goethe "Anschauende
Urteilskraft" nannte. Dann wird nämlich ein genügender Teil
unseres Ätherleibs, d.h. unseres inneren Lichtleibes, von seiner den
Körper bildenden und regenerierenden Tätigkeit befreit und stellt
sich nun in inneren seelischen Bildern dar. Tatsächlich beruht alles
innere Seelenleben darauf, daß Ätherkräfte sich von der
Stoffumbildung abwenden und Seelisches zu durchformen beginnen. Im
normalen alltäglichen Bewußtsein wird aber nur ein ganz schwacher
Schatten dieser Tätigkeit erfahren, der sich namentlich in unserem
abstrakten Denken zeigt. Daß hinter dem abstrakten Denken eine viel
lebendigere, bildhaftere und wirklichkeitsgesättigtere Kraft wirkt,
hat etwa auch der österreichische Physiker und Nobelpreisträger
Wolfgang Pauli erkannt, wenn er schreibt:
"Wenn
man die vorbewusste Stufe der Begriffe analysiert, findet man immer
Vorstellungen, die aus «symbolischen» Bildern mit im allgemeinen
starkem emotionalen Gehalt bestehen. Die Vorstufe des Denkens ist ein
malendes Schauen dieser inneren Bilder, deren Ursprung nicht allgemein
und nicht in erster Linie auf Sinneswahrnehmungen ... zurückgeführt
werden kann ....
Die
archaische Einstellung ist aber auch die notwendige Voraussetzung und
die Quelle der wissenschaftlichen Einstellung. Zu einer vollständigen
Erkenntnis gehört auch diejenige der Bilder, aus denen die rationalen
Begriffe gewachsen sind. ... Das Ordnende und Regulierende muss
jenseits der Unterscheidung von «physisch» und «psychisch»
gestellt werden - so wie Plato's «Ideen» etwas von Begriffen und
auch etwas von «Naturkräften» haben (sie erzeugen von sich aus
Wirkungen). Ich bin sehr dafür, dieses «0rdnende und Regulierende»
«Archetypen» zu nennen; es wäre aber dann unzulässig, diese als
psychische Inhalte zu definieren. Vielmehr sind die erwähnten
inneren Bilder («Dominanten des kollektiven Unbewussten» nach
Jung) die psychische Manifestation der Archetypen, die aber auch
alles Naturgesetzliche im Verhalten der Körperwelt hervorbringen,
erzeugen, bedingen müssten. Die Naturgesetze der Körperwelt
wären dann die physikalische Manifestation der Archetypen. ... Es
sollte dann jedes Naturgesetz eine Entsprechung innen haben und
umgekehrt, wenn man auch heute das nicht immer unmittelbar sehen
kann." (1)
Trieb und Empfindung
Sehr deutlich
wird hier darauf hingewiesen, daß hinter unserem bewußten Erleben
eine reale Kraft steht, die in ähnlicher Art auch draußen in der
Natur tätig ist, und die Voraussetzung dafür, daß sie bewußt
erlebt werden kann, wird, wie beschrieben, dadurch geschaffen, daß
sie sich von der Körperbildung ab- und der Seelenbildung zuwendet.
Damit hier kein Mißverständnis aufkommt, muß aber sogleich betont
werden, daß sich das seelisch Erleben alleine daraus nicht ableiten
läßt. So wie die ätherische Bildekräftetätigkeit im äußeren
sinnlichen Abglanz sich zeigt, wenn sie geeignet gestaltbare physische
Stoffe ergreift, so kann sie innerlich seelische nur wahrnehmbar
werden, wenn sie eine entsprechende gleichsam "innere"
Seelensubstanz durchformt (der Ausdruck "Substanz" darf
dabei aber natürlich nicht äußerlich räumlich-stofflich aufgefaßt
werden). Rudolf Steiner gebraucht für diese verinnerlichte
Seelensubstanz aus hier nicht näher zu erörternden Gründen, die
aber jedenfalls auf einen sehr starken kosmischen Bezug verweisen, den
Ausdruck "Astralleib".
Der Pflanze mangelt eine solche innere tätige Seelensubstanz, sie hat
keinen eigenständigen Astralleib; daher ist sie auch einer bewußten
Empfindung nicht fähig. Tatsächlich kann sich ein Organismus erst
mit einer derartigen Seelensubstanz durchdringen, wenn die rein
ätherische Bildekräftetätigkeit sich genügend von der bloßen
Gestaltung des physischen Körpers gelöst hat. Bei den Tieren ist das
bereits der Fall. Sehr deutlich werden gerade jene Organe zu
Werkzeugen des Seelenlebens, aus denen sich die reine Lebenstätigkeit
sehr weitgehend zurückgezogen hat, wie sich das ganz besonders im
Nervensystem und in den Sinnesorganen zeigt. Die Sinnesorgane, wie
beispielsweise das Auge, sind schon sehr nahe daran, bloße
physikalische Apparate zu sein, und die Nerven zeigen schon in ihrer
ganzen anatomischen Struktur und ihrer mangelnden
Regenerationsfähigkeit, wie sehr sich das Leben aus ihnen
zurückgezogen hat. Jeder Bewußtseinsprozeß beruht darauf, daß die
tätige Lebenskraft aus ihrer organischen Tätigkeit zumindest
kurzfristig herausgerissen wird und dadurch mit der Seelensubstanz in
Wechselwirkung treten kann. Jeder Nervenimpuls bedeutet eigentlich
einen Zerstörungsimpuls, der sich für einen kurzen Augenblick längs
der Nervenbahn ausbreitet. Steigert sich dieser Prozeß über das
gewohnte Maß, entsteht Schmerz. Alles Bewußtsein ist derart aus
Schmerzen geboren; im Alltagsbewußtsein sind sie nur auf ein
erträgliches Maß gedämpft, aber letztlich ist jede
Sinneswahrnehmung oder jeder Gedanke, der unsere Seele erhellt, ein
durch den Organismus durchzuckender leiser Schmerz.
Damit ist aber auch ein
erhellendes Licht auf das Wesen von Krankheit und Gesundheit geworfen.
Denn damit ist nicht weniger gesagt, als daß das Bewußtsein
grundsätzlich und notwendig Zerstörungsprozesse, d.h. aber
Krankheitsprozesse in den Organismus hineinträgt. Das heißt nicht,
daß Pflanzen, die ja über eine solche innere Seelensubstanz nicht
verfügen, niemals erkranken könnten. Selbstverständlich kann auch
das Pflanzenleben beeinträchtigt werden, aber das ist dann immer auf
äußere Ursachen, wie etwa schlechte Wachstumsbedingungen oder
Schädlingsbefall, zurückzuführen. Bei Tier und Mensch kommen dazu
noch die hier viel wesentlicheren inneren Ursachen, die aus dem
bewußten Seelenleben resultieren. Darüber war man sich in alten
Zeiten durchaus viel klarer als heute, und die alten Heilmethoden
waren vielfach das, was wir heute als psychosomatische Behandlung
bezeichnen würden.
Das menschliche "Ich"
Wo Leben sich
entfalten soll, müssen die rein physisch-stofflichen Prozesse
zurückgedrängt werden. Soll Bewußtsein entstehen, das sich im
Tierreich durch Trieb und Empfindung äußert, muß seinerseits die
rein vegetabile Lebenskraft eingeschränkt werden. Das setzt sich
entsprechend fort, wenn aus dem bloßen Bewußtsein, über das auch
die Tiere verfügen, das menschliche Selbstbewußtsein entstehen soll,
das den Tieren noch mangelt. Nur wenn der tierische Trieb und die
Empfindung, die beim Tier viel größer ist als beim Menschen (man
denke nur an den eine Million mal stärkeren Geruchssinn des Hundes),
gedämpft wird, kann unser Selbstbewußtsein entstehen. Das Tier kann
nur dadurch zum Tier werden, daß es die Pflanze in sich überwindet.
Der Mensch wird nur dann Mensch, wenn er Herr über das Tier in sich
wird. Je mehr ihm das gelingt, desto deutlicher tritt sein
eigentlicher geistiger Wesenskern, das menschliche "Ich",
hervor.
Wir blicken so auf die
bekannte Stufenfolge der Naturreiche und erkennen, daß die jeweils
höhere Stufe nur dadurch errungen werden kann, daß die
darunterliegende einerseits bewahrt, aber anderseits auch in ihrer
Eigenart zurückgedrängt wird. Die Pflanze trägt auch das Mineral in
sich, überwindet aber weitgehend dessen Eigengesetzlichkeit. Das Tier
trägt sowohl das Mineral als auch die Pflanze in sich, drängt aber
beider Eigenschaften zurück. Der Mensch schließlich hat darüber
hinaus auch noch das Tier in sich, das er aber im Zaum halten muß.
Gesund ist der menschliche Organismus dann, wenn Mineral, Pflanze und
Tier in ihm im rechten Verhältnis zueinander und zum menschlichen
Ich, das der Träger des Selbstbewußtsein ist, stehen. Wird dieser
harmonische Zusammenhang irgendwie gestört, können daraus
Krankheitsprozesse resultieren.
Von den hier
angesprochenen vier grundlegenden Wesensgliedern des Menschen
kennt die moderne Medizin nur das unterste einigermaßen, nämlich den
physischen, stofflichen Leib. Eine erweiterte Heilkunde muß auch den
Ätherleib, den Astralleib und das menschliche Ich berücksichtigen.
Dem «Ich» kommt dabei eine ganz besondere Bedeutung zu, den dieses
allein unterscheidet den Menschen grundsätzlich von allen
äußeren Naturreichen und gibt seinem Leben das spezifisch
menschliche Gepräge.
Mineral |
Toter Stoff |
Physischer Leib |
Pflanze |
Lebendige
Verwandlung |
Ätherleib |
Tier |
Trieb und
Empfindung |
Astralleib |
Mensch |
Selbstbewußtsein |
Ich |
Wie Krankheiten
entstehen
Von zwei Seiten her
kann die harmonische Lebenstätigkeit des Organismus beeinträchtigt
werden: durch äußere physische und ätherische Einflüsse, wie sie
etwa durch Verletzungen oder Vergiftungen entstehen, und durch innere
Ursachen, die letztlich aus der seelisch-geistigen Konstitution des
Menschen entspringen. Dazwischen gibt es allerdings alle möglichen
Übergangsfälle, und meistens spielen beide Faktoren zugleich eine
Rolle, wenn der Mensch erkrankt; dennoch kann uns diese prinzipielle
Unterscheidung ein nützlicher Wegweiser sein, wenn wir verstehen
wollen wie Krankheiten zustande kommen.
Nehmen wir das Beispiel
einer Infektionserkrankung. Diese scheint primär auf äußere
Ursachen zurückzuführen zu sein, indem der menschliche Organismus
von bestimmten Bakterien oder Viren befallen wird. Wären sie nicht
da, würde die Infektionskrankheit nicht entstehen. Zurecht wird man
daher nach geeigneten hygienischen Maßnahmen suchen, welche die
Ansteckungsgefahr verringern. Keineswegs ist aber, wie die Erfahrung
sehr deutlich zeigt, der Umkehrschluß zulässig, daß der Mensch in
einer bakterien- oder virenverseuchten Umgebung notwendig erkranken
müßte. Ob der Mensch schlußendlich erkrankt, hängt bekanntlich
wesentlich davon ab, welche Abwehrkräfte er der Infektion
entgegensetzen kann. Den von außen eindringenden Krankheitserregern
tritt das innere Immunsystem, in dem sich die ätherischen Kräfte des
Menschen als besonders wirksam erweisen, entgegen, und nur dann, wenn
sich dieses Immunsystem als zu schwach erweist, erkrankt der
Organismus. Tatsächlich wird das Immunsystem um so stärker, je mehr
es sich erfolgreich gegen äußere Infektionen wehrt. Dieses Prinzip
wird ja bei der aktiven Schutzimpfung ausgenützt, wo der
Organismus gezielt einer leichten Infektion ausgesetzt wird, damit er
entsprechende Immunkräfte entwickelt. Übertriebene Hygiene,
die uns vor jeder möglichen Ansteckung abschirmen will, schwächt
hingegen unsere Abwehrkräfte. Wie stark oder schwach unser
Immunsystem ist, hängt also sehr wesentlich von unserem bisherigen
Lebenslauf ab, insoferne sich unser Organismus dabei mit den
verschiedensten Krankheitserregern auseinandersetzen mußte.
Die Impftherapie wird
gerne geradezu als Flaggschiff der modernen Medizin gepriesen.
Inwieweit sie eine durchaus berechtigte Grundlage hat, haben wir
angedeutet. Sie ist aber dennoch eine sehr zweischneidige Sache, weil
wir es dabei stets mit einer Gradwanderung zu tun haben. Die
künstlich herbeigeführte Infektion kann zwar grundsätzlich das
Immunsystem stärken, sie kann aber auch zu einer wirklichen
Erkrankung führen - und das kommt gar nicht so selten vor. Wie der
Mensch auf die Impfung reagiert, hängt eben sehr stark von seiner
immunologischen Vorgeschichte ab, und die ist individuell sehr
verschieden. Schutzimpfungen ohne entsprechendes Immunscreening zu
verabreichen, ist eigentlich ziemlich verantwortungslos, wird aber
doch aus Kosten- und Zeitgründen meist verabsäumt.
Die Geschichte geht
aber noch weiter, indem das Immunsystem ganz wesentlich durch die
seelisch-geistige Verfassung beeinflußt wird. Jede negative
emotionale Stimmung, und ganz besonders die panische Angst vor
Ansteckungen, schwächt die Abwehrkräfte, während eine positive
Einstellung und ein gesundes Selbstvertrauen sie beträchtlich
fördern kann. Darauf weist uns ja die Legende des "Augustin in
der Pestgrube" hin. Mittlerweile beginnt sich ja bereits eine
interdisziplinäre Forschungsrichtung herauszukristallisieren, die den
klingenden Namen "Psychoneuroimmunologie" trägt, in welcher
derartige psychosomatische Abhängigkeiten gezielt untersucht werden
sollen.
"Ständig
bedroht eine riesige Anzahl von mikrobiellen Erregern (Bakterien,
Viren, Protozoen und Pilzen) den Menschen. Da die bei 37°C
gespeicherten Eiweiße, Fette und Zucker des Körpers einen optimalen
Lebensraum für Erreger darstellen, bemühen sie sich, die Barrieren
zu durchdringen, die den Körper von der Umwelt trennen. Dazu zählen
die Haut (ca. 2 m2) und die großen Oberflächen des
Atemtrakts (ca. 150 m2) und des Verdauungstrakts (ca. 300 m2).
Eine Aufgabe des Immunsystems ist es, die Integrität des Körpers
gegen alle angeführten Eindringlinge zu gewährleisten. Eine andere
Aufgabe besteht darin, körpereigene Zellen zu überwachen, um
frühzeitig eine Entartung zu bemerken und die Entstehung von Krebs zu
verhindern. Das Immunsystem hat aber nicht nur positive Aspekte. Kommt
es zu überschießenden Reaktionen, so können Allergien oder
Autoimmunerkrankungen entstehen. Außerdem werden transplantierte
Zellen und Organe als fremd erkannt und abgestoßen. Deshalb müssen
die einzelnen Phasen einer Immunantwort sorgfältig reguliert werden.
In den letzten Jahren wurde immer klarer, daß an dieser Regulation
neben dem Immunsystem auch andere Organsysteme beteiligt sind. Viele
offene Fragen, deren Beantwortung für die Gesundheit vieler Menschen
von großer Bedeutung ist, werden wahrscheinlich nur dann gelöst
werden können, wenn sie fachübergreifend (z.B. Endokrinologie,
Immunologie, Neurologie, Psychologie) in Angriff genommen werden. Dazu
ist es notwendig, daß den Beteiligten jeweils die Grundlagen der
anderen Disziplinen in großen Linien bekannt sind."
(2)
Sehr deutlich sehen wir
an diesem Beispiel der Infektionskrankheiten, wie hier äußere
physisch-ätherische und innere seelisch-geistige Faktoren
zusammenspielen, die einerseits die Krankheit auslösen, anderseits
aber auch zu ihrer Heilung beitragen können.
Die funktionelle
Dreigliederung des Organismus
Alle Erkrankungen
wurzeln zuletzt, wenn wir dabei zunächst von äußeren Verletzungen
oder Vergiftungen absehen, die wir nicht als eigentliche Erkrankungen
auffassen können, in der seelisch-geistigen Verfassung des Menschen. Jede
Körpererkrankung beginnt als seelische Verstimmung, die sich dann
mehr und mehr in den ätherischen Lebensprozessen zeigt und endlich
auch, oft erst nach vielen Jahren, im äußeren physisch-körperlichen
Geschehen manifestiert. Die medizinische Behandlung berücksichtigt
heute zumeist nur diese letzte Stufe des Krankheitsgeschehens. Eine
umfassende, erweiterte Heilkunst wird vorallem auch diese wesentlichen
Vorstufen berücksichtigen müssen. Dazu müssen wir konkret verstehen
lernen, wie Seele und Geist mit dem belebten Körper interagieren. Das
geschieht ganz unterschiedlich in den verschiedenen Organsystemen.
Rudolf Steiner hat uns diesbezüglich auf eine sehr deutliche
Dreigliederung des menschlichen Organismus hingewiesen.
Das
Nerven-Sinnessystem, das zwar den ganzen Körper durchzieht, aber doch
sein hauptsächliches Zentrum im Kopf hat, bietet uns die eigentliche
Grundlage für unser waches Tagesbewußtsein. Dieses Tagesbewußtsein
ist vorwiegend von Sinneswahrnehmungen und sich daran anknüpfenden
Gedanken erfüllt. Wohl spielen auch immer wieder Gefühle in dieses
wache Tagesbewußtsein hinein, aber ihr primäres organisches Werkzeug
ist weniger der Kopf als vielmehr das Atmungs- und Kreislaufsystem,
das wir hier zufassend als Rhythmisches System bezeichnen wollen. Sehr
leicht kann einem auffallen, daß jede noch so kleinste
Beeinträchtigung der Atmung sofort beklemmende Angstgefühle
hervorruft, wie sich auch umgekehrt jedes Gefühl gleich darin
äußert, daß sich zumindest ganz leise die Atem- oder Pulsfrequenz
ändert. Unsere Gefühle erleben wir dabei niemals so klar und wach
wie das, was wir sinnlich wahrnehmen oder denken. Im Gefühl träumen
wir eigentlich beständig, und daß unsere Träume heute meist sehr
chaotisch und skurril erscheinen, liegt daran, daß ihnen die Logik
des wachen Denkens weitgehend mangelt. Die hat ihre organische Basis
eben nicht im Rhythmischen System, sondern im Nerven-Sinnessystem. Der
Wille schließlich stützt sich auf das Stoffwechsel- und
Gliedmaßensystem und wird von uns gar nicht bewußt erlebt. Wohl
haben wir, wenn wir etwas wollen, eine entsprechende Vorstellung
im Bewußtsein, aber wie der eigentliche Wille selbst tätig unsere
Gliedmaßen ergreift, verschlafen wir eben so vollständig wie die
Lebenstätigkeit unserer Unterleibsorgane, die die nötigen
organischen Kräfte aufbringen, damit der Wille im physischen Leib
regsam werden kann. Eine leises Bewußtsein taucht hier eigentlich nur
dann auf, wenn die normale gesunde Tätigkeit irgendwie gehemmt wird -
und das empfinden wir dann als mehr oder weniger undifferenzierten
Schmerz. Im Grunde ertragen wir es gar nicht, in den Willensorganen
bewußt zu erwachen.
Organsystem
|
Bewußtseinsgrad
|
Seelentätigkeit
|
Nerven-Sinnessystem |
Wachen |
Denken und
Sinneswahrnehmung |
Rhythmisches
System |
Träumen |
Fühlen |
Stoffwechselgliedmaßen-System |
Schlafen |
Wollen |
Damit zeichnet sich
aber zugleich eine polarische Struktur des Menschenwesens ab. Der Kopf
mit dem Nerven-Sinnessystem ist das eigentliche Bewußtseinszentrum,
während aus den Stoffwechselorganen die Lebenskräfte quellen. Das
Rhythmische System vermittelt zwischen beiden.
Leben und Bewußtsein
sind einander entgegengesetzt, und wo immer Kräfte aus dem einen
Bereich zu sehr in den anderen übertreten, wird der gesunde
Lebensfluß gestört. Aus dem Nervensystem strahlen eigentlich
beständig, wie wir schon gesehen haben, zerstörerische Kräfte aus,
die die Lebenstätigkeit hemmen. Aus der Stoffwechselregion steigt
überschäumendes Leben auf, das immer dazu neigt, einen geradezu
pflanzenhaft wuchernden Charakter anzunehmen. Nur im richtigen
Gleichgewicht beider Kräfte kann sich der menschliche Organismus
gesund erhalten, und dafür sorgt vorallem das Rhythmische System und
das sich darauf stützende Gefühlsleben. Alles, was hier nicht in
Ordnung ist, kann sich später in Erkrankungen manifestieren. Ein
ausgeglichenes Gefühlsleben und ein harmonisch geregelter Atem- und
Pulsrhythmus tragen hingegen wesentlich zu einem gesunden Leben bei.
Und das ist etwas, was wir uns gar nicht so selbstverständlich in
unser Leben mitbringen, sondern uns erst nach und nach aktiv erwerben
müssen. Das heranwachsende Kind lernt erst allmählich, seinen
anfangs noch ganz unregelmäßigen Atem zu regulieren, und erst in der
Zeit vom Zahnwechsel bis zur Geschlechtsreife ist das Rhythmische
System wirklich durchharmonisiert - und das ist im allgemeinen auch
die allergesündeste Phase des menschlichen Lebens. Schon mit der
Pubertät wird hier wieder einige Unruhe hineingebracht, die sich auch
in einem entsprechend chaotischem Gefühlsleben äußert, und im
Grunde laufen wir das ganze restliche Leben jener Harmonie nach, die
uns im Pflichtschulalter natürlicherweise gegeben wurde. Wird in
diesem Lebensalter die naturgegebene Harmonie gewaltsam gestört, etwa
durch einen fehlgeleiteten Unterricht, so liegt darin eine nicht zu
unterschätzende Quelle für spätere Erkrankungen. Hier liegt auch
die große Bedeutung der unterstützenden Kunsttherapie, sei es nun
der Maltherapie, Musiktherapie, Sprachgestaltung oder Heileurythmie -
denn dadurch wird, richtig angewendet, das Gefühlsleben, und damit
auch der Atem- und Pulsrhythmus, harmonisiert und so die eigentlichste
Krankheitsursache beseitigt. Natürlichen müssen daneben durch
weitere therapeutische Maßnahmen die Folgeschäden ausgeglichen
werden, die mittlerweile schon entstanden sind.
Gentechnik und
Transplantationsmedizin
Wenn wir uns die
polarische Struktur des menschlichen Organismus vergegenwärtigen,
kann uns noch etwas auffallen, was entscheiden für die Beurteilung
der modernen Gentechnik und Transplantationsmedizin ist. Dazu muß uns
zuerst klar sein: Der Mensch ist dadurch Mensch, daß er eine
unverwechselbare geistige Individualität ist. Das menschliche «Ich»
hebt ihn über das Tierreich hinaus. Es kann entsprechend für die
Humanmedizin nicht genügen, den Menschen als bloßes Gattungswesen
aufzufassen, sondern sie muß seiner ganz spezifischen Individualität
gerecht werden; das gilt auch dort, wo sie "nur" den
physischen Körper des Menschen behandelt. Denn auch diesem sind sehr
deutlich die Spuren der geistigen Individualität eingegraben, und
jeder Zustand ist ungesund und seelisch belastend, bei dem sich das
geistige Wesen des Menschen nicht genügend in seiner physischen
Hülle offenbaren und ausleben kann. Das geistige Individuum braucht
auch einen entsprechend individuell geprägten physischen Körper, um
sein Leben befriedigend entfalten zu können.
Allerdings ist diese
individuelle Gestaltung an den beiden angesprochenen Polen des
menschlichen Leibes in durchaus unterschiedlichen Graden gegeben. Am
deutlichsten und auffälligsten ist der Kopf und das darin beheimatete
Nerven-Sinnessystem individuell geprägt. Einen bestimmten Menschen
erkennen wir zuallererst an seinem unverwechselbaren Gesicht und
weniger an seinem Bauch oder an seinen Füßen, obwohl auch diese die
Spuren der Individualität nicht verleugnen können, aber sie sind
hier doch wesentlich unauffälliger. Das Stoffwechselsystem hat
demgegenüber einen viel allgemeiner menschlichen Charakter.
Bei der Transplantation
werden Organe aus einem individuell gearteten Organismus entnommen und
in einen ganz anders geprägten übertragen, in den sie eigentlich gar
nicht hineinpassen. Das geht überhaupt nur, wenn das Immunsystem, das
das fremde Organ sofort vernichten würde, künstlich ausgeschaltet
wird. Das dadurch alleine schon ein beträchtliches Infektionsrisiko
entsteht, ist die eine Seite. Die andere ist, daß der Mensch nun mit
einem Organ leben muß, das gar nicht zu seiner Individualität paßt.
Damit ist aber von vorneherein eine unüberbrückbare Disharmonie
geschaffen, die zuerst das seelische Gleichgewicht stört, und in der
Folge auch zu Erkrankungen führen kann. Diese Disharmonie ist um so
kritischer, je individueller die entsprechenden Organe geprägt sind.
Die Transplantation von Unterleibsorganen, etwa eine
Nierentransplantation, wird deshalb weniger problematisch sein als
eine Herztransplantation, die sehr entscheiden in das Rhythmische
System eingreift. Tatsächlich wird nach Herztransplantationen sehr
häufig von beträchtlichen Persönlichkeitsveränderungen gesprochen.
Das heißt natürlich nicht, daß durch die Operation das geistige Ich
selbst verändert wird; wohl aber verändert sich die Art, wie es sich
durch seinen Organismus offenbaren kann - und das macht ja gerade das
Wesen der Persönlichkeit und den Unterschied zur geistigen
Individualität aus, daß die "Per-sona" die Art und Weise
darstellt, wie sich die rein geistige, nur übersinnliche wahrnehmbare
Individualität im äußeren Dasein widerspiegelt. Wie es sich
diesbezüglich mit einer durchaus im Bereich des medizinisch-technisch
Möglichen liegenden "Kopftransplantation" verhält, wollen
wir uns hier nicht weiter ausmalen, obwohl sie von einzelnen
Medizinern, etwa Dr. Robert J. White (3), durchaus ernsthaft angestrebt
wird.
Auch durch die
Gentherapie wird der physische Körper der geistigen Individualität
entfremdet, wobei hier letztlich nicht nur ein einzelnes Organ,
sondern der ganze Organismus betroffen ist. Das kann bedeutende Folgen
für die Entwicklung des individuellen Ichs haben. Denn das
Selbstbewußtsein, das Ichbewußtsein, entsteht dadurch, daß sich
gewissermaßen das rein geistige Ich im Spiegel seines physischen
Leibes gewahr wird. Durch die Gentherapie wird dieser Spiegel verzerrt
und liefert nicht mehr ein wahres Abbild der eigenen geistigen
Identität. Namentlich kann dadurch das Bewußtsein dafür, ein geistiges
Wesen zu sein, wesentlich beeinträchtigt werden.
Letztlich muß es in
der Entscheidungsfreiheit jedes einzelnen Menschen liegen, ob er sich
derartigen medizinisch machbaren Eingriffen aussetzen will.
Sich frei darüber zu entscheiden, wird nur möglich sein, wenn
man alle Faktoren kennt, die dabei eine Rolle spielen. Die Richtung
anzudeuten, in der diese Faktoren zu suchen sind, war Aufgabe dieses
Vortrages.
Literatur
-
H. Atmanspacher, H.
Primas, E. Wertenschlag-Birkhäuser (Hrsg.), Der Pauli-Jung-Dialog,
Springer Verlag, Berlin Heidelberg 1995, S 219
-
Manfred Schedlowski, Uwe Tewes (Hrsg.),
Psychoneuroimmunologie, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg
Berlin Oxford 1996, S 4
-
vgl. etwa "Extremmedizin - Köpfe vertauschen", in
Info 3, Oktober 2000, http://www.info3.de/archiv/info3/Artikel/2000-10/1000white.html
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