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Anthroposophische Leitsätze


DES MENSCHEN SINNES- UND DENK-ORGANISATION IM VERHÄLTNIS ZUR WELT

Wenn der Mensch, das eigene Menschenwesen betrachtend, zunächst das imaginative Erkennen auf sich anwendet, so streift er in der Anschauung sein Sinnessystem ab. Er wird für seine Selbstanschauung ein Wesen ohne dieses System. Er hört nicht auf, Bilder vor seiner Seele zu haben, die vorher von den Sinnesorganen getragen waren; aber er hört auf, sich durch diese Organe mit der physischen Außenwelt verbunden zu fühlen. Die Bilder, die er von der physischen Außenwelt vor der Seele hat, sind jetzt nicht von den Sinnesorganen getragen: sie sind für die unmittelbare Anschauung ein Beweis dafür, daß der Mensch durch die Sinnesverbindung hindurch mit der natürlichen Umwelt noch in einer ändern Verbindung steht, die nicht von den Sinnen getragen ist. Es ist die Verbindung mit dem Geiste, der in der natürlichen Außenwelt verkörpert ist.

In solcher Anschauung fällt also die physische Welt von dem Menschen ab. Es ist das Irdische, das abfällt. Der Mensch fühlt dieses Irdische nicht mehr an sich.

Man könnte glauben, daß ihm damit das Selbstbewußtsein schwindet. Das scheint aus den bisherigen Betrachtungen zu folgen, die das Selbstbewußtsein als ein Ergebnis des Zusammenhanges des Menschen mit der Erden-Wesenheit aufgezeigt haben. Es ist aber nicht so. Was der Mensch durch das Irdische erworben hat, das bleibt ihm, auch wenn er nach der Erwerbung im erlebenden Erkennen das Irdische von sich abstreift.

Durch die geschilderte geistig-imaginative Anschauung zeigt sich, daß der Mensch im Grunde sein Sinnessystem gar nicht intensiv mit sich verbunden hat. Es lebt eigentlich nicht er in diesem Sinnessystem, sondern die Umwelt. Diese hat sich mit ihrem Wesen in die Sinnesorganisation hineingebaut.

Und der imaginativ-schauende Mensch betrachtet deshalb auch die Sinnesorganisation als ein Stück Außenwelt. Ein Stück Außenwelt, das ihm allerdings nähersteht als die natürliche Umwelt, das aber doch Außenwelt ist. Es unterscheidet sich von der übrigen Außenwelt nur dadurch, daß der Mensch in diese nicht anders als durch die Sinneswahrnehmung erkennend untertauchen kann. In seine Sinnesorganisation taucht er aber erlebend unter. Die Sinnesorganisation ist Außenwelt, aber der Mensch streckt in diese Außenwelt sein geistig-seelisches Wesen hinein, das er beim Betreten des Erdendaseins aus der Geist-Welt mitbringt.

Mit Ausnahme der Tatsache, daß der Mensch seine Sinnesorganisation mit seinem geistig-seelischen Wesen erfüllt, ist diese Organisation Außenwelt, wie es die um ihn sich ausbreitende Pflanzenwelt ist. Das Auge gehört letzten Endes der Welt, nicht dem Menschen, wie die Rose, die der Mensch wahrnimmt, nicht ihm, sondern der Welt gehört.

In dem Zeitalter, das der Mensch in der kosmischen Entwickelung eben durchgemacht hat, traten Erkennende auf, die da sagten: Farbe, Ton, Wärme-Eindrücke seien eigentlich nicht in der Welt, sondern im Menschen. Die «rote Farbe», so sagen sie, sei nichts da draußen in der menschlichen Weltumgebung, sondern nur die Wirkung von etwas Unbekanntem auf den Menschen. - Aber die Wahrheit ist das gerade Gegenteil von dieser Anschauung. Nicht die Farbe gehört mit dem Auge dem Menschenwesen an, sondern das Auge gehört mit der Farbe der Welt an. Der Mensch läßt während seines Erdenlebens nicht die irdische Umgebung in sich hereinströmen, sondern er wächst zwischen Geburt und Tod in diese Außenwelt hinaus.

Es ist bedeutsam, daß sich am Ende des finsteren Zeitalters, in dem der Mensch in die Welt starrt, ohne das Licht des Geistes auch nur ahnend zu erleben, die wahre Ansicht von dem Verhältnis des Menschen zur Umwelt geradezu in das Gegenbild des Wahren verkehrt.

Hat der imaginativ Erkennende diejenige Umwelt abgestreift, in der er mit seiner Sinnesorganisation lebt, so tritt in das Erleben eine Organisation ein, von der das Denken so getragen ist wie das sinnliche Bild-Wahrnehmen durch die Sinnesorganisation.

Und jetzt weiß sich der Mensch durch diese Denk-Organisation mit der kosmischen Sternen-Umgebung so in Zusammenhang, wie er sich vorher durch die Sinnes-Organisation mit der Erden-Umgebung in Zusammenhang gewußt hat. Er erkennt sich als kosmisches Wesen. Die Gedanken sind nicht mehr Schattenbilder; sie sind von Wirklichkeit durchtränkt wie die Sinnesbilder in der sinnlichen Wahrnehmung.

Steigt nun der Erkennende zur Inspiration auf, so wird er gewahr, daß er diese Welt, die sich auf die Denkorganisation stützt, ebenso abstreifen kann wie die irdische. Er durchschaut, wie er auch mit dieser Denkorganisation nicht dem eigenen Wesen, sondern der Welt angehört. Er durchschaut, wie die Weltgedanken durch seine eigene Denk-Organisation in ihm walten. Er wird wieder gewahr, wie er denkt, indem er nicht Abbilder der Welt in sich hereinnimmt, sondern wie er mit der Denkorganisation in das Weltdenken hinauswächst.

Sowohl in bezug auf die Sinnesorganisation wie auf das Denksystem ist der Mensch Welt. Die Welt baut sich in ihn hinein. Dadurch ist er im Sinneswahrnehmen und im Denken nicht er selbst, sondern er ist da Welt-Inhalt.

In die Denkorganisation streckt nun der Mensch das Geistig-Seelische seines Wesens hinein, das weder der Erden- noch der Sternen-Welt angehört, das ganz geistiger Art ist und von Erdenleben zu Erdenleben in dem Menschen west. Dieses Geistig-Seelische ist nur der Inspiration zugänglich.

So tritt der Mensch aus seiner irdisch-kosmischen Organisation heraus, um durch seine Inspiration als rein geistigseelisches Wesen vor sich zu stehen.

In dieser rein geistig-seelischen Wesenheit trifft der Mensch auf das Walten seines Schicksals auf.

Mit der Sinnes-Organisation lebt der Mensch in seinem physischen Leib, mit der Denk-Organisation in seinem ätherischen Leib. Nach Abstreifung beider Organisationen durch das erlebende Erkennen ist er in seinem astralischen Leib.

Jedesmal, wenn der Mensch von seinem angenommenen Wesen etwas abstreift, wird zwar auf der einen Seite sein Seelen-Inhalt ärmer; aber er wird auf der ändern Seite zugleich reicher. Hat der Mensch nach der Abstreifung des physischen Leibes die Schönheit der sinnenfälligen Pflanzenwelt nur noch abgeblaßt vor sich, so tritt dafür vor seine Seele die ganze Welt der Elementarwesen, die in dem Pflanzenreiche leben.

Weil es so ist, herrscht aber bei dem wirklich geistig Erkennenden nicht eine asketische Stimmung gegenüber dem, was die Sinne wahrnehmen. Im geistigen Erleben bleibt ihm voll-lebendig das Bedürfnis, das Geistig-Erlebte auch wieder durch die Sinne wahrzunehmen. Und wie bei dem Vollmenschen, der nach Erleben der ganzen Wirklichkeit strebt, die Sinneswahrnehmung die Sehnsucht nach dem Gegenpol, nach der Welt der Elementarwesen weckt, so weckt das Anschauen der Elementarwesen wieder die Sehnsucht nach dem Inhalt der Sinneswahrnehmung.

Im Gesamt-Menschenleben verlangt der Geist nach dem Sinne, und der Sinn nach dem Geiste. - Im geistigen Dasein wäre Leerheit, wenn nicht als Erinnerung die Erlebnisse des Sinnen-Erlebens darinnen wären; im Sinnes-Erleben wäre Finsternis, wenn nicht leuchtend, obwohl zunächst unterbewußt, die Kraft des Geistigen hereinwirkte.

Es wird daher, wenn sich der Mensch reif gemacht haben wird, die Betätigung des Michael mitzuerleben, nicht etwa ein Verarmen der Seelen an Natur-Erlebnissen eintreten, sondern im Gegenteil eine Bereicherung. Und auch das Gefühlsleben wird nicht dazu neigen, sich von dem Sinnes-Erleben abzuziehen, sondern es wird freudige Neigung da sein, um die Wunder der Sinnen-Welt voll in die Seele aufzunehmen.

Goetheanum, Februar 1925.

 

Lit.: GA 26

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