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Timaios

Übersetzt von Franz Susemihl (1856)

Sokrates · Timaios · Kritias · Hermokrates

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Nunmehr aber muß gesagt werden, daß zunächst vom Feuer mancherlei Arten sich gebildet haben,  so die Flamme und das von ihr Ausgehende, was  nicht brennt, wohl aber Licht den Augen darbietet,  und das, was nach dem Erlöschen der Flamme in  den durchglühten Körpern an Feuerstoff (als  Wärme) zurückbleibt. Ebenso gibt es viele Arten  der Luft: die reinste, welche mit dem Namen Äther, und die trübste, welche Nebel und Gewölk benannt wird, und noch andere, welche keinen besonderen  Namen führen, alle entstanden durch die ungleiche  Größe der Dreiecke. Von Wasser und  Feuchtigkeiten aber gibt es zunächst eine zwiefache Art: die leichtflüssige und die schwerflüssige. Die  erstere nun ist, weil sie alle diejenigen Arten von  Feuchtigkeit unter sich faßt, deren Teile von geringerer und dabei ungleicher Größe sind, leicht beweglich, sowohl an und für sich selbst als auch  durch andere Körper, eben wegen dieser Mannigfaltigkeit der Zusammensetzung und der daraus  hervorgehenden Eigentümlichkeit der Gestalt. Die  letztere dagegen, aus großen und gleichen Teilen  bestehend, ist unbeweglicher als jene, schwer und  starr infolge dieser Gleichförmigkeit, wird aber,  wenn sie durch eindringendes Feuer aufgelöst und  infolgedessen derselben beraubt wird, mehr der Bewegung fähig, und wenn dies in hohem Grade der  Fall geworden ist, so läßt sie sich von der umgebenden Luft forttreiben und breitet sich so über die  Erde aus, und man sagt dann: »sie schmilzt« oder  »sie wird geschmolzen«, um dadurch die Auflösung Ihrer Massen, und: »sie ist flüssig«, um dadurch ihre Ausbreitung über die Erde zu bezeichnen und so durch diese beiden Ausdrücke die doppelte mit ihr vorgegangene Veränderung kundzugeben. Verläßt das Feuer aber einen solchen Körper  wieder, so drückt es, weil es eben nicht in einen  leeren Raum fortgeht, auf die umgebende Luft, so  daß diese infolgedessen wieder auf die noch sehr  bewegliche feuchte Masse drückt und so diese in  sich selber zusammendrängt, so daß nunmehr von  ihr selbst die Zwischenräume ausgefüllt werden, in  denen zuvor das Feuer seinen Sitz hatte; und die so zusammengedrängte Masse erlangt dadurch ihre  Gleichmäßigkeit wieder, da der Urheber der Ungleichmäßigkeit, das Feuer, sich entfernt hat, und  kehrt so ganz in seinen früheren Zustand zurück.  Und diese Entfernung des Feuers nennt man Abkühlung, die Verdichtung aber, welche ihre Folge  ist, ein Starrwerden der Masse. Von allen diesen  Körpern nun, welche wir schwerflüssig genannt  haben, ist der aus den feinsten und gleichmäßigsten Teilen entstehende, dichteste, in seiner Art einzige,  von glänzend gelber Farbe, das köstlichste Besitztum, das Gold, erstarrt, indem es sich durch Stein  hindurchseihete. Ein Sprößling des Goldes aber,  wegen seiner Dichtigkeit sehr hart und geschwärzt,  wurde Adamas genannt. Als eine zweite Art glänzender starrgewordener Flüssigkeit, welche aus  beinahe ebenso kleinen Teilen besteht, aber deren  mehr als eine Art enthält, an Dichtigkeit selbst  noch das Gold übertrifft und einen Beisatz von  einem geringen Teilchen Erde hat, so daß es demzufolge härter, aber wegen der großen Zwischenräume, die es in sich hat, leichter ist, bildete sich  ferner das Erz. Was ihm aber von Erde beigemischt ist, das scheidet sich von ihm, wenn beide alt geworden sind, und tritt für sich heraus und heißt  dann Rost.

Was sonst noch zu dieser Art gehört, das, der  wahrscheinlichen Darstellung folgend, aufzuzählen, ist weiter keine Kunst, und wenn man einmal zum  Zwecke der Erholung die Untersuchungen über das  ewig Seiende zur Seite legt und auf die über das  Werden, welche nur Wahrscheinlichkeit gewähren,  sein Augenmerk richtet und sich so einen Genuß,  dem keine Reue folgt, bereitet, so hat man damit  für sein Leben eine unterhaltende Beschäftigung  gewonnen, wie sie angemessen und verständig ist.  Ihr wollen wir daher auch jetzt uns hingeben und  über den vorliegenden Gegenstand auch noch das  Fernere der Reihe nach nach Maßgabe der Wahrscheinlichkeit in folgender Weise durchgehen:  Alles mit Feuer vermischte Wasser, welches dünn  und leichtflüssig ist, wird wegen dieser seiner Bewegung und seines Laufes, in welchem es über die  Erde dahinrollt, eben mit diesem letzteren Namen  als leichtflüssig bezeichnet; ferner ist es auch  weich, weil seine Grundflächen minder fest als die  der Erde und daher nachgiebig sind. Sobald nun  dies, von Feuer und Luft geschieden, für sich allein besteht, dann wird es gleichmäßiger und wird von  jenen beiden von ihm ausgeschiedenen Substanzen  in sich selber zusammengedrängt; und so erstarrt,  wird das, was über der Erde am meisten diese Veränderung erleidet, Hagel, das auf ihr aber Eis, von  dem weniger und erst halb Erstarrten dagegen das  über der Erde Schnee, das auf ihr Starrgewordene,  aus Tau Entstandene aber Reif genannt. Die meisten Arten von Feuchtigkeit aber, unter einander  gemischt und so zu einer Gesamtart verbunden,  sind die durch die aus der Erde hervorwachsenden  Pflanzen hindurchgeseiheten Säfte, und da ein jeder derselben durch die Mannigfaltigkeit dieser Mischungen eine andere Beschaffenheit erhielt, so bildeten sie eine große Zahl von besonderen Arten,  größtenteils ohne besondere Namen; diejenigen  vier derselben aber, welche Feuer enthalten und  daher ganz besonders glänzend sind, haben deren  folgende erhalten: die eine, welche die Seele zugleich mit dem Körper durchwärmt, ist der Wein;  die andere, welche glatt ist und den Sehstrahl ausdehnt und demgemäß auch glänzend, blank und  schimmernd anzuschauen ist, die ölige Art, Harz,  Rizinus- und das Olivenöl selber und was sonst  noch die gleiche Beschaffenheit hat. Von derjenigen sodann, welche ihre auflösende Kraft auf die  für den Gaumen zubereiteten Mischungen erstreckt  und dadurch ihm einen süßen und angenehmen Geschmack bereitet, empfing die Hauptart den Namen Honig. Endlich diejenige Art, welche dagegen das  Fleisch selber auflöst und, wenn es in Brand gerät,  schaumartig ist, ward zum Unterschiede von allen  anderen Säften Opium genannt.

Was aber die Arten der Erde anlangt, so bildet  der eine Teil derselben, nämlich der, welcher durch  Wasser hindurchgeseihet wird, sich auf folgende  Weise zu einem steinernen Körper: Das beigemischte Wasser geht, wenn es innerhalb dieser Beimischung zersetzt wird, in die Gestalt der Luft  über, und die so entstandene Luft steigt auf zu der  ihr angehörigen Region. Es umgibt sie aber nichts  Leeres, und sie drückt daher auf die benachbarte  Luft. Diese nun, wegen ihrer Schwere, wird dadurch auf die Erdmasse getrieben und um sie herum gegossen, drückt sie mithin in hohem Grade und  drängt sie, die leeren Räume wieder auszufüllen,  welche dadurch entstanden sind, daß die neugebildete Luft sie verlassen hatte. Erde aber, von Luft so zusammengedrängt, daß sie durch Wasser nicht  auflösbar ist, wird dadurch zur Steinmasse, und  zwar ist die schönere die durchsichtige, welche aus  gleichen und ähnlichen Teilen besteht, die häßlichere aber die von entgegengesetzter Beschaffenheit. Aus dem anderen Teile aber, welcher durch  die Gewalt des Feuers seiner feuchten Bestandteile  beraubt wird, entsteht, wenn dies vollständig  geschieht und er so noch trockener in seiner Zusammensetzung wird als der Stein, die Gattung,  welche wir mit dem Namen Ton belegt haben; doch kommt es auch vor, daß die Erde, ohne alle ihre  Feuchtigkeit zu verlieren, vom Feuer zerschmolzen  wird, und dann bildet sich, sobald sie sich wieder  abgekühlt hat, eine steinartige Masse von schwarzer Farbe, und wenn sie auf dieselbe Weise eines  großen Teiles von dem ihr beigemischten Wasser  entledigt wird, aber die Erdteile feiner und von salzig bitterem Geschmacke sind, so entsteht aus ihr,  sobald sie halb starr und von neuem durch Wasser  auflösbar geworden ist, einmal das Natron, wohlgeeignet zur Reinigung von Öl- und Staubflecken,  und sodann das Salz, fast allen Verbindungen unentbehrlich, die erfunden sind, um dem Geschmackssinne zu schmeicheln, und nach dem Ausspruche des Gesetzes ein von der Gottheit geliebter Körper.

Was dagegen die aus Erde und Wasser gebildeten Körper anbetrifft, die nicht durch Wasser, sondern nur durch Feuer aufgelöst werden können, so  erhalten sie diese ihre Festigkeit auf folgende  Weise: Feuer und Luft bringen die Massen der  Erde nicht zum Schmelzen; denn da ihre Teile kleiner sind als die leeren Zwischenräume in der Zusammensetzung der Erde, so gelangen sie durch  diese vielen und weiten Gänge ohne allen Kampf  hindurch, und so lassen sie die Erde unaufgelöst  und ungeschmolzen; die Teile des Wassers dagegen bahnen sich, weil sie größer sind, mit Gewalt einen Durchgang und bringen sie durch Auflösung zum  Schmelzen. Wenn also die Erde nicht gewaltsam  zusammengedrängt ist, so löst auf diese Weise nur  das Wasser, ist sie es aber, so nichts als das Feuer  sie auf: denn so bleibt einzig dem letzteren der Zugang übrig. Aber auch von den Verbindungen des  Wassers ist die gewaltsam verdichtete allein durch  Feuer, die minder dichte aber durch beides, Feuer  und Luft, zersetzbar, durch diese in den leeren Zwischenräumen, durch jenes auch in den Dreiecken.  Gewaltsam zusammengedrängte Luft aber kann gar nicht mehr anders als in ihre Urbestandteile aufgelöst, nicht zusammengedrängte allein durch Feuer  geschmolzen werden. Demgemäß finden denn bei  den aus Erde und Wasser gemischten Körpern, solange das Wasser in ihnen nach jener gewaltsamen  Zusammenpressung die leeren Zwischenräume der  Erde innehat, die von außen andringenden Wasserteile keinen Eingang und fließen daher vielmehr um die ganze Masse herum und lassen sie ungeschmolzen; die Feuerteile hingegen dringen in die leeren  Zwischenräume des Wassers ein und haben so,  weil das Feuer auf die Luft eben dieselbe  Einwirkung ausübt wie das Wasser auf die Erde,  allein die Fähigkeit, einen solchen gemischten Körper zu schmelzen und in einen flüssigen Zustand zu versetzen. Es sind das aber teils solche, die weniger Wasser als Erde enthalten, so die ganze zum Glase  gehörige Gattung und die sogenannten brennbaren  Steinarten, teils solche, die mehr Wasser enthalten,  nämlich alle wachsartigen und Wohlgerüche verbreitenden Körper.

Und damit dürften denn die Gestaltungen, Verbindungen und Umwandlungen in einander, in welche die vier Gattungen eingehen, und die Mannigfaltigkeit ihrer daraus entspringenden Arten so  ziemlich dargelegt sein, und wir müssen nunmehr  zu entwickeln versuchen, aus welchen Ursachen die Eindrücke, welche sie auf uns ausüben, hervorgehen. Vor allen Dingen nun steht fest, daß alle in  Rede stehenden Körper die Fähigkeit haben, wahrgenommen und empfunden zu werden; sodann aber haben wir noch nicht dargelegt, wie das Fleisch  und alles, was zum Fleische gehört, und wie der  sterbliche Teil der Seele entstanden ist; denn es  kann dies weder gesondert von den Sinneseindrücken, soweit sie wirklich empfunden werden,  noch diese ohne jenes befriedigend behandelt werden, und doch ist beides zugleich zu behandeln  auch beinahe unmöglich. Wir müssen daher  zunächst das eine von beiden (als wäre es schon  abgetan) voraussetzen und nachher auf dies Vorausgesetzte wieder zurückkommen; und damit nun  die Darstellung der Eindrücke sich unmittelbar an  die der vier Gattungen anschließe, von denen sie  ausgehen, so wählen wir hierzu das Körper und  Seele Anlangende.

Nehmen wir also zuerst in Betracht, inwiefern  wir das Feuer warm nennen, und zwar in der  Weise, daß wir die Zersetzung und Zerschneidung,  welche durch dasselbe in unserem Körper vor sich  geht, in Erwägung ziehen. Denn daß dieser Eindruck ein scharfer ist, empfinden wir wohl alle.  Wir müssen aber in Anbetracht der feinen Kanten,  der spitzigen Ecken, der kleinen Teile und der  schnellen Bewegung, zufolge alles dessen es mit  Unwiderstehlichkeit und zersetzender Schärfe stets  alles, was ihm in den Weg kommt, zerschneidet,  und eingedenk der Entstehung seiner Gestalt urteilen, daß vor allem diese und keine andere Wesenheit eben dadurch, daß sie unsern Körper auflöst  und in kleine Teile zerstückelt, aller Wahrscheinlichkeit nach diesen Eindruck, welchen wir jetzt  mit dem Worte »warm« bezeichnen, sowie diese  seine Bezeichnung hervorgebracht hat.

Das Gegenteil hiervon ist zwar klar, gleichwohl  aber soll es einer Erläuterung nicht entbehren.  Wenn nämlich die aus größeren Teilen bestehenden von den Feuchtigkeiten, welche unseren Körper  umgeben, in ihn eintreten und die kleiner geteilten  hinauszutreiben suchen, so drängen sie, da sie in  ihre Sitze nicht einzudringen vermögen, diese in  uns befindlichen flüssigen Teile zusammen und bewirken so, daß sie aus ihrer bisherigen Ungleichmäßigkeit und Beweglichkeit durch den auf sie  ausgeübten Druck in eine gleichförmige Masse zusammengehen und dadurch unbeweglich werden  und erstarren. Das widernatürlich Zusammengetriebene aber kämpft naturgemäß dagegen an, indem es sich seinerseits wieder auf seinen Gegner drängt.  Diesem Kampfe nun und dieser Erschütterung  wurde der Name Zittern und Frost beigelegt, und  dieser ganze Eindruck und das ihn Verursachende  empfing den der Kälte und des Kalten.

Hart ferner wurde alles genannt, welchem unser  Fleisch, weich dagegen alles, was unserem Fleische nachgibt, und somit hart und weich auch alles, was  sich ebenso auch gegen einander verhält. Nachgibt  aber alles, was auf kleiner Grundfläche steht, wogegen die Gattung, welche aus viereckigen Grundflächen besteht, weil sie eine starke Unterlage hat,  am meisten Widerstand leistet, und ebenso alles,  was zur größten Dichtigkeit verbunden ist, auch die größte Kraft zum Widerstreben besitzt.

Schwer und leicht sodann wird sich am deutlichsten erklären lassen, wenn man es im Zusammenhange mit dem, was oben und unten heißt, untersucht. Es ist nämlich ganz falsch, wenn man  glaubt, daß es von Natur zwei entgegengesetzte  Orte gebe, welche das All in zwei Teile zerlegten,  der eine unten, nach welchem alles, was eine Körpermasse hat, hingetrieben werde, und der andere  oben, nach welchem sich alles nur gewaltsam hinbewegen lasse. Denn da das ganze Weltgebäude  kugelgestaltig ist, so muß alles, was in gleichem  Abstande von der Mitte die äußersten Punkte bildet, diese seiner Natur nach auch überall ganz in  der gleichen Weise bilden, und man muß vielmehr  die Mitte, da sie nach eben denselben Maßen von  diesen äußersten Punkten absteht, als ihnen allen  gegenüberstehend betrachten. Und da nun die Welt  so beschaffen ist, - welches von dem beiden eben  Genannten dürfte man wohl nach oben oder nach  unten versetzen, ohne sich dabei den gerechten  Vorwurf einer unpassenden Bezeichnung zuzuziehen? Denn den mittleren Ort in ihr ist man weder  als unten noch als oben, sondern eben nur als in der Mitte befindlich zu bezeichnen berechtigt; der im  Umkreis liegende aber ist weder selbst ein mittlerer, noch auch hat er irgend einen von einem anderen abweichenden Teil in sich, der mehr nach der  Mitte zu läge als irgend einer von seinen auf der  entgegengesetzten Seite befindlichen Punkten. Was sich aber so auf allen Seiten gleichmäßig verhält,  wie dürfte da jemand sich berechtigt glauben, dem  entgegengesetzte Benennungen, von welcher Art  sie auch sein mögen, beizulegen? Denn auch wenn  es einen festen Körper gibt, welcher in der Mitte  des Alls im Gleichgewicht schwebt, so wird dieser  doch eben niemals nach einem der äußersten Punkte mehr als nach irgend einem andern hingetrieben  werden wegen des durchweg gleichmäßigen Verhaltens von ihnen allen, und auch wenn jemand im  Kreise sich um denselben herumbewegte, so würde  er oft, wenn er an entgegengesetzten Punkten desselben stehen bliebe, denselben Teil dieses Körpers unten und dann wieder oben nennen. Kurz, wie  eben bereits gesagt, von dem Ganzen, das kugelförmig ist, zu behaupten, daß es einen unteren und  einen oberen Teil habe, ziemt keinem Verständigen. Woher es aber kommt, daß wir von einem  Oben und Unten sprechen, und worin dieser Gegensatz wirklich seine Stelle hat, so daß wir nach  ihm auch das ganze Weltgebäude einzuteilen und  zu bezeichnen gewohnt sind, darüber müssen wir  uns jetzt, indem wir folgende Voraussetzung dabei  zugrunde legen, verständigen: Wenn jemand in  dem Räume des Alls, in welchem vor allem das  Feuer seinen natürlichen Ort hat, und wo daher  auch am meisten dasjenige aufgehäuft ist, nach  welchem es hingetrieben wird, auf das Feuer hinaufträte und die nötige Kraft zu diesem seinem  Vorhaben empfinge und nun so Teile des Feuers  wegnähme und sie auf Waagschalen legte, wie um  sie zu wägen, so wird ja offenbar, indem er die  Waage in die Höhe hebt und so das Feuer mit Gewalt in die ihr unähnliche Luft hinaufzieht, die kleinere Masse leichter als die größere sich ihm dabei  fügen; denn von zwei durch eine Kraftäußerung zugleich in die Höhe gehobenen Gegenständen erfährt doch wohl notwendig der kleinere dadurch eine  stärkere, der größere eine geringere Anspannung,  und jener wird daher mehr, dieser aber weniger der  Gewalt nachgeben, und der letztere schwer und  nach unten sinkend, der erstere aber leicht und nach oben steigend genannt werden. Beobachten wir nun nur, daß wir eben dasselbe auch in diesem unserem Wohnorte tun: Denn oben auf der Erde stehend,  bringen wir vielfach erdartige Gegenstände, indem  wir sie von einander sondern, und zuweilen auch  Erde selbst, mit Gewalt und wider ihre Natur in die ihr unähnliche Luft hinein, indem beides vielmehr  an der verwandten Substanz festhält, und die kleinere Masse, leichter als die größere, gibt dabei eher unserer Gewalt nach, die sie zu dem ihr  Unähnlichen hinzieht. Diese nennen wir daher  leicht, und den Ort, an welchem wir sie zwangen,  oben; mit dem entgegengesetzten Eindruck aber  verbinden wir die Namen schwer und unten. Diese  Eindrücke und Zustände verhalten sich nun aber  notwendig in sich selber entgegengesetzt, weil die  Hauptmassen der vier Elemente einander entgegengesetzte natürliche Orte haben; was daher an dem  einen Orte leicht ist, wird man dem Leichten am  entgegengesetzten Orte, und ebenso das Schwere  dem Schweren und das Unten dem Unten und das  Oben dem Oben alles teils geradezu entgegengesetzt, teils schräg gegen einander stehend und so in  allen Stücken von einander abweichend finden, sei  es, daß es schon in dieser wechselseitigen Lage ist,  oder erst in dieselbe gerät. Doch ist wenigstens dieses eine in bezug auf alles jenes zu bemerken, daß  die Richtung nach dem Verwandten zu, welche  einem jeglichen Körper innewohnt, das dorthin Getriebene schwer und den Ort, nach welchem dasselbe hingetrieben wird, zum Unten macht und das  entgegengesetzte Verhalten auch die entgegengesetzte Wirkung hervorbringt. Und so mag denn  hiermit die Ursache auch dieser Eindrücke angegeben sein.

Worin dann ferner der Eindruck des Glatten und Rauhen seinen Grund hat, dürfte wohl jedermann  zu erkennen und einem andern mitzuteilen imstande sein: Härte mit Ungleichmäßigkeit verbunden  bringt diesen, Gleichmäßigkeit mit Dichtigkeit  jenen hervor.

Wir haben aber jetzt von dem noch übrigen und  gerade dem Bedeutendsten unter den gemeinsamen  Eindrücken des ganzen Körpers, nämlich davon,  wann mit den bisher erörterten Empfindungen sich  die des Angenehmen und Unangenehmen verbindet, die Ursache anzugeben und über alles dasjenige zu sprechen, was, und darüber, woher es in den  Teilen des Körpers Empfindbarkeit erlangt und in  ihnen Schmerz und Lust zum Gefolge hat. Und wir  wollen demgemäß so die Ursachen von jedem empfindbaren und nicht empfindbaren Eindrucke zu erfassen suchen, indem wir uns die Art, wie wir im  Vorigen das Bewegliche und das Träge unterschieden, ins Gedächtnis zurückrufen; denn auf diesem  Wege muß alles, was wir zu finden beabsichtigen,  aufgesucht werden. Das seiner Natur nach Leichtbewegliche nämlich trägt, wenn es auch nur einen  geringen Anstoß empfangen hat, diesen ringsum  von dem einen seiner Teile immer wieder zum andern mit gleicher Wirkung über, bis die letztere  zum vernünftigen Teile vorgedrungen ist und so  diesem die Einwirkung des Gegenstandes, welcher  den Anstoß hervorgebracht hat, zum Bewußtsein  bringt; das Entgegengesetzte aber, welches sich  träge verhält und nicht im Kreise bewegt, empfängt bloß einen Anstoß, ohne ein anderes. Benachbartes infolgedessen zu bewegen, so daß jener erste Eindruck, da ihn die Teile nicht aufeinander übertragen, sich nicht in ihnen durch das ganze lebendige  Wesen hindurchbewegt und so dieses unempfindlich läßt gegen diesen Anstoß, den es erfahren hat.  Dies gilt nun von den Knochen, Haaren und von  allen anderen zumeist erdigen Teilen, welche wir  an uns tragen, das erstere dagegen vorzugsweise  vom Gesicht und Gehör, weil in ihnen Feuer und  Luft am meisten ihren Wirkungskreis haben. Lust  und Schmerz nun aber sind dabei folgendermaßen  zu erklären: Ein wider unsere Natur und in gewaltsamer Weise auf uns ausgeübter starker und plötzlich entstehender Eindruck ist schmerzlich, und  derjenige, welcher, ebenfalls stark und plötzlich,  unser naturgemäßes Befinden wiederherstellt, ist  angenehm, derjenige aber, welcher nur allmählich  vor sich geht und mit nur geringer Kraft ausgeübt  wird, gelangt überhaupt nicht zur Empfindung.  Alle Eindrücke ferner, welche mit Leichtigkeit  ihren Fortgang nehmen, berühren zwar aufs allerstärkste die Empfindung; an Schmerz und Lust  aber sind sie ohne Anteil, wie namentlich die, welche der Sehstrahl selbst erfährt, von welchem wir  im Vorhergehenden bemerkt haben, daß er ein bei  Tage sich innig mit uns verbindender Körper sei.  Denn ihm bereiten Schneiden und Brennen und alle anderen Eindrücke, welche er erleidet, keinen  Schmerz, noch auch die Rückkehr in den voraufgehenden Zustand Lust, und doch treten bei ihm gerade die stärksten und deutlichsten Empfindungen  und Wahrnehmungen ein, sowohl von den Eindrücken, welche er selber empfängt, als auch von  denen, welche er seinerseits auf alle Gegenstände,  mit denen er irgendwie in Berührung tritt, hervorbringt; denn weder bei seiner Ausdehnung noch bei seiner Zusammenziehung findet irgend welche Gewalt statt. Aber die aus größeren Teilen als das  Feuer bestehenden Körper, welche der Einwirkung  nur schwer nachgeben und doch die Bewegungen  durch das Ganze fortpflanzen, bringen Lust und  Schmerz mit sich: Schmerz, wenn sie ihrem ursprünglichen Zustande entfremdet, Lust, wenn sie  wieder in diesen zurückgebracht werden. Die Körper ferner, deren Aussonderungen und Entleerungen allmählich, und deren Anfüllungen dagegen auf einmal und in Massen vor sich gehen, sind unempfindlich gegen die ersteren und empfindlich gegen  die letzteren und bereiten dem sterblichen Teile der  Seele keinen Schmerz, wohl aber die größte Lust,  und es zeigt sich dies bei den Wohlgerüchen. Alle  diejenigen dagegen, welche schnell und massenweise ihrem ursprünglichen Zustande entfremdet werden und sich nur allmählich und mit Mühe wieder  in diesen zurückversetzen lassen, bringen die gerade entgegengesetzten Erscheinungen zuwege, und  dies wiederum wird dabei ersichtlich, wenn der  Körper gebrannt und geschnitten wird.

Und nun sind die dem ganzen Körper gemeinsamen Eindrücke und die Benennungen, welche danach allen Gegenständen, durch welche sie bewirkt  werden, erteilt worden sind, so ziemlich dargelegt  worden, und wir müssen daher nun, soweit wir es  vermögen, auch hinsichtlich der Vorkommnisse an  besonderen Teilen von uns sowohl die Eindrücke  selbst als auch wiederum die Ursachen, weshalb  bestimmte Gegenstände sie bewirken, zu beleuchten versuchen. Zuerst also müssen wir alle die  zuvor, als wir von den Säften sprachen, von uns  übergangenen besonderen Eindrücke der Zunge  nach Kräften klarmachen. Offenbar nun entstehen  auch diese, wie ja auch die meisten anderen, durch  gewisse Zusammenziehungen und Ausdehnungen;  außerdem aber hängen sie dabei mehr als die anderen von Rauheit und Glätte ab. Alles nämlich aus  erdigen Teilen Bestehende, was in der Umgebung  der gleichsam wie Fühlfäden der Zunge nach dem  Herzen ausgespannten Äderchen auf die feuchten  und zarten Teile des Fleisches gerät und so nach  der dadurch vor sich gegangenen Zerschmelzung  seiner eigenen Bestandteile jene Äderchen zusammenzieht und austrocknet, gibt, je nachdem die ersteren mehr oder weniger rauh sind, einen mehr  oder minder herben Geschmack. Dasjenige aber,  welches auch diese abreibt und überhaupt alles der  Zunge Anklebende wegwäscht, wird, wenn es dies  in übermäßigem Grade tut und sie selber mit angreift, so daß es ihr einen Teil ihrer Masse wegfrißt, wie dies die Eigenschaft der Laugensalze ist,  alles insgesamt bitter genannt; wenn es aber diese  laugenartige Beschaffenheit nicht erreicht und die  abreibende Kraft nur in gemäßigtem Grade äußert,  so erscheint es uns salzig, ohne rauhe Bitterkeit  und mehr unserer Natur verwandt. Dasjenige ferner, welches die Wärme des Mundes in sich aufnimmt und von ihr erweicht wird und dabei, nachdem es so warm geworden ist, seinerseits wiederum dasjenige erhitzt, von welchem es diese Wärme  empfangen hat, und durch seine Leichtigkeit auch  zu den Organen des Kopfes aufsteigt und alles zersetzt, worauf es trifft, solches alles wird um dieser  seiner Wirkungen willen scharf genannt. Wenn  aber diese nämlichen Substanzen zuvor durch Fäulnis verdünnt sind und so in die engen Adern eindringen und mit den in ihnen befindlichen Erd- und Luftteilen, soweit auch die letzteren im richtigen  Verhältnis zu der Masse der ersteren vorhanden  sind, in Verbindung treten, so bewirken sie durch  diese ihre Bewegung, daß alles in einen Wirbel um  einander gerät, infolgedessen aber auch sich in einander verwickelt und in fremde Bestandteile eindringend diese aushöhlt, indem sie sich um die eindringenden herum ausdehnen, - wodurch sie denn,  indem sie demgemäß aus hohler Feuchtigkeit, teils  erdiger und teils auch reiner, bestehen, welche um  Luft herum ausgedehnt ist, zu feuchten Luftbehältern oder, mit andern Worten, zu hohlen und runden Wassertropfen werden, und zwar so, daß die  aus reiner Feuchtigkeit eine durchsichtige Umgebung bilden, welche den Namen Blasen führt, während man von denen aus erdiger, welche eben deshalb sich zugleich in steter aufsteigender Bewegung befindet, sagt, daß sie sieden und in der Gärung begriffen sind, - und die Ursache dieser Eindrücke ist das, was wir mit dem Namen des Sauren belegen. Der allen bisher auf diesem Gebiete genannten entgegengesetzte Eindruck aber geht auch  von einer ganz entgegengesetzten Veranlassung  aus: sooft nämlich die in den Mund eingehende  Masse in seinen Feuchtigkeiten eine mit der Zunge  verwandte Beschaffenheit annimmt und infolgedessen sowohl die rauh gewordenen Teile durch einen  Überzug abglättet, als auch die widernatürlich zusammengezogenen auflockert und die widernatürlich ausgedehnten wieder zusammenzieht und so  alles möglichst in seinen naturgemäßen Zustand  zurückversetzt, wird alles derartige, welches in dieser Weise sich zu einem jedermann angenehmen  und erwünschten Heilmittel gegen gewaltsame Eindrücke gestaltet, als süß bezeichnet.

Und das hierher Gehörige wäre nun dies. Was  aber die Tätigkeiten der Geruchswerkzeuge anbetrifft, so gibt es von ihnen keine Arten. Denn alle  Gerüche sind etwas Zwitterhaftes, und keinem von  den sogenannten Elementen ist ein inneres Verhältnis zu irgend einem Geruche zuteil geworden; sondern unsere zur Geruchsbildung bestimmten Adern  sind für die verschiedenen Arten der Erde und des  Wassers zu eng, für die des Feuers und der Luft  aber zu weit gebildet. Daher hat an ihnen allen niemand jemals einen Geruch wahrgenommen, sondern es entsteht ein solcher immer nur dann, wenn  etwas feucht wird oder verfault oder schmilzt oder  in Rauch aufgeht. Nämlich in dem Zwischenzustande beim Übergang des Wassers in Luft und der Luft in Wasser werden sie hervorgebracht; denn  alle Gerüche lassen sich auf Rauch und auf Nebel  zurückführen, Nebel aber bezeichnet den Übergang aus Luft in Wasser, Rauch dagegen den aus  Wasser in Luft, und demzufolge ist alles, was Geruch an sich trägt, feiner als Wasser, aber dicker als Luft. Das wird offenbar, sobald jemand nach Verstopfung der Atmungswerkzeuge mit Gewalt Atem  holt; denn dann wird kein Geruch mit durchgelassen, sondern der Atem, frei von allen Gerüchen,  folgt allein. Deswegen also haben ihre Verschiedenheiten keine besonderen Namen, da sie nicht  aus vielen und einfachen Arten hervorgehen; sondern man macht hier nur den zweigliedrigen Unterschied des Angenehmen und des Unangenehmen,  weil dieser allein deutlich an ihnen hervortritt. Unangenehm nämlich sind diejenigen Gerüche, welche auf die ganze Höhlung, die in unserem Körper zwischen Scheitel und Nabel liegt, einen rauhen und  gewaltsamen Eindruck machen, angenehm diejenigen, welche auf ebendieselbe beruhigend wirken  und sie auf eine erwünschte Weise wieder in ihren  natürlichen Zustand zurückführen.

Als dritten mit Empfindung begabten Teil in uns müssen wir das Gehör in Betracht ziehen und angeben, aus welchen Ursachen seine Eindrücke hervorgehen. Im allgemeinen nun stellen wir fest, daß  Ton die von der Luft ausgehende Erschütterung sei, welche sich von den Ohren durch das Gehirn und  das Blut bis zur Seele fortsetzt, und daß die von ihr erregte Bewegung, welche vom Kopfe beginnt und  um den Sitz der Leber herum endigt, Gehör sei.  Soweit diese nun schnell vor sich geht, erzeugt sie  einen hohen, soweit sie langsamer vor sich geht,  erzeugt sie einen tieferen Ton, die gleichmäßige  einen gleichförmigen und glatten (oder sanften), die entgegengesetzte einen rauhen, die heftige einen  starken, jede entgegengesetzte aber einen schwachen. Über ihre Harmonie aber ist in den später  nachfolgenden Erörterungen zu reden.

Noch ist uns eine vierte Art der Empfindung  durchzugehen übrig, welche zahlreiche Verschiedenheiten enthält, die wir insgesamt Farben genannt haben, und welche aus der Flamme bestehen, die von den einzelnen Körpern ausstrahlt und deren verschiedene Teile in einem entsprechenden Verhältnisse zu dem Gesicht stehen und daher von ihm wahrgenommen werden. Vom Gesicht nun sind die  Ursachen seiner Entstehung bereits im vorhergehenden kurz angegeben worden; hinsichtlich der  Farben aber dürfte dies die wahrscheinlichste und  einem Vernünftigen am meisten geziemende Erklärung sein, daß die von anderen Körpern ausgehenden und in das Gesicht fallenden Teilchen teils  kleiner, teils größer, teils endlich ebenso groß als  die Teile des Sehstrahls sind. Die zuletztgenannten  nun werden nicht wahrgenommen, weshalb wir sie  auch durchsichtig nennen; die größeren und  kleineren aber, von denen jene ihn zusammenziehen, diese ihn erweitern, sind für ihn beinahe dasselbe, was warme und kalte Substanzen für das  Fleisch, und was für die Zunge alle herben und erhitzenden Speisen und Getränke, welche letzteren  wir scharf genannt haben, sind, so daß das Weiße  und Schwarze dieselben Eindrücke, wie die von  jenen Substanzen hervorgebrachten, aber in einem  anderen Gebiete, sind und nur aus diesem letzteren  Grund uns auch andere Eindrücke zu sein scheinen. Daher muß man sie auch hiernach bestimmen: was  den Sehstrahl ausdehnt, ist weiß, das Gegenteil  davon schwarz. Wenn aber das Feuer eines anderen Körpers mit einer heftigeren Bewegung auf den Sehstrahl trifft und ihn bis zu den Augen selbst hin  ausdehnt, so daß es die Durchgänge der Augen  selbst gewaltsam auftreibt und zerschmilzt und so  bewirkt, daß jene Verbindung von Feuer und Wasser aus ihnen herausfließt, die wir Tränen nennen,  und welche nichts anderes ist als die Gestalt, in  welcher eben hierdurch das von entgegengesetzter  Richtung jenem anderen entgegenkommende Feuer  auftritt, so entstehen, indem die eine dieser Feuersubstanzen blitzartig herausspringt und die andere  hineindringt und in den Feuchtigkeiten des Auges  erlischt, in dieser Vermischung von ihnen mannigfaltige Farben, und wir nennen dann diesen  Eindruck Schimmern und dasjenige, was ihn bewirkt, glänzend und strahlend. Wenn aber das  Feuer innerhalb dieser Verbindung zwar in die  Feuchtigkeit der Augen eindringt und sich mit ihr  vermischt, aber dabei nicht glänzt, sondern vermöge der Hindurchmischung des Feuerglanzes durch  die Feuchtigkeit eine Blutfarbe annimmt, so gebrauchen wir hiervon den Namen Rot. Glänzendes,  mit Rot und Weiß gemischt, gibt Gelb; wieviel  aber das Maß für jedes einzelne in dieser Mischung betrage, das zu sagen hätte, auch wenn man es  wüßte, keinen Sinn, da man hiervon weder die Notwendigkeit noch die Wahrscheinlichkeit auch nur  annähernd anzugeben imstande sein würde. Rot  ferner, mit Schwarz und Weiß verbunden, wird  meerpurpurn, dunkelpurpurn aber, wenn diese Mischung gebrannt und zu ihr noch mehr Schwarz  hinzugetan wird. Das Braun entsteht aus der Mischung von Gelb und Grau, das Grau aus der von  Weiß und Schwarz, das Blaßgelb aus der von  Weiß mit Gelb. Wenn ferner Weiß zu Glänzend  hinzukommt und dann auf gesättigtes Schwarz  fällt, so wird die blaue Farbe hervorgebracht, und  wenn Blau mit Weiß verbunden wird, die hellblaue, wird aber Schwarz mit Braun vermischt, die lauchgrüne. Und hieraus ist denn auch schon hinlänglich klar, wie man, an der Wahrscheinlichkeit  festhaltend, aus ähnlichen Mischungen auch die anderen Farben entstehen lassen muß. Aber wenn jemand dies auf dem Wege des praktischen Versuches erproben wollte, so würde er damit den Unterschied der menschlichen und der göttlichen Natur  verkannt haben, sofern Gott zwar wohl das Viele in Eins zu verbinden und das Eine wieder in Vieles  aufzulösen hinlängliche Einsicht und zugleich  Macht besitzt, von den Menschen aber keiner  weder das eine noch das andere ins Werk zu setzen  weder jetzt imstande ist noch auch hinfort jemals  dazu imstande sein wird.

Alles dies nun fand damals in dieser von der  Notwendigkeit ausgegangenen Beschaffenheit der  Werkmeister des Schönsten und Besten in dem  Werdenden vor, als er den sich selbst genügenden  und vollendetsten Gott erzeugte, indem er dabei  zwar die hierin liegenden Ursachen zu Hilfe nahm,  aber doch so, daß die Vollendung, zu welcher alles  Werdende gedieh, dabei ganz sein eigenes Werk  war. Deshalb muß man denn auch zwei Arten von  Ursachen unterscheiden, die notwendige und die  göttliche, und zwar die göttliche in allen Dingen  aufsuchen zum Erwerbe eines glückseligen Lebens, soweit diesen unsere Natur verstattet, aber in Rücksicht auf jene auch die notwendige, indem man bedenkt, daß es ohne sie nicht möglich ist, jenen  eigentlichen Gegenstand unseres Strebens rein für  sich zu erkennen oder zu erfassen oder sonst irgendwie seiner teilhaftig zu werden.

Und da uns nun also jetzt, gleichwie Baumeistern, die Arten der Ursachen gleichsam als Material zugerichtet vorliegen, aus welchem der noch übrige Teil unserer Erörterung zusammengefügt werden muß, so wollen wir in der Kürze noch einmal  zum Anfange zurückkehren und uns in der Geschwindigkeit noch einmal zu demselben Punkte  begeben, von welchem wir hierher gelangt sind,  und dann versuchen, unserer Dichtung einen dem  Vorhergehenden entsprechenden Schluß hinzuzufügen. Wie also schon im Anfange gesagt wurde, -  nachdem Gott alle diese Dinge m einem ungeordneten Zustande vorgefunden, pflanzte er ihnen Ebenmaß in sich und unter einander ein, so weit und in  solcher Weise, als es ihnen eben möglich war, in  Verhältnismäßigkeit und Ebenmaß zu stehen. Denn damals hatte an demselben nichts, es sei  denn durch Zufall, irgend einen Anteil, noch verdiente überhaupt irgend etwas, so wie jetzt, einen  bestimmten Namen zu führen, wie Feuer und Wasser und was es sonst noch gibt; sondern alles dieses ordnete er zuerst gehörig, und sodann setzte er hieraus dieses All zusammen als ein einziges belebtes  Wesen, welches die Gesamtheit aller besonderen  lebendigen Wesen, der sterblichen wie der unsterblichen, in sich schließt. Und zwar wurde er vom  Göttlichen in ihnen selber der Bildner; die Entstehung des Sterblichen aber trug er seinen eigenen  Erzeugten zu bewerkstelligen auf. Diese nun, in  Nachahmung seiner, umwölbten die überkommene  unsterbliche Grundlage der Seele rings herum mit  einem sterblichen Körper, gaben ihr den ganzen  Leib gleichsam zum Fahrzeug und legten in ihm  noch eine andere Art von Seele, die sterbliche, an,  welche gefährliche und der blinden Notwendigkeit  folgende Eindrücke aufnimmt, zunächst die Lust,  die stärkste Lockspeise des Bösen, dann den  Schmerz, den Verscheucher des Guten, fernerhin  Mut und Furcht, zwei törichte Ratgeber, schwer zu  besänftigenden Zorn und leicht verlockende Hoffnung; endlich verbanden sie mit ihr vernunftlose  Empfindung und Wahrnehmung und allunternehmende Liebe, der Notwendigkeit gemäß, und so  setzten sie das Geschlecht der Sterblichen zusammen. Demgemäß ferner aus Scheu, das Göttliche in der Seele zu beflecken, weisen sie dem Sterblichen  in ihr, getrennt von demselben, einen anderen Teil  des Körpers zum Wohnsitze an und schoben zwischen beide, um sie gesondert von einander zu erhalten, den Hals als Grenzscheide und schmalen  Verbindungssteg zwischen Kopf und Brust ein. In  die Brust nämlich und den sogenannten Brustkasten schlossen sie die sterbliche Seele ein; weil  aber der eine Teil von ihr von besserer, der andere  von schlechterer Art war, so trennen sie wiederum  die Brusthöhle, um gleichsam wie in einem Hause  die Wohnung der Männer von der der Frauen abzusondern, indem sie das Zwerchfell als eine Scheidewand zwischeneinspannten. Dem streitliebenden  Teil der Seele also, welcher teil hat an Tapferkeit  und Zorn, wiesen sie näher nach dem Kopfe zu,  zwischen Zwerchfell und Hals, seinen Wohnsitz  an, damit er, der Vernunft gehorchend, in Gemeinschaft mit ihr die Begierden im Zügel hielte, wenn  sie dem von der Königsburg ausgehenden Befehle  und Spruche gutwillig durchaus nicht folgen wollen. Das Herz aber, die Verknüpfung der Adern  und Quelle des durch alle Glieder mit Heftigkeit  umgetriebenen Blutes, versetzten sie gleichsam in  die Trabantenwohnung, damit sofort die Gewalt  des Zornes aufwallen könne bei der ihm von der  Vernunft erteilten Nachricht, daß in irgend einem  Gliede etwas Unrechtes vorkomme, sei es von  außen oder auch von innen her durch die drinnen  wohnenden Begierden, und von ihm aus schleunig  alles, was im Körper mit Empfindung begabt ist,  durch alle jene schmalen Verbindungswege die Ermahnungen und Drohungen der Gebieterin  vernehme und ihnen nach allen Seiten Folge leiste  und das Beste in uns also durchweg in sich herrschen lasse. Da sie nun aber voraussahen, daß alle  solche Aufwallungen der zornesfähigen Teile, wie  das Pochen des Herzens bei der Erwartung des  Schrecklichen und der Aufregung des Zornes, vermittelst des Feuers vor sich gehen müßten, so  pflanzten sie, um für das Üble an solchen Zuständen eine Abhilfe zu gewähren, das Gebilde der  Lunge in die Brust hinein, welche fürs erste weich  und blutlos und fürs zweite durchlöchert ist wie ein Schwamm, damit sie Atem und Trank aufnehme  und abkühle und so dem Herzen Erquickung und  Erleichterung bei der Hitze verschaffe. Deshalb  also führten sie Kanäle der Luftröhre nach der  Lunge und legten die letztere um das Herz herum  wie ein weiches Kissen, damit jenes, wenn der  Zorn in ihm aufloderte, an etwas Nachgiebiges anschlüge und eine Abkühlung fände und so mit geringerer Anstrengung mehr der Vernunft mit seinem Zorne dienen könne.

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