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Anthroposophische Leitsätze


SCHLAF UND WACHEN IM LICHTE DER VORANGEGANGENEN BETRACHTUNGEN

Schlaf und Wachen wurde innerhalb der anthroposophischen Auseinandersetzungen oftmals von den verschiedensten Gesichtspunkten aus betrachtet. Aber das Verständnis solcher Lebenstatsachen muß immer von neuem vertieft werden, wenn anderes aus dem Weltbestande betrachtet worden ist. Die Auseinandersetzungen darüber, daß die Erde ein Keim für den neu erstehenden Makrokosmos ist, ergeben für die Anschauungen von Schlafen und Wachen solche Möglichkeiten eines vertieften Verständnisses.

Im Wachzustande lebt der Mensch in den Gedankenschatten, die von einer erstorbenen Welt geworfen werden, und in den Willensimpulsen, in deren inneres Wesen er mit dem gewöhnlichen Bewußtsein ebensowenig hineinsieht wie in die Vorgänge des tiefen, traumlosen Schlafes.

In dem Einströmen dieser unterbewußten Willensimpulse in die Gedankenschatten ersteht das freiwaltende Selbstbewußtsein. In diesem Selbstbewußtsein lebt das «Ich».

Indem der Mensch in diesem Zustande die Umwelt erlebt, ist sein inneres Erfühlen durchdrungen von außerirdischen, von kosmischen Impulsen, die aus urferner kosmischer Vergangenheit in die Gegenwart hereinragen. Er wird sich dessen nicht bewußt. Ein Wesen kann sich nur dessen bewußt werden, an dem es mit eigenen ersterbenden Kräften teilnimmt, nicht mit wachsenden Kräften, die das Wesen selbst beleben. So erlebt sich der Mensch, indem er das seinem innern Wesen zugrunde Liegende aus dem Geistesauge verliert. Gerade dadurch aber ist er in der Lage, während des Wachzustandes ganz in den Gedankenschatten sich zu fühlen. Kein Aufleben hindert das innere Dasein an der Teilnahme am Erstorbenen. Aber diesem «Leben in dem Erstorbenen» verschließt sich das Wesenhafte des Irdischen, daß es Keim eines neuen Weltalls ist. Der Mensch nimmt im Wachzustande die Erde nicht wahr, wie sie ist; es entgeht ihm ihr beginnendes kosmisches Leben.

So lebt der Mensch in dem, was ihm als Grundlage seines Selbstbewußtseins die Erde gibt. Er verliert im Zeitalter der selbstbewußten Ich-Entfaltung die wahre Gestalt seiner inneren Impulse wie auch diejenige seiner Umgebung aus dem Geistesauge. Aber gerade in diesem Schweben über dem Sein der Welt erlebt der Mensch das Sein des Ich, erlebt er sich als selbstbewußtes Wesen. Über ihm der außerirdische Kosmos, unter ihm im Irdischen eine Welt, deren Wesenhaftigkeit verborgen bleibt; dazwischen die Offenbarung des freien «Ich», dessen Wesenhaftigkeit in vollem Glänze der Erkenntnis und des freien Wollens erstrahlt.

Anders im Schlafzustande. Da lebt der Mensch in seinem Astralleibe und in seinem Ich im Keimesleben der Erde. Intensivstes «Ins-Leben-Wollen» wirkt in des Menschen Umgebung, wenn er im traumlosen Schlafe ist. Und die Träume sind durchsetzt von diesem Leben, aber nicht so stark, daß der Mensch sie nicht in einer Art Halbbewußtheit erleben könnte. In diesem halbbewußten Hinschauen auf die Träume sieht man die Kräfte, durch die die menschliche Wesenheit aus dem Kosmos heraus gewoben wird. Im Aufleuchten des Traumes wird sichtbar, wie das Astralische menschenbelebend in den Ätherleib einströmt. In diesem Aufleuchten lebt der Gedanke noch. Nach dem Aufwachen wird er erst umfangen von denjenigen Kräften, durch die er erstirbt, zum Schatten wird.

Bedeutsam ist dieser Zusammenhang zwischen Traumvorstellung und Wachgedanken. Der Mensch denkt in denselben Kräften, durch die er wächst und lebt. Nur müssen diese Kräfte, damit der Mensch zum Denker wird, ersterben.

Da ist der Punkt, wo ein rechtes Verständnis darüber aufgehen kann, warum der Mensch denkend die Wirklichkeit erfaßt. Er hat in seinen Gedanken das tote Bild dessen, was ihn aus der lebensvollen Wirklichkeit heraus selber bildet.

Das tote Bild: dieses tote Bild ist aber das Ergebnis der Tätigkeit des größten Malers, des Kosmos selbst. Aus dem Bilde bleibt zwar das Leben weg. Bliebe es nicht weg, so könnte das Ich sich nicht entfalten. Aber es ist in ihm aller Inhalt des Weltenalls in seiner Herrlichkeit.

So weit als es damals im Zusammenhange der Darstellung möglich war, wies ich schon in meiner «Philosophie der Freiheit» auf dieses innere Verhältnis zwischen Denken und Weltwirklichkeit hin. Es ist an der Stelle geschehen, wo ich davon spreche, daß von den Tiefen des denkenden Ich zu den Tiefen der Natur-Wirklichkeit eine Brücke führt.

Für das gewöhnliche Bewußtsein wirkt der Schlaf deshalb auslöschend, weil er in das in den werdenden Makrokosmos hineinsprießende, keimende Leben der Erde führt. Wird dieses Auslöschen behoben durch das imaginative Bewußtsein, so steht vor der menschlichen Seele nicht eine Erde mit scharfen Konturen im Mineral-, Pflanzen- und Tierreiche. Es steht vielmehr da ein lebendiger Vorgang, der sich innerhalb der Erde entzündet und der in den Makrokosmos hinaus flammt.

Es ist so, daß sich der Mensch mit dem eigenen Ich-Sein aus dem Sein der Welt im Wachzustande herausheben muß, um zum freien Selbstbewußtsein zu kommen. Im Schlafzustande vereinigt er sich dann wieder mit dem Welt-Sein.

Das ist im gegenwärtigen kosmischen Weltenaugenblicke der Rhythmus des irdischen Menschen-Daseins außer dem «Innern» der Welt mit Erleben des Eigenwesens; und des Daseins in dem «Innern» der Welt mit Auslöschung des Bewußtseins vom Eigenwesen.

In dem Zustande zwischen dem Tode und einer neuen Geburt lebt das Menschen-Ich innerhalb der Wesen der Geist-Welt. Da tritt in das Bewußtsein alles, was sich während des irdischen Wachlebens diesem entzieht. Es treten die makrokosmischen Kräfte auf von ihrem Voll-Leben in urferner Vergangenheit bis zu dem Erstorben-Sein in der Gegenwart. Es treten aber auch die irdischen Kräfte auf, die der Keim sind des werdenden Makrokosmos. Und in seine Schlafzustände sieht der Mensch hinein, wie er während des Erdenlebens auf die in der Sonne erglänzende Erde sieht.

Nur dadurch, daß der Makrokosmos, so wie er gegenwärtig ist, ein Erstorbenes wurde, kann das Menschenwesen in dem Leben zwischen Tod und neuer Geburt ein Leben durchmachen, das gegenüber dem wachen Erdenleben ein höheres Aufwachen bedeutet. Ein Aufwachen, durch das der Mensch fähig wird, die Kräfte voll zu meistern, die im Traume ein flüchtiges Aufflackern zeigen. Diese Kräfte erfüllen den ganzen Kosmos. Sie sind alles durchdringend. Ihnen entnimmt das Menschenwesen die Impulse, aus denen es sich beim Heruntersteigen auf die Erde seinen Leib, das große Kunstwerk des Makrokosmos formt.

Was im Traume wie sonnenverlassen aufdämmert, das lebt in der Geistwelt geistes-sonnenhaft durchströmt, wartend, bis die Wesenheiten der höheren Hierarchien oder der Mensch es wesenbildend im Schaffen aufrufen.

Goetheanum, Januar 1925.

 

Lit.: GA 26

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