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Das menschliche Blut als Willensorgan

Am unmittelbarsten lebt sich das tätige Ich in der fein differenzierten Blutbewegung aus. Jede Seelenregung des Menschen bildet sich in dem lebendig strömenden roten Blut ab. Das offenbart sich etwa, wenn wir aus Furcht erbleichen oder aus Scham erröten. Beim Tier, wird mancher Naturforscher sagen, zeigen sich ganz ähnliche Veränderungen der Blutbewegung, nur werden sie durch das Fellkleid der Tiere dem äußeren Anblick verborgen; es handle sich hier also keineswegs um eine typisch menschliche Eigenschaft. So ist z.B. gut bekannt, daß Tiere, wenn sie sich in einen Kampf begeben, das Blut von der Körperperipherie vermehrt abziehen und im Körperinneren konzentrieren; sie laufen dadurch weniger Gefahr, zu verbluten, wenn sie verletzt werden. Wenn der Mensch aus Angst erbleiche, so sei das kein wesentlich anderer Vorgang. Daß beide Vorgänge einander in gewissen Grenzen ähnlich erscheinen, soll gar nicht geleugnet werden. Auch der Körperbau, insbesondere der Säugetiere, ist dem des Menschen sehr ähnlich. Das typisch Menschliche wird damit aber nicht erfaßt. Ein Tier kann zwar sein Blut an die Körperoberfläche schießen lassen, aber niemals kann ein Tier wirklich aus Scham erröten. Wenn sich die Blutströmung im Leib des Tieres ändert, so ist das immer die Folge innerer oder äußerer Sinnesreize, und auf die reagiert das Tier nach einem arttypisch vorgegebenen Schema. Ob der Mensch aus Scham errötet oder nicht, das hängt hingegen ganz von seinen individuellen moralischen Qualitäten, also von rein geistigen Ursachen ab. Was äußerlich gleichartig erscheint, hat so völlig unterschiedliche Gründe. Es ist dem Tier unmöglich, sein Tun moralisch zu bewerten; den Menschen zeichnet gerade diese Fähigkeit vor allen anderen Erdenwesen aus, und aus dieser Kraft heraus beherrscht er auf den Wegen des Blutes seinen Organismus, während das Tier nur so handeln kann, wie es ihm seine Organe lehren.

Während wir mit den Nervenzellen, die wir von Geburt an mitbekommen haben, das ganze Leben lang auskommen müssen, werden die roten Blutzellen mit ihrer durchschnittlichen Lebensdauer von etwa 100 Tagen beständig aus dem Knochenmark heraus erneuert. So wie Nerven und Knochen ein Bild des Alters sind, so drückt sich im Blut die ewige Jugend aus. In den Nerven können wir nur sterben, im Blut wird unser Ich immer wieder von neuem geboren. In den Nerven stirbt die Weisheit der alten, geschaffenen Welt; im Blut wird beständig schöpferisch eine neue hervorgebracht. Alles abstrakte Nachdenken, das sich auf das Nervensystem stützt, kann nur die alte sterbende Welt erfassen. Im Feuer des Blutes aber lebt der Prometheus, der Vordenker, der kreativ die Zukunft schafft. Das Blut wird nicht passiv durch den Körper getrieben, sondern in ihm lebt unmittelbar das schöpferische Ich.

Das Herz ist keine Pumpe, die das Blut durch den Körper treibt, sondern es ist vielmehr ein feines Wahrnehmungsorgan für das lebendig sich selbst bewegende Blut.

Das können uns Phylogenese und Embryologie genugsam lehren: immer ist zuerst der Blutkreislauf da, und dieser bildet sich erst nach und nach ein Stauungsorgan, das Herz. Im Herzen schlagen die abtötenden Nervenwirkungen mit den belebenden Stoffwechselkräften zusammen und werden hier in ihren einander durchdringenden Rhythmen gefühlt. Dort, wo in unserem Organismus am stärksten die Zerstörungskräfte walten, dort erwacht auch unser Bewußtsein am stärksten. Im Stoffwechsel, der unseren Körper unermüdlich erneuert, schlafen wir auch Tags, wenn wir in den Sinnen wachen. Im rhythmischen System sind wir weder ganz wach, noch schlafen wir völlig: hier träumen wir beständig.

Nerven-Sinnes-System
Atmungs-Kreislauf-System
Stoffwechsel-System
Wachen
Träumen
Schlafen

Auf dem Umweg über das Herz wirkt der obere auf den unteren Menschen, und umgekehrt. Wenn wir beispielsweise eine gute, ausgiebige Mahlzeit hinter uns haben, dann wird das Gehirn vergleichsweise blutleer und wir ermüden. Sind wir anderseits etwa ängstlich und nervös, also in ungesunder Weise überwach, dann wird nur allzu leicht die Verdauung gestört. Das sind ganz grobe, leicht erkennbare Wirkungen; ähnliche, aber viel feinere Wechselwirkungen zwischen oben und unten finden aber fortwährend statt. Das Herz empfindet und reguliert sie.

Das Herz ist nicht nur ein Wahrnehmungs- sondern auch ein Regulationsorgan für das lebendig strömende Blut.

Noch können wir nicht willkürlich durch das Herz den Blutstrom regeln, aber das Herz ist auf dem Weg, ein Willkürorgan zu werden! Die anatomische Struktur des Herzens zeigt das deutlich an: wie die glatte Eingeweidemuskulatur läßt es sich heute noch nicht willentlich beherrschen, dennoch ist es bereits ein quergestreifter Muskel, ähnlich den Skelettmuskeln, mir deren Hilfe wir unsere Gliedmaßen bewegen. Ebenso wie die glatte Muskulatur ermüdet das Herz ein Leben lang nicht, während sich die Skelettmuskulatur bei anstrengender Tätigkeit sehr rasch erschöpft. So steht das Herz mitten zwischen den Muskelsystemen für unser äußeres Handeln und für unsere inneren organischen Tätigkeiten, bereit dafür ein willentlich beherrschtes Organ für unser Seelenleben zu werden.

Die falsche Unterscheidung sensorischer und motorischer Nerven

Wie Rudolf Steiner ausdrücklich immer wieder betont, gibt es nur sensorische Nerven; Nerven dienen stets der inneren oder äußeren Wahrnehmung, sie sind aber niemals Willensorgan. Der Wille wird vielmehr unmittelbar von der Peripherie her entwickelt; sein primäres Werkzeug, in dem sich das Ich direkt auslebt, ist das Blut, das dann etwa die Muskeln versorgt. Ist der Muskel erschöpft, dann entsteht die bekannte Sauerstoffschuld, durch die die Muskelatmung erlahmt und in den Milchsäuregärungsprozeß übergeht (Muskelkater!). Die Willenstätigkeit, die eben eng mit diesen Stoffwechselvorgängen verbunden ist, erlahmt dann.

Die Nerven sind ausschließlich dazu da, die Muskelbewegung wahrzunehmen. Sie sind dabei aber als unterbrochener "Schaltkreis" gestaltet, so daß man sehr wohl zwischen afferenten (zentripedalen) und efferenten (zentrifugalen) Nervenfasern unterscheiden kann, wie uns das einfachste Beispiel des Reflexbogens lehren kann:

Wäre der Nervenschaltkreis im Rückenmark nicht unterbrochen, so hätte man es mit einem vollkommen automatisierten Regelkreis zu tun, wie er ähnlich auch in der Technik verwendet wird. Gerade die Unterbrechung gibt dem Ich die Chance, sich wahrnehmend in diesen Vorgang einzuschalten. Beim einfachen Reflexbogen selbst ist diese Möglichkeit noch so gering, daß etwa der bekannte Kniesehnenreflex beinahe praktisch automatisch abläuft. Je mehr wir uns aber der Großhirnrinde nähern, desto vielfältigere Nervenverbindungen liegen zwischen der afferenten und der efferenten Faser; und je mehr derartige Unterbrechungen vorhanden sind, um so wacher kann das Ich an dem ganzen Geschehen teilnehmen. Mit der Willenskraft als solcher hat das gar nichts zu tun; das Nervensystem vermittelt für den Menschen stets nur das Vorstellungsleben. Es ist eben ein, allerdings heute weit verbreiteter Irrglaube, daß das Nervensystem das exklusive Werkzeug unseres Seelenlebens, das sich in Denken, Fühlen und Wollen gliedert, sei. Vielmehr ist unser gesamter Organismus die Basis für unser Seelenleben:

Vorstellen (Denken, Wahrnehmen)
Fühlen
Wollen
Nerven-Sinnes-System
Atmungs-Kreislauf-System
Stoffwechsel-System

Und wenn wir willentlich unsere Wahrnehmung auf bestimmte Dinge richten, oder wenn wir im Denken unseren Willen entfalten, dann stützen wir uns dabei nicht auf das Nervensystem!

Die willentlich gelenkte Aufmerksamkeit

Tiere können ihre Aufmerksamkeit nicht willentlich beherrschen, sie wird stets durch irgend welche Sinneseindrücke erregt. Wenn ein Hase sich plötzlich auf die Hinterbeine setzt und seine Löffel spitzt, dann hat ihn ein auffälliges Geräusch dazu veranlaßt. Der Mensch besitzt diese Art der von außen bedingten Aufmerksamkeit auch, und in unserer modernen Welt der beständigen Reizüberflutung läuft der Mensch Gefahr, davon immer mehr überwältigt zu werden. Dann reduziert er sich aber immer mehr auf das tierische Niveau. Wahrhaft Mensch ist er nur dort, wo er sein Bewußtsein willentlich auf die Welt lenken, oder es von ihr abziehen kann. Wenn sich der Mensch zu einer gehörigen Willensentfaltung erzogen hat, dann kann er die ganze flimmernde und lärmende Umwelt aus seinem Bewußtsein ausschalten. Oder er kann umgekehrt seine Aufmerksamkeit willentlich auf ganz unscheinbare Dinge richten. Das Tier vermag weder das eine, noch das andere. Sein Bewußtsein wird durch die Sinne gelenkt, und sein Tun folgt diesen Eindrücken unmittelbar auf arttypische Weise. Der Mensch kann sein Bewußtsein willentlich beherrschen, und eben darum wird es zum Selbstbewußtsein.

Die Wahrnehmung wird durch die Sinne und das daran angeschlossene Nervensystem vermittelt; der Wille ist unmittelbar im Blut tätig. Wenn also der Mensch willentlich seine Aufmerksamkeit auf eine ganz bestimmte Wahrnehmung richtet, dann müßte der Blutstrom gezielt die zugehörige Nervenregion umspülen – und das ist, wie man mittlerweile experimentell nachweisen kann, auch tatsächlich der Fall! Moderne Untersuchungsmethoden, wie etwa die Positronen-Emissions-Tomographie, erlauben es, die regionale Durchblutung der Großhirnrinde zu messen. So kann man z.B. deutlich sehen, welche Gehirnregionen vermehrt durchblutet werden, wenn wir sprechen bzw. Sprache wahrnehmen:

(Spektrum der Wissenschaft, Dossier 4/97, S 39)

Ein anderes Beispiel: bittet man etwa die Versuchsperson, sich auf ihren linken kleinen Finger zu konzentrieren, so wird genau die diesem Finger zugeordnete Hirnregion verstärkt durchblutet. Die Sensitivität und Genauigkeit mit der man nun z.B. wahrnimmt, wenn der Finger auch nur ganz leise berührt wird, steigt dadurch wesentlich. Der Gehirnforscher John C. Eccles bemerkt dazu:

"Man kann vermuten, daß das Selbst über die Aufmerksamkeit fähig ist, jeden beliebigen Teil des Neokortex <<anzuwählen>> und willkürlich zu aktivieren. Diese selektive Aktivierung durch Aufmerksamkeit ist für die gesamte Bandbreite unserer Erfahrungen von zentraler Bedeutung... Man erkennt, daß wir durch Aufmerksamkeit unsere Wahrnehmungen verstärken und erweitern. Jeder von uns hat im Lauf seines ganzen Lebens gelernt, sein Gehirn klug und geschickt zu nutzen. Wir bemerken dies, wenn wir aufmerksam einem Musikstück lauschen oder ein schönes Bild betrachten oder uns an der Schönheit der Natur erfreuen. Diese transzendente Erfahrung, die wir durch Aufmerksamkeit und mit Hilfe des Gehirns machen können, stellt die Grundlage unseres Wesens und unserer Persönlichkeit dar."

(John C. Eccles, Wie das Selbst sein Gehirn steuert, Serie Piper 2286, München (1994), S 253)

Und weiter:

"Bewußtsein wird dort im Gehirn erfahren, wo man es durch Aufmerksamkeit erweckt ..."

(ebenda, S 255)

Genauer müßte man hier von Selbstbewußtsein sprechen, und es wird nicht im, sondern am Gehirn erfahren; die Gehirnfunktion selbst wird uns ja gerade nicht bewußt, sondern es dient nur als Spiegelungsapparat.

Indem der Mensch selektiv seine Aufmerksamkeit auf die äußere Welt richtet, hängt das Bild, das er sich von dieser Welt macht, auch von ihm selbst ab. Er wählt gleichsam beständig die Perspektive, aus der er die Welt betrachtet. Diese Welt erscheint ihm ärmer oder reicher, je nachdem, wie sehr er sein Bewußtsein aktiv über diese Welt verbreitet. Der erfahrene Botaniker wird eine Wiese viel umfassender und detailreicher erleben, als der gewöhnliche Spaziergänger. Ein Maler wird die Natur wiederum ganz anders betrachten als jener Botaniker. Das heißt aber keineswegs, daß der Mensch nun die Welt bloß subjektiv erfahren würde. Der Wahrnehmungsinhalt als solcher ist durch und durch objektiv bestimmt; subjektiv ist nur der Bildausschnitt, den der Mensch ins Auge faßt. Der Mensch wird derart beständig dazu aufgefordert, sich sein "Weltbild", d.h. die Art, wie er die Welt sieht, selbst ganz individuell zu bilden. Ganz anders das Tier; es läuft mit einem streng gebundenen, arttypischen Weltbild durch die Natur. Welche Sinneseindrücke einem Tier besonders ins Auge springen, das wird allein dadurch bestimmt, welcher Gattung es angehört. Zudem ist dieses tierische Weltbild, wesentlich ärmer und abstrakter als das des Menschen. Wie der Biologe und Systemtheoretiker Jakob von Üxküll treffend bemerkt hat, reduziert sich das Weltbild der Zecke auf die wahrgenommene Körperwärme seines Opfers und auf dessen Schweißgeruch. In diesem Sinne steht der Naturforscher, der sich ein hoch abstraktes Weltbild entwirft, dem tierischen Erleben näher als der Künstler, der die ganze Fülle der Natur in sein Wesen aufnimmt.

Das reine sinnlichkeitsfreie Denken

Wir können unsere Aufmerksamkeit nicht nur auf bestimmte sinnliche Wahrnehmungen, sonder auch auf unser Seelenleben selbst richten. Dieses gliedert sich in Denken, Fühlen und Wollen, aber nur das Denken selbst wird dabei voll wach erfahren. Auf dieses müssen wir also unsere Aufmerksamkeit zu allererst wenden.

So wie wir im alltäglichen Leben denken, werden uns zwar die Gedanken, d.h. die Produkte des Denkens, bewußt, nicht aber das Denken selbst, das diese Gedanken hervorbringt. Dieses Phänomen hat Rudolf Steiner in seiner "Philosophie der Freiheit" ausführlich dargestellt. Das Denken gliedert sich demnach in zwei Teile. Erstens in die eigentliche Denktätigkeit; diese führen wir zwar aus, aber wir beobachten sie nicht. Das kann zunächst auch gar nicht weiter verwundern. Indem wir denkend tätig sind, aktivieren wir unseren Willen; und im Willen schlafen wir beständig, wie wir bereits gesehen haben. Erst die zweite Phase des Denkens erleben wir wachend mit: wir nehmen die gebildeten Gedanken wahr.

Der Denkwille, in dem wir normalerweise beständig schlafen, stützt sich auf das Blut.

Die Gedankenwahrnehmung, die wir wach erleben, gründet auf dem Nervensystem.

Diese innere Wahrnehmung der selbst hervorgebrachten Gedanken ist streng zu unterscheiden von dem, was uns unser nach außen gerichteter Gedankensinn vermittelt. Durch ihn nehmen wir etwa den Gedankengehalt dessen wahr, was uns ein anderer Mensch erzählt, oder wir nehmen unmittelbar wahr, was seine Handbewegung bedeutet.

Wir nehmen unsere eigenen Gedanken weder durch einen inneren noch äußeren Sinn wahr.

Unser abstraktes Denken, wie wir es beispielsweise in der Mathematik entfalten, ist daher durchaus sinnlichkeitsfrei; Abstraktion bedeutet ja gerade, daß von den Sinnesqualitäten abgesehen wird. Es ist aber deshalb keineswegs ein leibfreies Denken, denn es benützt ja das logische Vorderhirn als Spiegelungsfläche. Was uns in den mathematischen Prinzipien ins Bewußtsein gespiegelt wird, sind im Grunde jene Gesetzmäßigkeiten, die unseren Gliedmaßenbewegungen und unserem Pulsrhythmus zugrunde liegen. Aber nicht die Bewegungen selbst, sondern deren gesetzmäßige Beziehung zueinander erscheint in unseren Gedanken. Das Vorderhirn stellt dabei, wie wir bereits gesehen haben, eine unspezifische Spiegelungsfläche dar: einzelne Gedanken können nicht räumlich an bestimmten Bereichen des Vorderhirns lokalisiert werden, ganz im Gegensatz zu den eng eingrenzbaren Bereichen der sensorischen Hirnrinde, die die Sinnesqualitäten bewußt machen. Auch spielt die in das abstrakte Denken involvierte Gehirnmasse nur eine untergeordnete Rolle; die Gehirngröße ist für die menschliche Intelligenz wenig maßgebend, und auch beträchtliche Verletzungen des Vorderhirns führen, wie bereits besprochen, selten zu wesentlichen Beeinträchtigungen. Nicht die räumliche Struktur des Gedankenspiegels ist entscheidend, sondern wie die Nervenaktivität zeitlich koordiniert wird. Jedem Gedanken, der uns bewußt wird, entspricht ein typischer flüchtiger dynamischer Gehirnprozeß. Die Sinnesqualitäten erscheinen uns im Raum, und ihnen entspricht die räumlich strukturierte hintere Großhirnrinde. Gedanken bilden sich im Zeitlauf; ihnen ist das dynamisch organisierte Vorderhirn zugeordnet.

Der dynamische Gehirnvorgang, der unsere Gedankenbildung begleitet, spiegelt unmittelbar die Bildekräfte wieder, die in unserem Denken walten.

Diese Bildekräfte dürfen die Gehirnmasse aber nur oberflächlich berühren. Wenn sie nämlich beginnen, das Gehirn räumlich zu strukturieren, dann wird das Denken automatisiert; es entfällt dem Ich. Das ist der Fall, wenn bestimmte abstrakte Gedankengänge immer wieder eingeübt werden. Das Gehirn wird dann zum Abbild jener abstrakten Gesetzmäßigkeiten. Der Mensch würde dadurch in letzter Konsequenz zum bewußtlosen Gedankenautomaten. Er könnte dann wohl auch komplexe Rechenaufgaben mit schlafwandlerischer Sicherheit lösen, aber sein Ich-Bewußtsein wäre daran nicht beteiligt. Genau auf diese Art funktioniert der seelenlose Computer! Daß sich eine derartige Befähigung im technischen und wirtschaftlichen Alltag bewährt und daher vielen als wünschenswert erscheint, darf nicht übersehen werden. Herkömmliche Intelligenztests orientieren sich vorwiegend an derartigen Fähigkeiten; sie messen den Teil der Intelligenz, der eigentlich nicht mehr menschlich ist und ganz dem toten Getriebe der Technik angepaßt ist. Der Mensch würde so zu einem willenlosen aber funktionierenden Rädchen in der Weltwirtschaftsmaschinerie, zu einem Automaten, der auf Befehl die gewünschten abstrakten Gedanken reproduziert. Ein derartiges technokratisches "Denken" ist kalt, gefühllos und bar jeder moralischen Kraft und geht bedenkenlos über Leichen. Das kann auch gar nicht anders sein, da eine derartige erstorbene Intelligenz überhaupt nur das Tote in der Welt erfassen und es als solches behandeln kann. Moral scheint hier auch nicht nötig, denn ein derartiges willenloses Heer automatisierter Sklaven läßt sich leicht manipulieren, man muß dazu seine Intelligenz nur entsprechend "programmieren"! Und das gelingt um so mehr, als das, was von Gefühl und Willenskraft noch übrig ist, in den Bereich bloßer tierischer Triebe hinab gedrängt wird, die sich innerhalb eines geeigneten Rahmens frei ausleben dürfen. Einem bloß technokratisch orientierten Berufsleben stünde so eine auf reine Lustbefriedigung gerichtete Freizeitgestaltung zur Seite. Das Menschenwesen würde dabei vollständig zerrissen; Ansätze dazu sind ja kaum zu übersehen. Daß einer derartigen Intelligenz jede technische Erfindungsgabe mangelt, die aber für die expandierende Wirtschaft unerläßlich ist, wird mancherorts schon gesehen, und so nimmt man da und dort schon Abschied vom IQ. Raffinierte Unternehmen halten sich neben den perfekt funktionierenden Arbeitssklaven noch einen Hofnarren, der für die guten Einfälle sorgt, und so hat man als Mensch immer noch die Wahl, in welche Kategorie man sich einordnen will. Spaß beiseite, die Situation ist ernster, als man vielleicht denkt. Unser modernes Erziehungswesen, das selbst schon aus ganz abstrakten Vorstellungen entsprungen ist, neigt sehr dazu, die heranwachsenden Menschen auf diese Bahn zu leiten. Wollte man in den vergangenen Jahrhunderten die Menschen vorallem zu treuen Staatsdienern erziehen, so drängt man sie nun immer mehr dazu, sich reibungslos in das die Welt erobernde Wirtschaftsgetriebe einzufügen. Wenn man die Schüler dazu dressiert, unverstandene Formeln auf normierte vorgegebene Problemstellungen gedankenlos anzuwenden, dann wirkt man genau in diese Richtung. Die Schüler werden dann vielleicht brillant ihre Matura bestehen, aber jede Menschlichkeit erstirbt in ihnen. Ein freies Geistesleben könnte dann überhaupt nicht mehr aufkommen. Dieses zu fördern, darin liegt die eigentliche Aufgabe der Waldorfpädagogik. Sie muß den Weg frei machen, daß sich die freie selbstverantwortliche, kreative Individualität entfalten kann.

Die menschliche Intelligenz ist heute an einen Scheideweg gekommen. Sie droht einerseits in die untersinnliche Welt automatisierter, willenloser maschinenartiger elektrischer Nervenvorgänge abzustürzen, oder sie kann, wenn sie vom Willen durchkraftet wird, durch ein leibfreies Denken in die übersinnliche Welt aufsteigen.

Das abstrakte Denken ist per definitionem sinnlichkeitsfrei, aber, wie besprochen, noch keineswegs leibfrei. Im Blut entfaltet sich der Denkwille, der die Nervenmasse ergreift und sich daran als Gedanke spiegelt. Nur dieser wird uns, wenn wir abstrakt denken, bewußt, nicht aber die Denktätigkeit selbst. Läßt man seine Gedanken einfach frei laufen, so wird der Denkwille ausgehöhlt. Konzentriert man sich anderseits auf einen einzigen leicht überschaubaren Gedanken und schaltet konsequent alle anderen Gedanken aus, die sich störend dazwischen drängen wollen, dann zieht sich das Denken mehr und mehr vom Nervensystem zurück; der im Blut lebende Denkwille wird immer stärker. Dieser lebt aber nicht im Blut als physische Substanz genommen, sondern in der Blutwärme. Durch das Wärmeelement des Blutes offenbar sich der vom Ich impulsierte Wille am unmittelbarsten. Die Wärme ist aber nicht mehr rein stofflicher Natur, sondern leitet bereits zur nichtstofflichen ätherischen Welt über. Indem sich die Denktätigkeit, d.h., wenn man es etwas paradox ausdrücken will, das gedankenfreie Denken selbst, im Wärmeelement entfaltet, lebt es bereits nicht mehr im physischen Leib. Es ist in diesem Sinne tatsächlich leibfrei geworden. Das Bewußtsein richtet sich dadurch von den bloßen Gedanken hin zum Denken selbst. Und so wie sich die Gedanken an der physischen Nervenmasse und den darin waltenden untersinnlichen elektrischen Kräften spiegeln, so spiegelt sich nun das Denken an der ätherischen Wärme direkt in die Seele.

Im reinen leibfreien Denken betrachtet das Ich seine eigene geistige Tätigkeit im Spiegel der nichtstofflichen, rein ätherischen Wärme. Je feiner der Spiegel wird, durch den das Ich die Welt betrachtet, desto weiter dringt es bewußt in die geistige Welt ein.

Wärmeäther
Lichtäther
Klangäther
Lebensäther
reines leibfreies Denken
Imagination
Inspiration
Intuition

Rudolf Steiners "Philosophie der Freiheit" zielt darauf ab, das reine leibfreie Denken zu schulen. Der bedeutende deutsche Philosoph Hegel ging in seiner Philosophie vom Begriff, d.h. vom Gedanken aus. Sein brillantes Denken, das den deutschen Idealismus wesentlich mitgeprägt hat, blieb damit letztlich dennoch bei der an den physischen Leib gebundenen Abstraktion stehen. Rudolf Steiner geht nicht vom Gedanken aus, sondern er betrachtet das Denken selbst, insofern es sich als geistige Tat darlebt. Im Wesen des Geistes liegt es, immerzu tätig zu sein. Der Geist schafft sich beständig selbst; er ist überhaupt niemals, sondern wird beständig. Geist schafft sich selbst; würde er durch etwas anderes als sich selbst geschaffen, so wäre er kein Geist. Im reinen leibfreien Denken wird dieser tätige Geist in seinem Tun noch wie von Ferne angeschaut. Das Gesetz, daß sich der Geist bei seinem Tun selbst gibt, ist zugleich das Moralgesetz. Im reinen Denken, das zugleich ein reines Wollen ist, liegt damit auch die Quelle der moralischen Intuition, wie sie Rudolf Steiner beschreibt. In der Abstraktion stirbt die Weisheit der alt gewordenen Welt; aus der moralischen Intuition bereitet sich der geistige Keim einer künftigen.

Die Wärme als Tor von der sinnlichen in die übersinnliche Welt

Sinnliche und seelische Wärme

Unter den 12 Sinnen des Menschen ist auch der Wärmesinn, durch den der Mensch das Verhältnis der ihn umgebenden Wärme zu seiner eigenen peripheren Körperwärme erfährt. Daß dem so ist, und nicht einfach die Außenwärme für sich erlebt wird, kann ein einfacher Versuch zeigen. Taucht man seine Hand zuerst einige Zeit in eiskaltes Wasser und anschließend in lauwarmes, so empfindet man dieses als sehr heiß. Hat man anderseits zuerst in heißes Wasser und dann in lauwarmes gegriffen, so kommt einem dieses eher kühl vor. Wie wir die äußere Wärme empfinden, hängt also auch von unserer Eigenwärme ab. Die Wärmewahrnehmung wird dabei von unzähligen Wärme- und Kälterezeptoren vermittelt, die über die gesamte Haut mit unterschiedlicher Dichte verteilt sind. Unsere Eigenwärme aber wird durch das Blut an unsere Körperoberfläche getragen. Je nach den Temperaturverhältnissen ändert sich auch beständig die Durchblutung unserer Haut. Kein reguliert so fein seine Körpertemperatur wie der Mensch. Das hat es auch nicht nötig, da es durch sein Fell, das dem Menschen mangelt, über eine sehr gute Wärme- und Kälteisolierung verfügt. Obwohl uns nicht bewußt ist, wie wir in jedem Augenblick unsere Eigenwärme regeln, so ist doch das Bewußtsein dafür wesentlich. Wenn wir etwa schlafen, funktioniert sie bei weitem nicht so gut; wenn man bei großer Kälte einschläft, kann man sehr leicht erfrieren. Der Mensch ist darauf angewiesen, in einem stabilen differenzierten Wärmeorganismus zu leben. Zwar beträgt die mittlere Körpertemperatur ungefähr 37° C, aber in den einzelnen Organen weicht sie erheblich davon ab. So ist beispielsweise die Leber mit ihren knapp 41° der Hitzepol unseres Körpers, während der "kühle" Kopf mit kaum 36° auskommen muß. In den Muskel steigt die Temperatur bei fortgesetzter anstrengender Tätigkeit ebenfalls beträchtlich an. Wenn wir vor Kälte zittern, dann erwärmen wir gerade durch diese Muskeltätigkeit unseren Leib. Beständig bewahrt muß vorallem der innere Wärmekern sein, in den unsere wesentlichsten Organe eingebettet sind; die Gliedmaßen hingegen dürfen beträchtlich unterkühlt werden. Wenn uns die Außenwelt z.B. im Winter nötigt, vermehrt Körperwärme zu produzieren, so wird dadurch natürlich auch der Stoffwechsel angeregt und in der Folge auch die Atmung. Das wirkt sich wesentlich auf den Blutkreislauf aus. In kalter Umgebung sind rotes und blaues Blut sehr stark voneinander unterschieden; in warmen Gegenden hingegen ist das Venenblut beinahe so rot wie das arterielle Blut. Es war der Arzt Julius Robert Mayer, der auf dieses Phänomen aufmerksam geworden war, und der daraus den für die Physik später so bedeutsam gewordenen Energieerhaltungssatz abgeleitet hat, der heute dahin gehend abstrakt ausgelegt wird, daß Energie weder erzeugt noch vernichtet, sondern daß nur verschiedene Energieformen, von denen eine die physische Wärme ist, ineinander umgewandelt werden können. In dieser Form ausgesprochen steht er aber einem durchgreifenden Verständnis des Menschenwesens im Wege. Wenn das Weltgeschehen als bloß kausal bedingt durch die in der Welt verstreute konstante Summe der Energie gedacht wird, dann ist für den aus dem Geistigen impulsierten menschlichen Willen kein Platz.

Wer feiner beobachtet, dem kann nicht entgehen, daß die Wärmeverhältnisse, in denen wir uns befinden, weckend oder dämpfend auf unser Bewußtsein zurückwirken. Wenn wir wohlig in der Badewanne ruhen und das Wasser annähernd Körpertemperatur hat, so schläfert uns das allmählich ein. Treten wir hinaus in die eiskalte Luft, so sind wir schnell hellwach. Ähnlich dämpft die brütende Hitze des Sommers das Bewußtsein, während es durch die winterliche Kälte aufgeweckt wird. Je stärker die Differenz zwischen unserer inneren Wärme und der äußeren Kälte ist, um so wacher werden wir. Unterschwellig hängt so unser Bewußtsein mit dem Klima zusammen, in dem wir leben, und auch mit dem jahreszeitlichen Rhythmus. Vermittelt durch das Wärmeelement beeinflussen uns derart kosmische und geographische Verhältnisse.

Nicht nur die inneren und äußeren Wärmeverhältnisse sind für unsere Wärmeempfindung maßgebend. Wenn wir uns in einem Zimmer bei einer Temperatur von beispielsweise 19° C befinden, dessen Wände allseitig rot ausgeschlagen sind, so empfinden wir den Raum deutlich wärmer, als wenn seine Wände von eisblauer Farbe sind. Nicht zu unrecht sprechen wir von warmen und kalten Farben, die entsprechend seelisch auf uns wirken. Die physische Wärmewirkung kommt dabei gar nicht mehr in Betracht. Ähnlich können wir Klänge oder Worte kühl oder herzerwärmend empfinden. Diese rein seelisch wahrgenommene Wärme ergreift aber durchaus unseren Blutkreislauf; unsere Körperoberfläche wird dann, je nach dem, mehr oder weniger gut durchblutet, und das beeinflußt in der Folge auch die Wärmewahrnehmung durch den Wärmesinn. Physische und seelische Wärme weben so beständig ineinander. Gedanken, Gefühle und Willensentschlüsse, die wir rein innerlich seelisch erleben, können eine ähnliche Wirkung haben. Durch das Tor der Wärme kann Physisches auf Seelisches wirken, und umgekehrt. Damit kann sich aber auch ein Rätsel lösen, das die neuzeitliche Philosophie sehr beschäftigt hat und mit dem sich auch manche Naturwissenschaftler auseinandersetzen.

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