1904-1914
|
Die
symbolisch-kultische
Abteilung der Anthroposophischen Bewegung
Nicht eigentlich in den Rahmen
dieser Darstellung gehört eine Einrichtung, die innerhalb der
Anthroposophischen Gesellschaft so entstanden ist, daß dabei
an einen Zusammenhang mit der Öffentlichkeit gar nicht
gedacht worden ist. Sie soll nun doch charakterisiert werden,
weil auch von ihr her der Inhalt zu Angriffen auf mich
genommen worden ist.
John Yarker und die
Hochgrad-Freimaurerei
Einige Jahre nach dem Beginne
der Tätigkeit in der Theosophischen Gesellschaft trug man von
einer gewissen Seite her Marie von Sivers und mir die Leitung
einer Gesellschaft von der Art an, wie sie sich erhalten haben
mit Bewahrung der alten Symbolik und der kultischen
Veranstaltungen, in welchen die «alte Weisheit» verkörpert
war. Ich dachte nicht im entferntesten daran, irgendwie im
Sinne einer solchen Gesellschaft zu wirken. Alles
Anthroposophische sollte und mußte aus seinem eigenen
Erkenntnis- und Wahrheitsquell hervorgehen. Von dieser
Zielsetzung sollte um das Kleinste nicht abgegangen werden.
Aber ich hatte immer Achtung vor dem historisch Gegebenen. In
ihm lebt der Geist, der sich im Menschheitswerden entwickelt.
Und so war ich auch dafür, daß, wenn irgend möglich,
Neu-Entstehendes an historisch Vorhandenes anknüpfe. Ich nahm
daher das Diplom der angedeuteten Gesellschaft, die in der von
Yarker vertretenen Strömung lag. Sie hatte die
freimaurerischen Formen der sogenannten Hochgrade. Ich nahm
nichts, aber auch wirklich gar nichts aus dieser Gesellschaft
mit als die rein formelle Berechtigung, in historischer
Anknüpfung selbst eine symbolisch-kultische Betätigung
einzurichten.
Die alten
Traditionen werden gebrochen
Alles was in den «Handlungen»
inhaltlich dargestellt wurde, die innerhalb der von mir
gemachten Einrichtung gepflogen wurden, war ohne
historische Anlehnung an irgend eine Tradition. Im Besitze
der formellen Diplomierung wurde nur solches gepflegt,
das sich als Verbildlichung der anthroposophischen Erkenntnis
ergab. Und getan ist dies worden aus dem Bedürfnis der
Mitgliedschaft heraus. Man strebte neben der Verarbeitung der
Ideen, in die gehüllt die Geist-Erkenntnis gegeben wurde,
etwas an, das unmittelbar zur Anschauung, zum Gemüt spricht.
Und solchen Forderungen wollte ich entgegenkommen. Hätte sich
das Angebot von Seite der angedeuteten Gesellschaft nicht
eingestellt, so hätte ich die Einrichtung einer
symbolisch-kultischen Betätigung ohne historische Anknüpfung
getroffen.
Aber eine
«Geheimgesellschaft» war damit nicht geschaffen. Wer
an die Einrichtung herantrat, dem wurde in der
allerdeutlichsten Weise gesagt, daß er keinem Orden beitrete,
sondern daß er als Teilnehmer von zeremoniellen Handlungen
eine Art Versinnlichung, Demonstration der geistigen
Erkenntnisse erleben werde. Wenn einiges in den Formen
verlief, in denen in hergebrachten Orden Mitglieder
aufgenommen oder in höhere Grade befördert wurden, so hatte
auch das nicht den Sinn, einen solchen Orden zu führen,
sondern eben nur den, geistiges Aufsteigen in
Seelen-Erlebnissen durch sinnliche Bilder zu veranschaulichen.
Daß es sich dabei nicht um die
Betätigung in irgend einem bestehenden Orden, oder um
Übermittelung von Dingen handelte, die in solchen Orden
übermittelt wurden, dafür ist ein Beweis der, daß an den
von mir eingerichteten zeremoniellen Handlungen Mitglieder der
verschiedensten Ordensströmungen teilnahmen und in ihnen eben
ganz anderes fanden als in ihren Orden.
Einmal kam eine
Persönlichkeit, die zum erstenmal eine Handlung bei uns
mitgemacht hatte, unmittelbar nach derselben zu mir. Diese
Persönlichkeit war in einem Orden hochgraduiert. Sie wollte,
unter dem Eindrucke des Miterlebten, mir ihre Ordens-Insignien
übertragen. Denn sie vermeinte, sie könne nun, nachdem sie
einen wirklichen Geist-Inhalt erlebt habe, weiter das im
Formellen Steckenbleibende nicht mehr mitmachen. Ich brachte
die Sache in Ordnung. Denn Anthroposophie darf keinen Menschen
aus den Lebenszusammenhängen, in denen er ist, herausreißen.
Sie soll zu diesen Zusammenhängen etwas hinzufügen, aber
nichts von ihnen nehmen. So blieb denn die betreffende
Persönlichkeit in ihrem Orden und machte im weiteren bei uns
die symbolischen Handlungen mit.
Es ist nur zu begreiflich, daß
im Bekanntwerden von Einrichtungen wie die geschilderte, sich
Mißverständnisse einstellen. Es gibt eben viele Menschen,
denen gerade die Äußerlichkeit des Hinzugehörens zu etwas
wichtiger erscheint als der Inhalt, der ihnen gegeben wird.
Und so wurde auch von manchen Teilnehmern von der Sache
gesprochen, als ob sie einem Orden angehörten. Sie verstanden
nicht zu unterscheiden, daß ihnen bei uns ohne
Ordenszusammenhang Dinge demonstriert wurden, die sonst
nur innerhalb von Ordenszusammenhängen gegeben wurden.
Es wurde bei uns eben auch auf
diesem Gebiete mit den alten Traditionen gebrochen. Es wurde
gearbeitet, wie man arbeiten muß, wenn man in ursprünglicher
Art den Geist-Inhalt erforscht aus den Bedingungen des
vollbesonnenen Seelen-Erlebens.
Daß man später in
Bescheinigungen, die von Marie von Sivers und mir bei der
Anknüpfung an die historische Yarker-Einrichtung
unterschrieben worden sind, hat die Ausgangspunkte für
allerlei Verleumdungen nehmen wollen, ist etwas, das, um
solche Verleumdungen zu schmieden, das Lächerliche mit der
Grimasse des Ernstes behandelt. Unsere Unterschriften waren
unter «Formeln» gegeben. Das Übliche war eingehalten
worden. Und während wir unsere Unterschriften gaben, sagte
ich mit aller Deutlichkeit: das alles ist Formalität, und die
Einrichtung, die ich veranlasse, wird nichts herübernehmen
von der Yarker-Einrichtung.
Es ist selbstverständlich
nachträglich leicht, Erwägungen darüber anzustellen,
wieviel «gescheiter» es doch gewesen wäre, nicht an
Einrichtungen anzuknüpfen, die sich später von den
Verleumdern mit gebrauchen ließen. Aber ich möchte, in aller
Bescheidenheit, bemerken, daß ich in dem Lebensalter, das
hier in Betracht kommt, noch zu den Leuten gehörte, die bei
ändern, mit denen sie zu tun hatten, Geradheit und nicht
Krummheit in den Wegen voraussetzten. An diesem Glauben an die
Menschen änderte auch das geistige Schauen nichts. Dieses
soll nicht dazu mißbraucht werden, die inneren Absichten der
Mitmenschen zu erforschen, wenn diese Erforschung nicht im
Verlangen der betreffenden Menschen selbst liegt. In andern
Fällen bleibt die Erforschung des Innern anderer Seelen etwas
dem Geist-Erkenner Verbotenes, wie die unberechtigte Öffnung
eines Briefes etwas Verbotenes bleibt. Und so steht man
Menschen, mit denen man zu tun hat, so gegenüber wie jeder
andere, der keine Geist-Erkenntnis hat. Aber es gibt eben den
Unterschied, den andern für geradlinig in seinen Absichten
zu nehmen, bis man das Gegenteil erfahren hat, oder der ganzen
Welt harmvoll gegenüberzustehen. Ein soziales Zusammenwirken
der Menschen ist bei der letztern Stimmung unmöglich, denn
ein solches kann sich nur auf Vertrauen, nicht auf
Mißtrauen aufbauen.
Diese Einrichtung, die in einer
Kult-Symbolik gab, was Geist-Inhalt ist, war für viele
Teilnehmer an der Anthroposophischen Gesellschaft eine
Wohltat. Da wie auf allen Gebieten des anthroposophischen
Wirkens auch auf diesem alles ausgeschlossen war, was aus dem
Rahmen des besonnenen Bewußtseins herausfiel, so konnte nicht
an unberechtigte Magie, an Suggestionswirkungen und
dergleichen gedacht werden. - Aber die Mitglieder bekamen das,
was auf der einen Seite zu ihrer Ideen-Auffassung sprach, auch
noch so, daß das Gemüt in unmittelbarer Anschauung mitgehen
konnte. Das war für viele etwas, das sie auch wieder in die
Ideengestaltung besser hineinführte. Mit dem Kriegsbeginn
hörte dann die Möglichkeit auf, in der Pflege solcher
Einrichtungen fortzufahren. Man hätte, trotzdem nichts von
einer Geheimgesellschaft vorlag, die Einrichtung für eine
solche genommen. Und so schlief diese symbolisch-kultische
Abteilung der Anthroposophischen Bewegung seit Mitte 1914 ein.
Daß aus dieser für jeden, der
die Sache mit gutem Willen und Wahrheitssinn ansieht, absolut
einwandfreien Einrichtung heraus solche Persönlichkeiten, die
daran teilgenommen haben, zu verleumderischen Anklägern
geworden sind, ist eine jener Abnormitäten im
Menschheits-Verhalten, die entstehen, wenn sich Menschen, die
doch innerlich nicht echt sind, an Bewegungen mit echtem
Geist-Inhalt heranmachen. Sie erwarten Dinge, die ihrem
Trivial-Seelenleben entsprechend sind, und indem sie solche
selbstverständlich nicht finden, wenden sie sich gegen die
Einrichtung, der sie sich - aber mit unbewußter
Unaufrichtigkeit — erst zugewendet haben.
Eine Gesellschaft wie die
Anthroposophische konnte nicht anders, als aus den
Seelenbedürfnissen ihrer Mitglieder heraus gestaltet werden.
Es konnte nicht ein abstraktes Programm geben, das da besagte:
in der Anthroposophischen Gesellschaft wird dies und das
getan, sondern es mußte aus der Wirklichkeit heraus
gearbeitet werden. Diese Wirklichkeit sind aber eben die
Seelenbedürfnisse der Mitglieder. Anthroposophie als
Lebensinhalt wurde aus ihren eigenen Quellen heraus gestaltet.
Sie war als geistige Schöpfung vor die Mitwelt getreten.
Viele von denen, die einen inneren Zug zu ihr hatten, suchten
mit ändern zusammenzuarbeiten. Dadurch ergab sich eine
Gestaltung der Gesellschaft aus Persönlichkeiten, von denen
die einen mehr Religiöses, andere Wissenschaftliches, andere
Künstlerisches suchten. Und was gesucht wurde, mußte
gefunden werden können.
Veröffentlichte
Schriften und Privatdrucke
Schon wegen dieses Arbeitens
aus der Wirklichkeit der Seelenbedürfnisse der Mitglieder,
müssen die Privatdrucke anders beurteilt werden, als das in
die volle Öffentlichkeit von Anfang an Gesandte. Als
mündliche, nicht zum Druck bestimmte Mitteilungen waren die
Inhalte dieser Drucke gemeint. Und, worüber gesprochen wurde,
war abgelauscht den im Laufe der Zeit auftretenden
Seelenbedürfnissen der Mitglieder.
Was in den veröffentlichten
Schriften steht, ist den Forderungen der Anthroposophie als
solcher entsprechend; an der Art, wie die Privatdrucke sich
entfalteten, hat im angedeuteten Sinne die Seelenkonfiguration
der ganzen Gesellschaft mitgearbeitet.
TB 636 (XXXVI.), S
335 ff
|