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Rudolf Steiner

Anthroposophische Leitsätze


DAS MICHAEL-CHRISTUS-ERLEBNIS DES MENSCHEN

Wer die von gründlicher Empfindung getragene innere Anschauung von Michaels Wesen und Taten in seine Gesinnung aufnehmen wird, dem wird das rechte Verständnis davon aufgehen, wie eine Welt von dem Menschen zu nehmen ist, die nicht göttlicher Wesenheit oder Offenbarung oder Wirksamkeit, sondern der Götter Werk ist. In diese Welt erkennend blicken, bedeutet Formen, Gestaltungen vor sich haben, die überall laut von dem Göttlichen sprechen; in denen aber selbstlebendes göttliches Sein nicht gefunden wird, wenn man sich keiner Illusion hingibt. Und man wird nicht bloß auf das Erkennen der Welt blicken dürfen. An diesem offenbart sich wohl die Konfiguration der Welt, die heute den Menschen umgibt, am deutlichsten. Wesentlicher für das alltägliche Leben ist aber das Fühlen, das Wollen, das Arbeiten in einer Welt, die in ihrer Gestaltung wohl als göttlich empfunden, aber nicht als göttlichbelebt erfahren werden kann. In diese Welt wirkliches sittliches Leben zu bringen, dazu sind die ethischen Impulse notwendig, die ich in der «Philosophie der Freiheit» gezeichnet habe.

In dieser Werk-Welt kann für den echt fühlenden Menschen Michaels Wesen und gegenwärtige Tatenwelt leuchten. Michael kommt als Erscheinung nicht in die physische Welt herein. Er hält sich mit all seinem Wirken innerhalb einer übersinnlichen Region, die aber unmittelbar an die physische Welt der gegenwärtigen Weltentwickelungsphase angrenzt. Dadurch kann nie die Möglichkeit eintreten, daß durch die Eindrücke, die Menschen vom Michaels-Wesen 

her erhalten, sie die Naturanschauung ins Phantastische führen oder das sittlich-praktische Leben in einer gottgestalteten, aber gottunbelebten Welt so bilden möchten, wie wenn Impulse da sein könnten, die nicht von dem Menschen selbst ethisch-geistig getragen sein müßten. Man wird stets, ob denkend oder wollend, durch ein Sich-Versetzen ins Geistige an Michael herankommen müssen.

Dadurch wird man in der folgenden Art geistig leben. Man wird Erkennen und Leben so hinnehmen, wie sie nun einmal seit dem fünfzehnten Jahrhundert hingenommen werden müssen. - Aber man wird sich an die Michael-Offenbarung halten; man wird diese Offenbarung als ein Licht in die Gedanken leuchten lassen, die man aus der Natur empfängt; man wird sie als Wärme im Herzen tragen, wenn man der göttlichen Werk-Welt gemäß leben muß. - Man wird sich dann nicht nur Beobachtung und Erleben der gegenwärtigen Welt, sondern auch dasjenige, was Michael vermittelt, einen vergangenen Weltzustand, vor Augen stellen, einen Weltzustand, den eben Michael durch sein Wesen und seine Taten in die Gegenwart hereinträgt.

Wäre es anders: wirkte Michael so, daß er seine Taten hereintrüge in die Welt, die der Mensch gegenwärtig als physische erkennen und erleben muß, so erführe der Mensch in der Gegenwart aus der Welt das, was in Wirklichkeit nicht in ihr ist, sondern war. Geschieht solches, dann führt dies illusorische Erfassen der Welt die Seele des Menschen aus der ihr angemessenen Wirklichkeit in eine andere, nämlich in eine luziferische.

Die Art, wie Michael das Vergangene im gegenwärtigen Menschenleben zur Wirksamkeit bringt, ist die im Sinne des rechten geistigen Weltenfortschritts gehaltene, die nichts Luziferisches enthält. Es ist wichtig, daß in der Auffassung der Menschenseele eine rechte Vorstellung davon lebe, wie in Michaels Mission alles Luziferische vermieden wird.

Diese Stellung zu dem in der Menschheitsgeschichte aufgehenden Michaels-Lichte haben, heißt auch den rechten Weg zu Christus finden können.

Michael wird die rechte Orientierung geben, wenn es sich um die Welt handelt, die den Menschen für sein Erkennen oder für sein Handeln umgibt. Zu Christus wird man im Innern den Weg finden müssen.

Es ist durchaus begreiflich, daß in der Zeit, in der die Naturerkenntnis die Form hat, die ihr die letzten fünf Jahrhunderte gegeben haben, auch die Erkenntnis der übersinnlichen Welt so geworden ist, wie sie gegenwärtig die Menschheit erlebt.

Die Natur muß erkannt und erlebt werden so, daß alles götterleer ist. Dadurch erlebt sich in seinem so gestalteten Verhältnis zur Welt der Mensch selbst nicht mehr. Insofern der Mensch ein übersinnliches Wesen ist, gibt ihm die dem Zeitalter angemessene Stellung seiner selbst zur Natur nichts über sein eigenes Wesen. Er kann auch, wenn er nur diese Stellung im Auge hat, nicht ethisch so leben, wie es seiner Menschheit angemessen ist.

Dadurch wird die Veranlassung dazu gegeben, diese Erkenntnis- und Lebensart in nichts einfließen zu lassen, was sich auf die übersinnliche Menschenwesenheit, ja auf die übersinnliche Welt überhaupt bezieht. Es wird dieses Gebiet abgesondert von dem der menschlichen Erkenntnis Erreichbaren. Es wird ein außer- oder überwissenschaftliches Gebiet der Glaubens-Offenbarung gegenüber dem Erkennbaren in Anspruch genommen.

Aber dem steht das rein geistige Wirken des Christus gegenüber. Der Christus ist seit dem Mysterium von Golgatha der Menschenseele erreichbar. Und deren Beziehung zu ihm braucht nicht eine unbestimmte, dunkel-gefühls-mystische zu bleiben; sie kann eine völlig konkrete, menschlich tief und klar zu erlebende werden.

Dann aber strömt aus dem Zusammenleben mit Christus in die Menschenseele herüber, was diese wissen soll über ihre eigene übersinnliche Wesenheit. Die Glaubens-Offenbarung muß dann so empfunden werden, daß in sie die lebendige Christus-Erfahrung fortwährend einströmt. Es wird das Leben dadurch durchchristet werden können, daß in Christus das Wesen empfunden wird, welches der Menschenseele die Anschauung ihrer eigenen Übersinnlichkeit gibt.

So werden nebeneinanderstehen können: Michael-Erlebnis und Christus-Erlebnis. Durch Michael wird der Mensch gegenüber der äußeren Natur in der rechten Art ins Übersinnliche den Weg finden. Naturanschauung wird, ohne in sich selbst verfälscht zu werden, sich neben eine geistgemäße Anschauung von der Welt und vom Menschen, sofern er ein Weltwesen ist, hinstellen können.

Durch die rechte Stellung zu Christus wird der Mensch dasjenige, was er sonst nur als traditionelle Glaubens-Offenbarung empfangen könnte, im lebendigen Verkehr der Seele mit Christus erfahren. Die innere Welt des seelischen Erlebens wird als eine geistdurchleuchtete erlebt werden können wie die äußere Welt der Natur als eine geistgetragene.

Würde der Mensch ohne in dem Zusammenleben mit der Christus-Wesenheit den Aufschluß gewinnen wollen über seine eigene übersinnliche Wesenheit, so würde ihn dies aus seiner eigenen Wirklichkeit heraus- und in die ahrimanische hineinführen. Christus trägt in sich in kosmisch gerechtfertigter Art die Zukunftsimpulse der Menschheit. Sich mit ihm verbinden, heißt für die Menschenseele ihre eigenen Zukunftskeime kosmisch gerechtfertigt in sich aufnehmen. Andere Wesen, die in der Gegenwart schon Gestaltungen aufweisen, die kosmisch für Menschen erst in der Zukunft gerechtfertigt sind, gehören der ahrimanischen Sphäre an. Sich mit Christus in rechter Art verbinden, heißt sich auch vor dem Ahrimanischen in der rechten Art bewahren.

Es liegt bei denjenigen, welche die Bewahrung der Glaubens-Offenbarungen vor dem Einfließen menschlicher Erkenntnis streng verlangen, die unbewußte Furcht vor, der Mensch könne auf solchen Wegen in ahrimanische Einflüsse hineinkommen. Das muß verstanden werden. Aber verstanden sollte auch werden, daß es zur Ehre und wirklichen Anerkenntnis Christi ist, wenn dem Erleben mit Christus das gnadeerfüllte Einfließen des Geistigen in die Menschenseele zugeschrieben wird.

So können in der Zukunft Michael-Erlebnis und Christus-Erlebnis nebeneinander stehen; dadurch wird der Mensch seinen rechten Freiheitsweg finden zwischen der luziferischen Abirrung in Denk- und Lebens-Illusionen und der ahrimanischen Verlockung in Zukunftgestaltungen, die seinen Hochmut befriedigen, die aber noch nicht seine gegenwärtigen sein können.

In luziferische Illusionen verfallen, heißt nicht voll Mensch werden, nicht bis zur Freiheit-Etappe vorschreiten wollen, sondern auf einer zu frühen Stufe der Entwickelung - als Gott-Mensch - stehenbleiben wollen. In ahrimanische Verlockungen verfallen, heißt nicht warten wollen, bis bei einem bestimmten Grade des Menschtums der rechte kosmische Augenblick gekommen ist, sondern diesen Grad vorausnehmen wollen.

Michael-Christus wird in der Zukunft als das Richtungs-Wort stehen im Beginne des Weges, auf dem der Mensch kosmisch-gerecht zwischen den luziferischen und den ahrimanischen Mächten zu seinem Welten-Ziele kommen kann.

Goetheanum, 2. November 1924.

 

Lit.: GA 26

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