Forum für Anthroposophie, Waldorfpädagogik und Goetheanistische Naturwissenschaft
Home
 
Home


Home
Suchen
Vorträge
Rudolf Steiner

Veranstaltungen

Service-Seiten

Adressen
Ausbildung


Bücher
Bibliothek
Links

Link hinzufügen
Stellenangebote

FTP Download

Impressum

Email
http://peter.anthroposophie.net
Das Leib-Seele-Problem

Wie kann der immaterielle Geist auf den materiellen Körper wirken? Diese Frage hat seit Descartes die Philosophie immer wieder irritiert. Descartes war es ja, der die Welt geschieden hatte in die räumlichen äußeren Dinge, die "res extensa", und in das nicht räumliche seelisch-geistige Innenleben des Menschen, die "res cogitans". Zwischen beiden scheint, wenn man die Welt so betrachtet, keine Vermittlung möglich. Wenn der Geist direkt auf körperliches wirkt, dann kann man im Grunde nur von einer magischen Wirkung sprechen; eine Vorstellung, bei der jedem Naturwissenschaftler die Haare zu Berge stehen. Und doch kann man bei unbefangener Beobachtung kaum leugnen, daß wir diese magische Wirkung tagein tagaus vollbringen; aus einem rein geistigen Entschluß fließt unmittelbar etwa die Bewegung unserer Gliedmaßen. Man kann natürlich als aufrechter Materialist den Geist und die Seele überhaupt wegleugnen oder als bloße Illusion ansehen, und den Körper als selbstbeweglichen Mechanismus auffassen. Damit ignoriert man aber gerade die wesentlichsten Teile des menschlichen Lebens, das nun einmal vielfältig durch Gedanken, Gefühle und Willensimpulse, durch Schmerz, Liebe, Trauer, Moral usw. gekennzeichnet ist. Einem halbwegs gesunden Empfinden kann nicht entgehen, daß diese Erfahrungen dem Menschen nicht weniger gegeben sind als die der äußeren sinnlichen Welt.

Der erste Denkfehler der einer Lösung des Leib-Seele-Problems, das in Wahrheit gar nicht besteht, im Wege steht, ist, daß man den menschlichen Körper, wie alle räumlichen Dinge, als scharf umrissenen festen Stoff ansieht. Alle Bewegung soll darin bestehen, daß sich seine mehr oder weniger starren Teile gegeneinander bewegen. Die ganze Mechanik ist auf derartigen Vorstellungen aufgebaut. Nun ist aber der menschliche Körper nur zum geringsten Teil wirklich fest, nämlich vorwiegend in den Knochen. Hingegen bestehen mehr als 80% des Körpers aus Flüssigkeit; dazu kommt noch die mit der Atmung in den Körper getragene Luft und die ebenfalls ganz wesentliche Wärme, die den ganzen Leib durchströmt. Daß der menschliche Geist nicht direkt auf einen festen Körper einwirken kann, ist klar. Das ist aber auch nicht nötig. Die Wärme ist das Tor, durch das die seelische Wärme schreitet und auf der anderen Seite als physische, d.h. physikalisch meßbare Wärme erscheint. Und diese kann dann stufenweise weiter wirken auf Luft, Wasser und endlich auch auf die festen Bestandteile unseres Leibes. Tatsächlich entsteht alles, was in unserem Körper fest ist, erst dadurch, daß es gleichsam aus dem flüssigen Element herauskristallisiert. Dabei erscheint zugleich auch immer physisch meßbare Wärme. Es ist ein bekanntes Phänomen, daß es wärmer wird, wenn es schneit; wenn Wasser, oder auch jede beliebige andere Flüssigkeit kristallisiert, so wird dabei die sog. Kristallisationswärme frei. Umgekehrt benötigt man genau dieselbe Wärmemenge, um etwa Schnee wieder zum Schmelzen zu bringen. Die dabei zugeführte Wärme verschwindet völlig, sie macht sich nicht als Temperaturerhöhung bemerkbar, aber das feste Eis verwandelt sich in das viel beweglichere Wasser. Ähnlich verschwindet und erscheint in unserem Körper beständig Wärme.

Halt, wird der Physiker sagen; so kann die Seele dennoch nicht auf den Körper wirken, denn dabei würde der schon angesprochene Energieerhaltungssatz verletzt. Die Wärme verschwinde nicht einfach, sondern sie verwandele sich in die Bewegung der Wassermoleküle. Im Grunde sei Wärme nämlich überhaupt gar nichts anderes, als eine derartige molekulare Bewegung; so sagt es jedenfalls die mechanische Wärmetheorie. Aber hier werden zwei Dinge miteinander identifiziert, die ihrem Wesen nach durchaus unterschiedlich sind, und mit verschiedenen Sinnen wahrgenommen werden. Ebensogut könnte man etwa Fischgeruch mit roter Farbe oder dunklem Klang identifiziert, das wäre gerade ebenso gescheit. Verschiedene Sinnesqualitäten lassen sich nicht auseinander ableiten oder gar miteinander identifizieren, sie können höchstens in einem bestimmten Verhältnis zueinander stehen, das sich unter Umständen sogar quantifizieren läßt. Wärme ist ebensowenig eine Form der Bewegung, wie auch beispielsweise die Farben nicht elektromagnetische Schwingungen sind. Das einzige, was man wirklich beobachten kann, wenn beispielsweise Eis schmilzt, ist, das Wärme verschwindet und gleichzeitig das flüssige und von beständigen Konvektionsströmungen bewegte Wasser erscheint. Daß Wärme in Bewegung umgewandelt würde, davon kann gar keine Rede sein. Wärme geht vom sinnlich wahrnehmbaren in den übersinnlichen Zustand über, während die dynamische Kraft, die das Wasser bewegt, zugleich aus dem Übersinnlichen hervortritt. Die so erscheinende Bewegung kann relativ ungeordnet sein, wie beim Schmelzvorgang, in ihr kann sich aber auch eine höhere geistige Ordnung ausdrücken, wenn wir etwa willentlich einen Arm oder ein Bein bewegen. Das Maßverhältnis zwischen verschwundener Wärme und hervortretender Bewegung ist in beiden Fällen gleich; und nur auf dieses konstante Verhältnis bezieht sich der Energieerhaltungssatz, er wird also keineswegs verletzt.

Auch der Entropiesatz wird durch diese Anschauung nicht verletzt. Er besagt, daß sich die Wärme im Laufe der natürlichen Entwicklung immer gleichmäßiger verteilt und dadurch der Ordnungsgrad der ganzen äußeren Welt, in Summe genommen, immer mehr abnimmt, d.h., daß sie immer weniger differenziert erscheint. Darin drückt sich nichts anderes aus, als die natürliche Tendenz der bloß physischen Welt, immer mehr zu zerfallen. Dieser Zerfall erfolgt allerdings keineswegs völlig gleichmäßig. Während weite Teile des äußeren Kosmos mehr und mehr ins Chaos stürzen, tritt in den Einzelwesen, die die Erde bevölkern, zunächst eine immer höhere Komplexität zu Tage, die endlich in der Erscheinung des Menschen gipfelt. Man kann das auch so ausdrücken, daß man sagt: die weisheitsvolle Ordnung des ganzen Kosmos wird immer mehr aufgeopfert zugunsten des immer höher geordneten Menschenwesens.

Der Entropiesatz verwirklicht sich in der Welt derart, daß die kosmische Intelligenz immer mehr in die menschliche Intelligenz übergeht.

Einmal wird aber auch das äußere Menschenwesen zerfallen, wird überhaupt alle Ordnung aus dem äußeren Kosmos verschwunden sein. Dann aber wird der Mensch die Früchte der alten kosmischen Intelligenz in sich aufgenommen und durch das Tor der Wärme in verwandelter Form zurück in die geistige Welt getragen haben. Im Grunde besagt der Entropiesatz nichts anderes, als daß die ganze Welt einer ungeheuren kosmischen Intelligenz entsprungen ist, die im Zuge der Entwicklung immer mehr in die Einzelwesen hinein stirbt und dort wieder vergeistigt wird. Wenn alle kosmische Intelligenz durch das Tor der einzelnen menschlichen Individuen wieder zum Geist zurückgekehrt sein wird, dann wird die äußere Schöpfung ihre Aufgabe erfüllt haben und kann sich in einen gleichmäßigen Wärmezustand auflösen. Diese ist aber dann selbst auch nicht mehr sinnlicher Natur, denn jede sinnliche Wärmeerscheinung beruht auf Wärmedifferenzen. Die äußere Welt wird dann vollkommen verschwunden sein.

Im Entropiesatz drückt sich die Zeitlichkeit der geschaffenen kosmischen räumlich-sinnlichen Welt aus.

Je älter die räumliche, sinnliche Welt, die der kosmischen Intelligenz entsprungen ist, wird, desto größer wird die Entropie, die Unordnung, das Chaos, in die diese Welt allmählich versinkt. Die Wärme ist das Tor, durch das diese kosmische Intelligenz, die in der ganzen äußeren Welt waltet, wieder aus der sichtbaren Welt, in der sie sich sinnlich sichtbar abbildet, verschwindet. Einzig im Menschen, wenn er das reine leibfreie Denken entwickelt, wird ein seelisches Abbild dieser kosmischen Intelligenz, die sich in das äußere Dasein ergossen hat, geschaffen. Es ist ein rein seelisches, völlig materiefreies Bild der den äußeren Kosmos gestaltenden Weisheit. Die weisheitsvolle Ordnung, die die Welt durchzieht, lebt dadurch im Menschen verwandelt auf seelische Weise wieder auf; sonst wäre sie für immer verloren. Die im Raum ausgebreitete kosmische Ordnung geht, indem sie sich in das Menschenwesen zurückzieht, überhaupt aus dem Raum heraus und taucht in das zeitliche Element des menschlichen Seelenlebens ein. Soviel der Mensch von der Weisheit des alten Kosmos durch das reine denkende Erkennen in sein Seelenleben aufnehmen kann, soviel wird von dieser Weisheit als seelisches Bild für alle Zukunft gerettet. Es bildet den Keim einer künftigen Welt, die entstehen wird, wenn die äußere Erdenwelt längst zugrunde gegangen sein wird. Das Tier, das auch über warmes Blut verfügt, kann diese Arbeit nicht leisten, denn die in der Welt waltende Intelligenz gestaltet zwar seinen Leib und bestimmt sein instinktives Verhalten, aber sie wird in ihm nicht zum seelischen Bild; das bleibt allein dem Menschen vorbehalten, der das reine leibfreie Denken in sich entwickelt. Weil es sich dabei um bloße Bilder handelt, die den materiellen Leib des Menschen nicht ergreifen, sind sie der natürlichen Kausalität entrückt. Weil der Mensch in solchen Bildern leben kann, vermag er ein freies Wesen zu sein. Im Gegensatz zum Tier kann er sich der verursachenden Kraft der kosmischen Intelligenz zu entziehen. In dem Maße, als sie nicht mehr seinen Leib ergreift, sondern sich nur mehr seelisch abbildet, wird sie zur wahrhaft menschlichen Intelligenz. Und was aus dieser menschlichen Intelligenz in die äußere Welt an Taten einfließen kann, das bringt ein völlig neues Element in sie hinein. Bei allem wirklichen künstlerischen Schaffen und bei allem Tun aus moralischer Intuition ist das der Fall. Was dabei aus dem Zentrum des Menschenwesens in der gegenwärtige Welt zufließt, das ist ein Vorgeschmack auf jene geistige Kraft, die einmal von der Peripherie, vom Umkreis her eine völlig neue Welt gestalten wird, wenn der gegenwärtige Kosmos zu Nichts zerstäubt sein wird. Was von der alten Welt in die neue Welt übergehen wird, das wird alleine das in der Seele bewahrte Erinnerungsbild sein. Das vertiefte menschliche Erinnern wird dann zum kosmischen Gedächtnis werden.

Solange man an dem Energieerhaltungssatz in seiner gegenwärtigen Form festhält, d.h., solange man in ihm mehr sieht als das bloße Maßverhältnis der verschiedenen Energiearten zueinander, stellt man sich die Welt auf das bloße physische Dasein beschränkt vor. Hand in Hand damit geht die Vorstellung, daß alle physischen Ereignisse kausal durch andere, vorangegangene, ebenso physische Ereignisse determiniert seien. Der Mechanizismus der klassischen Physik, wie sie insbesondere das 19. Jahrhundert geprägt hat, war ganz auf einem derartigen Denken aufgebaut. In den mechanischen Apparaten, die die Technik hervorgebracht hat, ist dieses Prinzip am reinsten verwirklicht. Die Dampfmaschine, der Verbrennungsmotor oder ähnliches lassen sich tatsächlich ganz in diesem Sinne verstehen. Heute müssen wir aber erkennen, daß dieses Gedankenmodell aber auch wirklich nur für diesen engen Bereich technischer Anwendungen gilt.

In zweifacher Hinsicht wird das für die bloß physische Welt geltende Kausalprinzip durchbrochen, und zwar einerseits dort, wo die untersinnliche Welt in die physischen Erscheinungen einbricht, anderseits dort, wo wir es mit übersinnlichen Wirkungen zu tun haben. Der Einfluß der untersinnlichen Welt wurde den Menschen erstmals mit der Entdeckung der Radioaktivität und den ihr eigenen Zerstörungskräften bewußt. Radioaktive Substanzen zerfallen, wie man sagt, spontan, d.h. ohne physische kausale Verursachung. Später wurde die Quantenmechanik zur umfassenden Theorie dieser untersinnlichen Prozesse, die in diesem Sinn akausal ablaufen und daher nur statistisch erfaßt werden können. Die moderne Elektrotechnik und namentlich die ganze Elektronik, die die moderne Technik bestimmt, beruht auf diesen Erkenntnissen. Wir haben es hier aber gerade mit jenen Kräften zu tun, die die physische Welt immer mehr zermürben und letztlich zu ihre Zerstörung führen werden. Es sind die gleichen Prozesse, die unserer elektrischen Nervenfunktion zugrunde liegen. Sie haben ihre große Aufgabe in der Menschheitsentwicklung, denn nur durch sie konnten wir bewußte Wesen werden. Und die weltweite Entfaltung der Technik ist nur die konsequente und eben so notwendige Fortsetzung dieses Weges. Damit der Mensch wieder zum Geist aufsteigen kann, muß er zeitweilig einen Teil dieser Vernichtungskräfte, die in seinem Wesen immer mehr überhand nehmen, in Form der Technik aus sich heraus setzen.

Die übersinnliche Welt bricht durch das Tor der Wärme, die gerade an der Grenze zwischen sinnlicher und übersinnlicher Welt steht, in das physische Dasein herein. Schon die Bildekräfte, die das Lebendige gestalten, sind bloß physisch-kausal nicht zu verstehen, und noch weniger alle seelischen und Geistigen Impulse, die unser Dasein bestimmen. In den Pflanzen erscheinen durch die Wärme die ätherischen Bildekräfte, die sie gestalten. Im Tier tritt zusätzlich die seelische Wärme in Erscheinung, die sich in Lust und Unlust äußert. Dem Menschen allein ist es vorbehalten, daß in ihm auch das Feuer des Geistes hervortritt, das seinen Willen impulsiert und sich äußerlich in seiner feinst regulierten und beherrschten Blutwärme widerspiegelt. Alles reine, leibfreie Denken ist derart willensgetragen; Denken und Wollen unterscheiden sich auf dieser Erkenntnisstufe nicht voneinander. Das Denken wird zur inneren geistigen Tat, in der das Ich ganz auf sich selbst gestellt ist. Zusammenfassend läßt sich sagen:

Durch das Wärmetor tritt die kosmische Intelligenz in die physische Welt herein, wo sie stufenweise die physische Wärme, die Luft, das Wasser und endlich auch das feste Element gestaltend ergreift. Mineralien, Pflanzen, Tiere und Menschen sind das Ergebnis dieses Wirkens. In den untersinnlichen elektrischen, magnetischen und radioaktiven Vorgängen erstirbt diese alte Weisheit, aber sie wirft zugleich ihren Schatten in das Bewußtsein zurück. Das ist erstmals im Tierreich der Fall, aber erst im Menschen wird die ganze äußere Welt zum inneren seelischen Bild, das er durch das Wärmetor verwandelt zurück in die geistige Welt führen und dadurch die Früchte des Erdenlebens bewahren kann.

zurück Anfang weiter
Home Suchen Vorträge Veranstaltungen Adressen Bücher Link hinzufügen
Diese Seite als PDF drucken Wolfgang Peter, Ketzergasse 261/3, A-2380 Perchtoldsdorf, Tel/Fax: +43-1-86 59 103, Mobil: +43-676-9 414 616 
www.anthroposophie.net       Impressum       Email: Wolfgang.PETER@anthroposophie.net
Free counter and web stats