Das
Leib-Seele-Problem Wie kann der immaterielle Geist auf den
materiellen Körper wirken? Diese Frage hat seit
Descartes die Philosophie immer wieder irritiert.
Descartes war es ja, der die Welt geschieden hatte in die
räumlichen äußeren Dinge, die "res
extensa", und in
das nicht räumliche seelisch-geistige Innenleben des
Menschen, die "res cogitans". Zwischen beiden scheint, wenn man
die Welt so betrachtet, keine Vermittlung möglich. Wenn
der Geist direkt auf körperliches wirkt, dann kann man
im Grunde nur von einer magischen Wirkung sprechen; eine Vorstellung, bei
der jedem Naturwissenschaftler die Haare zu Berge stehen.
Und doch kann man bei unbefangener Beobachtung kaum
leugnen, daß wir diese magische Wirkung tagein tagaus
vollbringen; aus einem rein geistigen Entschluß fließt
unmittelbar etwa die Bewegung unserer Gliedmaßen. Man
kann natürlich als aufrechter Materialist den Geist und
die Seele überhaupt wegleugnen oder als bloße Illusion
ansehen, und den Körper als selbstbeweglichen
Mechanismus auffassen. Damit ignoriert man aber gerade
die wesentlichsten Teile des menschlichen Lebens, das nun
einmal vielfältig durch Gedanken, Gefühle und
Willensimpulse, durch Schmerz, Liebe, Trauer, Moral usw.
gekennzeichnet ist. Einem halbwegs gesunden Empfinden
kann nicht entgehen, daß diese Erfahrungen dem Menschen
nicht weniger gegeben sind als die der äußeren
sinnlichen Welt.
Der erste Denkfehler der
einer Lösung des Leib-Seele-Problems, das in Wahrheit
gar nicht besteht, im Wege steht, ist, daß man den
menschlichen Körper, wie alle räumlichen Dinge, als
scharf umrissenen festen Stoff ansieht. Alle Bewegung
soll darin bestehen, daß sich seine mehr oder weniger
starren Teile gegeneinander bewegen. Die ganze Mechanik
ist auf derartigen Vorstellungen aufgebaut. Nun ist aber
der menschliche Körper nur zum geringsten Teil wirklich
fest, nämlich vorwiegend in den Knochen. Hingegen
bestehen mehr als 80% des Körpers aus Flüssigkeit; dazu
kommt noch die mit der Atmung in den Körper getragene
Luft und die ebenfalls ganz wesentliche Wärme, die den
ganzen Leib durchströmt. Daß der menschliche Geist
nicht direkt auf einen festen Körper einwirken kann, ist
klar. Das ist aber auch nicht nötig. Die Wärme ist das
Tor, durch das die seelische Wärme schreitet und auf der
anderen Seite als physische, d.h. physikalisch meßbare
Wärme erscheint. Und diese kann dann stufenweise weiter
wirken auf Luft, Wasser und endlich auch auf die festen
Bestandteile unseres Leibes. Tatsächlich entsteht alles,
was in unserem Körper fest ist, erst dadurch, daß es
gleichsam aus dem flüssigen Element
herauskristallisiert. Dabei erscheint zugleich auch immer
physisch meßbare Wärme. Es ist ein bekanntes Phänomen,
daß es wärmer wird, wenn es schneit; wenn Wasser, oder
auch jede beliebige andere Flüssigkeit kristallisiert,
so wird dabei die sog. Kristallisationswärme frei.
Umgekehrt benötigt man genau dieselbe Wärmemenge, um
etwa Schnee wieder zum Schmelzen zu bringen. Die dabei
zugeführte Wärme verschwindet völlig, sie macht sich
nicht als Temperaturerhöhung bemerkbar, aber das feste
Eis verwandelt sich in das viel beweglichere Wasser.
Ähnlich verschwindet und erscheint in unserem Körper
beständig Wärme.
Halt, wird der Physiker
sagen; so kann die Seele dennoch nicht auf den Körper
wirken, denn dabei würde der schon angesprochene Energieerhaltungssatz verletzt. Die Wärme verschwinde
nicht einfach, sondern sie verwandele sich in die
Bewegung der Wassermoleküle. Im Grunde sei Wärme
nämlich überhaupt gar nichts anderes, als eine
derartige molekulare Bewegung; so sagt es jedenfalls die
mechanische Wärmetheorie. Aber hier werden zwei Dinge
miteinander identifiziert, die ihrem Wesen nach durchaus
unterschiedlich sind, und mit verschiedenen Sinnen
wahrgenommen werden. Ebensogut könnte man etwa
Fischgeruch mit roter Farbe oder dunklem Klang
identifiziert, das wäre gerade ebenso gescheit.
Verschiedene Sinnesqualitäten lassen sich nicht
auseinander ableiten oder gar miteinander identifizieren,
sie können höchstens in einem bestimmten Verhältnis
zueinander stehen, das sich unter Umständen sogar
quantifizieren läßt. Wärme ist ebensowenig eine Form
der Bewegung, wie auch beispielsweise die Farben nicht
elektromagnetische Schwingungen sind. Das einzige, was
man wirklich beobachten kann, wenn beispielsweise Eis
schmilzt, ist, das Wärme verschwindet und gleichzeitig
das flüssige und von beständigen Konvektionsströmungen
bewegte Wasser erscheint. Daß Wärme in Bewegung
umgewandelt würde, davon kann gar keine Rede sein.
Wärme geht vom sinnlich wahrnehmbaren in den
übersinnlichen Zustand über, während die dynamische
Kraft, die das Wasser bewegt, zugleich aus dem
Übersinnlichen hervortritt. Die so erscheinende Bewegung
kann relativ ungeordnet sein, wie beim Schmelzvorgang, in
ihr kann sich aber auch eine höhere geistige Ordnung
ausdrücken, wenn wir etwa willentlich einen Arm oder ein
Bein bewegen. Das Maßverhältnis zwischen verschwundener
Wärme und hervortretender Bewegung ist in beiden Fällen
gleich; und nur auf dieses konstante Verhältnis bezieht
sich der Energieerhaltungssatz, er wird also keineswegs
verletzt.
Auch der Entropiesatz wird durch diese Anschauung nicht
verletzt. Er besagt, daß sich die Wärme im Laufe der
natürlichen Entwicklung immer gleichmäßiger verteilt
und dadurch der Ordnungsgrad der ganzen äußeren Welt,
in Summe genommen, immer mehr abnimmt, d.h., daß sie
immer weniger differenziert erscheint. Darin drückt sich
nichts anderes aus, als die natürliche Tendenz der bloß
physischen Welt, immer mehr zu zerfallen. Dieser Zerfall
erfolgt allerdings keineswegs völlig gleichmäßig.
Während weite Teile des äußeren Kosmos mehr und mehr
ins Chaos stürzen, tritt in den Einzelwesen, die die
Erde bevölkern, zunächst eine immer höhere
Komplexität zu Tage, die endlich in der Erscheinung des
Menschen gipfelt. Man kann das auch so ausdrücken, daß
man sagt: die weisheitsvolle Ordnung des ganzen Kosmos
wird immer mehr aufgeopfert zugunsten des immer höher
geordneten Menschenwesens.
Der Entropiesatz
verwirklicht sich in der Welt derart, daß die kosmische
Intelligenz immer mehr
in die menschliche
Intelligenz übergeht.
Einmal wird aber auch das
äußere Menschenwesen zerfallen, wird überhaupt alle
Ordnung aus dem äußeren Kosmos verschwunden sein. Dann
aber wird der Mensch die Früchte der alten kosmischen
Intelligenz in sich aufgenommen und durch das Tor der
Wärme in verwandelter Form zurück in die geistige Welt
getragen haben. Im Grunde besagt der Entropiesatz nichts
anderes, als daß die ganze Welt einer ungeheuren
kosmischen Intelligenz entsprungen ist, die im Zuge der
Entwicklung immer mehr in die Einzelwesen hinein stirbt
und dort wieder vergeistigt wird. Wenn alle kosmische
Intelligenz durch das Tor der einzelnen menschlichen
Individuen wieder zum Geist zurückgekehrt sein wird,
dann wird die äußere Schöpfung ihre Aufgabe erfüllt
haben und kann sich in einen gleichmäßigen
Wärmezustand auflösen. Diese ist aber dann selbst auch
nicht mehr sinnlicher Natur, denn jede sinnliche
Wärmeerscheinung beruht auf Wärmedifferenzen. Die
äußere Welt wird dann vollkommen verschwunden sein.
Im Entropiesatz drückt
sich die Zeitlichkeit der geschaffenen kosmischen
räumlich-sinnlichen Welt aus.
Je älter die räumliche,
sinnliche Welt, die der kosmischen Intelligenz
entsprungen ist, wird, desto größer wird die Entropie,
die Unordnung, das Chaos, in die diese Welt allmählich
versinkt. Die Wärme ist das Tor, durch das diese
kosmische Intelligenz, die in der ganzen äußeren Welt
waltet, wieder aus der sichtbaren Welt, in der sie sich
sinnlich sichtbar abbildet, verschwindet. Einzig im
Menschen, wenn er das reine leibfreie Denken entwickelt,
wird ein seelisches Abbild dieser kosmischen Intelligenz,
die sich in das äußere Dasein ergossen hat, geschaffen.
Es ist ein rein seelisches, völlig materiefreies Bild
der den äußeren Kosmos gestaltenden Weisheit. Die
weisheitsvolle Ordnung, die die Welt durchzieht, lebt
dadurch im Menschen verwandelt auf seelische Weise wieder
auf; sonst wäre sie für immer verloren. Die im Raum
ausgebreitete kosmische Ordnung geht, indem sie sich in
das Menschenwesen zurückzieht, überhaupt aus dem Raum
heraus und taucht in das zeitliche Element des
menschlichen Seelenlebens ein. Soviel der Mensch von der
Weisheit des alten Kosmos durch das reine denkende
Erkennen in sein Seelenleben aufnehmen kann, soviel wird
von dieser Weisheit als seelisches Bild für alle Zukunft
gerettet. Es bildet den Keim einer künftigen Welt, die
entstehen wird, wenn die äußere Erdenwelt längst
zugrunde gegangen sein wird. Das Tier, das auch über
warmes Blut verfügt, kann diese Arbeit nicht leisten,
denn die in der Welt waltende Intelligenz gestaltet zwar
seinen Leib und bestimmt sein instinktives Verhalten,
aber sie wird in ihm nicht zum seelischen Bild; das
bleibt allein dem Menschen vorbehalten, der das reine
leibfreie Denken in sich entwickelt. Weil es sich dabei
um bloße Bilder handelt, die den materiellen Leib des
Menschen nicht ergreifen, sind sie der natürlichen
Kausalität entrückt. Weil der Mensch in solchen Bildern
leben kann, vermag er ein freies Wesen zu sein. Im
Gegensatz zum Tier kann er sich der verursachenden Kraft
der kosmischen Intelligenz zu entziehen. In dem Maße,
als sie nicht mehr seinen Leib ergreift, sondern sich nur
mehr seelisch abbildet, wird sie zur wahrhaft
menschlichen Intelligenz. Und was aus dieser menschlichen
Intelligenz in die äußere Welt an Taten einfließen
kann, das bringt ein völlig neues Element in sie hinein.
Bei allem wirklichen künstlerischen Schaffen und bei
allem Tun aus moralischer Intuition ist das der Fall. Was
dabei aus dem Zentrum des Menschenwesens in der
gegenwärtige Welt zufließt, das ist ein Vorgeschmack
auf jene geistige Kraft, die einmal von der Peripherie,
vom Umkreis her eine völlig neue Welt gestalten wird,
wenn der gegenwärtige Kosmos zu Nichts zerstäubt sein
wird. Was von der alten Welt in die neue Welt übergehen
wird, das wird alleine das in der Seele bewahrte
Erinnerungsbild sein. Das vertiefte menschliche Erinnern
wird dann zum kosmischen Gedächtnis werden.
Solange man an dem
Energieerhaltungssatz in seiner gegenwärtigen Form
festhält, d.h., solange man in ihm mehr sieht als das
bloße Maßverhältnis der verschiedenen Energiearten
zueinander, stellt man sich die Welt auf das bloße
physische Dasein beschränkt vor. Hand in Hand damit geht
die Vorstellung, daß alle physischen Ereignisse kausal
durch andere, vorangegangene, ebenso physische Ereignisse
determiniert seien. Der Mechanizismus der klassischen
Physik, wie sie insbesondere das 19. Jahrhundert geprägt
hat, war ganz auf einem derartigen Denken aufgebaut. In
den mechanischen Apparaten, die die Technik
hervorgebracht hat, ist dieses Prinzip am reinsten
verwirklicht. Die Dampfmaschine, der Verbrennungsmotor
oder ähnliches lassen sich tatsächlich ganz in diesem
Sinne verstehen. Heute müssen wir aber erkennen, daß
dieses Gedankenmodell aber auch wirklich nur für diesen
engen Bereich technischer Anwendungen gilt.
In zweifacher Hinsicht
wird das für die bloß physische Welt geltende Kausalprinzip durchbrochen, und zwar einerseits
dort, wo die untersinnliche Welt in die physischen
Erscheinungen einbricht, anderseits dort, wo wir es mit
übersinnlichen Wirkungen zu tun haben. Der Einfluß der
untersinnlichen Welt wurde den Menschen erstmals mit der
Entdeckung der Radioaktivität und den ihr eigenen Zerstörungskräften
bewußt. Radioaktive Substanzen zerfallen, wie man sagt,
spontan, d.h. ohne physische kausale Verursachung.
Später wurde die Quantenmechanik zur umfassenden Theorie
dieser untersinnlichen Prozesse, die in diesem Sinn
akausal ablaufen und daher nur statistisch erfaßt werden
können. Die moderne Elektrotechnik und namentlich die
ganze Elektronik, die die moderne Technik bestimmt,
beruht auf diesen Erkenntnissen. Wir haben es hier aber
gerade mit jenen Kräften zu tun, die die physische Welt
immer mehr zermürben und letztlich zu ihre Zerstörung
führen werden. Es sind die gleichen Prozesse, die
unserer elektrischen Nervenfunktion zugrunde liegen. Sie
haben ihre große Aufgabe in der Menschheitsentwicklung,
denn nur durch sie konnten wir bewußte Wesen werden. Und
die weltweite Entfaltung der Technik ist nur die
konsequente und eben so notwendige Fortsetzung dieses
Weges. Damit der Mensch wieder zum Geist aufsteigen kann,
muß er zeitweilig einen Teil dieser Vernichtungskräfte,
die in seinem Wesen immer mehr überhand nehmen, in Form
der Technik aus sich heraus setzen.
Die übersinnliche Welt
bricht durch das Tor der Wärme, die gerade an der Grenze
zwischen sinnlicher und übersinnlicher Welt steht, in
das physische Dasein herein. Schon die Bildekräfte, die
das Lebendige gestalten, sind bloß physisch-kausal nicht
zu verstehen, und noch weniger alle seelischen und
Geistigen Impulse, die unser Dasein bestimmen. In den
Pflanzen erscheinen durch die Wärme die ätherischen
Bildekräfte, die sie gestalten. Im Tier tritt
zusätzlich die seelische Wärme in Erscheinung, die sich
in Lust und Unlust äußert. Dem Menschen allein ist es
vorbehalten, daß in ihm auch das Feuer des Geistes hervortritt, das seinen Willen
impulsiert und sich äußerlich in seiner feinst
regulierten und beherrschten Blutwärme widerspiegelt.
Alles reine, leibfreie Denken ist derart willensgetragen;
Denken und Wollen unterscheiden sich auf dieser
Erkenntnisstufe nicht voneinander. Das Denken wird zur
inneren geistigen Tat, in der das Ich ganz auf sich
selbst gestellt ist. Zusammenfassend läßt sich sagen:
Durch das Wärmetor tritt
die kosmische Intelligenz in die physische Welt herein,
wo sie stufenweise die physische Wärme, die Luft, das
Wasser und endlich auch das feste Element gestaltend
ergreift. Mineralien, Pflanzen, Tiere und Menschen sind
das Ergebnis dieses Wirkens. In den untersinnlichen
elektrischen, magnetischen und radioaktiven Vorgängen
erstirbt diese alte Weisheit, aber sie wirft zugleich
ihren Schatten in das Bewußtsein zurück. Das ist
erstmals im Tierreich der Fall, aber erst im Menschen
wird die ganze äußere Welt zum inneren seelischen Bild,
das er durch das Wärmetor verwandelt zurück in die
geistige Welt führen und dadurch die Früchte des
Erdenlebens bewahren kann.
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