Sie gaben beide zu, dieses sei es.
Und die vorigen Reden, sprach er, nehmt ihr die
alle nicht an, oder einige zwar, andere aber nicht?
Einige wohl, sprachen sie, andere aber nicht.
Was sagt ihr also von jener Rede, sprach er, in
welcher wir behaupteten, alles Lernen sei Erinnerung, und wenn sich dies so verhalte, müsse
notwendig unsere Seele anderswo vorher sein, ehe sie
an den Leib gebunden worden?
Ich meinesteils, sprach Kebes, war damals wunderbar
überzeugt davon und bleibe auch jetzt dabei
wie bei nichts anderem.
Und mir, sagte Simmias, geht es ebenso, und es sollte
mich wundern, wenn ich jemals hierüber anders dächte.
Aber du mußt doch anders denken, o Freund aus
Theben, sprach Sokrates, wenn nämlich jene Meinung bestehen soll, daß eine Harmonie ein
zusammengesetztes Ding ist, und daß die Seele als eine
Harmonie aus dem, was in dem Leibe unter sich
gespannt ist, bestehe. Denn du wirst doch nicht
sagen wollen, die Harmonie sei eher vorhanden, als
dasjenige da ist, woraus sie hervorgehen muß, oder
willst du das?
Keineswegs, o Sokrates, sagte er.
Merkst du nun aber wohl, sagte er, daß dir dieses herauskommt, wenn du sagst, die Seele sei
eher, als sie in menschliche Gestalt und Leib
komme, sie sei aber zusammengesetzt aus dem,
was dann noch nicht ist? Die Harmonie wenigstens
ist nicht so, der du sie vergleichst; sondern die
Leier und die Saiten und die Töne sind vorher ungestimmt da, und zuletzt von allen entsteht die
Harmonie und geht zuerst wieder unter. Wie kann dir
nun diese Rede mit jener zusammenstimmen?
Gar nicht, sprach Simmias.
Und doch, sprach er, sollte ja wohl, wenn irgend
eine Rede, die über die Harmonie gut zusammenstimmen.
Das sollte sie wohl, sagte Simmias.
Diese aber, sagte er, stimmt dir doch nicht; also
sieh zu, welche von beiden du wählen willst: die,
daß das Lernen Erinnerung ist, oder die, daß die
Seele Harmonie ist?
Viel lieber jene, o Sokrates, sagte er. Denn diese
letztere ist mir ohne allen Beweis gekommen nur
aus einer gewissen Wahrscheinlichkeit und Angemessenheit, woher auch die meisten Menschen zu
ihren Meinungen kommen; ich weiß aber, daß die
Reden, die sich nur durch einen solchen Schein bewähren, leere Prahler sind, und wenn man sich
nicht wohl mit ihnen vorsieht, einen gar leicht betrügen, in der Geometrie und in allem andern. Jene
Rede aber von dem Lernen und der Erinnerung
beruht auf einem annehmungswürdigen Grunde:
denn es war gesagt worden, daß unsere Seele auch,
ehe sie in den Leib komme, ebenso sei, wie jenes
Wesen ihr eignet, welches den Beinamen führt dessen, was ist. Und dieses habe ich, wie ich mich
selbst überzeuge, ganz mit Recht und mit gutem
Grunde angenommen. Daher ist nun notwendig,
wie ich sehe, daß ich es weder mir noch einem andern gelten lasse, welcher sagt, die Seele sei eine
Harmonie.
Und was, sprach er, o Simmias, sagst du hierzu?
Scheint dir wohl der Harmonie oder irgend einer
andern Zusammensetzung zuzukommen, daß sie
sich anders verhalten könne wie jenes, woraus sie
besteht?
Keineswegs.
Auch nicht irgend etwas anderes tun, wie ich
denke, oder leiden außer dem, was jenes tut und
leidet?
Er stimmte zu.
Also kommt auch wohl der Harmonie nicht zu,
das anzuführen, woraus sie zusammengesetzt ist,
sondern zu folgen?
Das dünkte ihn auch so.
Weit gefehlt also, daß die Harmonie entgegengesetzt sich bewegen oder klingen oder sonstwie
entgegengesetzt sein könnte ihren Teilen.
Weit gefehlt, sagte er.
Und wie? Ist nicht ihrer Natur nach jede Harmonie geradeso Harmonie, wie sie harmonisch
gestimmt ist?
Das verstehe ich nicht, sagte er.
Nicht, sagte er, wenn sie besser gestimmt ist
oder in höherem Grade, falls dieses geschehen
kann, wird sie dann nicht auch mehr Harmonie sein
und in höherem Grade; Wenn aber in geringerem
und weniger, dann auch nicht so sehr und weniger?
Freilich.
Findet nun das wohl auch bei der Seele statt, daß
eine Seele auch nur im allergeringsten mehr und in
höherem Grade oder weniger und in geringerem als
die andere eben dieses, Seele, sein kann?
Nicht im mindesten, sagte er.
Wohlan denn, beim Zeus, sprach er, von der
einen Seele sagt man doch, daß sie Vernunft hat
und Tugend und gut ist, von der andern aber, daß
sie Unvernunft und Verderben hat und schlecht ist,
und das sagt man doch mit Recht?
Mit Recht freilich.
Die nun sagen, daß die Seele eine Harmonie ist,
was werden die wohl sagen, daß dieses sei in den
Seelen, die Tugend und das Laster? Etwa wiederum
eine andere Harmonie und Mißharmonie? So daß
die eine harmonisch gestimmt ist, die gute, und in
ihr selbst, die doch Harmonie ist, eine andere Harmonie hat, die andere aber wiederum
mißharmonisch gestimmt ist und keine andere Harmonie in
sich hat?
Ich weiß es nicht zu sagen, sprach Simmias: offenbar aber müßte so etwas sagen, wer jenes
voraussetzt.
Darüber aber sind wir ja vorher einig geworden,
daß keine Seele mehr oder weniger Seele ist als die
andere, und dies ist doch ebensoviel, als daß keine
Harmonie mehr oder weniger Harmonie ist als die
andere; nicht wahr?
Freilich.
Die aber weder mehr noch weniger Harmonie ist,
ist auch weder mehr noch weniger harmonisch gestimmt. Ist es so?
So ist es.
Die aber weder mehr noch weniger harmonisch
gestimmte, hat die wohl größeren oder geringeren
Anteil an dem Wesen der Harmonie oder gleichen?
Gleichen.
Also auch die Seele, wenn die eine eben dieses,
Seele, weder mehr noch weniger ist als die andere,
ist sie also auch weder mehr noch weniger harmonisch gestimmt?
So ist es.
Und steht es so, so hat auch die eine weder mehr
noch weniger Anteil an Mißharmonie oder Harmonie?
Freilich nicht.
Und steht es wiederum so, könnte dann wohl die
eine mehr oder weniger als die andere Anteil haben
an Tugend und Laster, wenn doch das Laster Mißharmonie ist und die Tugend Harmonie?
Nicht mehr.
Oder vielmehr, o Simmias, wenn wir es recht
genau nehmen, wird keine Seele irgend Anteil am
Laster haben, wenn sie Harmonie ist. Denn da die
Harmonie immer vollkommen eben dieses ist, nämlich Harmonie, so kann sie an der Mißharmonie gar
niemals Anteil haben.
Freilich nicht.
Dann also auch nicht die Seele, da sie vollkommen Seele ist, am Laster.
Wie ginge das wohl nach dem Gesagten?
Nach dieser Rede also werden uns alle Seelen
aller Lebendigen gleich gut sein, wenn sie doch
ihrer Natur nach gleich sehr dieses sind, nämlich
Seelen.
So dünkt mich auch, Sokrates, sprach er.
Dünkt es dich aber auch recht so gesagt zu sein,
und daß deine Rede dieses Schicksal hätte, wenn
die Annahme richtig wäre, daß die Seele Harmonie
sei?
Ganz und gar nicht, sagte er.
Und wie? Über alles, was an dem Menschen ist,
sagst du nicht, daß eben die Seele herrsche, zumal
noch die vernünftige?
Gewiß nichts anderes.
Und etwa immer nachgebend den Zuständen des
Leibes, oder auch ihnen widerstrebend? Ich meine
nämlich so: wenn dieser Hitze hat oder Durst, daß
sie doch auf die entgegengesetzte Seite zieht, zum
Nichttrinken, und wenn er Hunger hat, zum Nichtessen; und in tausend andern Dingen sehen wir
doch die Seele dem Leiblichen widerstreben? Oder
nicht?
Allerdings.
Haben wir aber nicht im vorigen zugegeben, daß
sie niemals, wenn sie Harmonie ist, entgegengesetzt klingen kann, wie jenes gespannt und
nachgelassen und geschwungen wird, oder was sonst dem
widerfährt, woraus sie hervorgeht; sondern daß sie
jenem folgen muß und niemals anführen?
Das haben wir zugegeben; wie sollten wir nicht?
Und wie? Scheint sie uns nun nicht doch ganz
das Gegenteil zu tun, alles jenes zu regieren, woraus man doch sagt, daß sie bestehe, und dem fast
überall das ganze Leben hindurch zu widerstreben
und es zu beherrschen auf alle Weise, bald härter
im Zaum haltend und auf schmerzhafte Weise, wie
in Sachen der Gymnastik und Heilkunst, bald wieder gelinder? Und bald drohend, bald verweisend
mit den Begierden, dem Zorn, der Furcht, als eine
andere mit einem andern redend? Etwa so, wie
auch Homeros in der Odyssee gedichtet hat, wo er
vom Odysseus sagt:
Aber er schlug an die Brust und strafte das Herz mit
den Worten:
Dulde nur aus, mein Herz, noch Härteres hast du
geduldet!
Meinst du wohl, er habe dies gedichtet in der
Meinung, sie sei eine Harmonie und eigne sich, geleitet zu werden von den Zuständen des Leibes, und
nicht selbst sie zu leiten und zu beherrschen, weil
sie nämlich etwas weit Göttlicheres ist als einer
Harmonie zu vergleichen?
Beim Zeus, Sokrates, so kommt es auch mir vor.
Also, mein Bester, mag es wohl auf keine Weise
recht sein von uns, zu sagen, die Seele sei eine Harmonie. Denn wir würden, wie wir sehen, weder mit
dem Homeros, dem göttlichen Dichter, eins sein,
noch mit uns selbst.
So verhalte es sich allerdings, sagte er.
Gut denn, sagte Sokrates, mit der Thebischen
Harmonia sind wir, wie es scheint, noch so leidlich
fertig geworden. Wie werden wir uns nun aber, o
Kebes, auch mit dem Kadmos einigen und auf welche Weise?
Das, denke ich, sprach Kebes, wirst du schon
auffinden. Diesen Beweis wenigstens gegen die
Harmonie hast du ganz wunderbar über meine Erwartung durchgeführt. Denn als Simmias sagte,
was für Zweifel er hätte, verwunderte es mich gar
sehr, was wohl jemand mit seiner Rede würde anfangen können, und doch konnte sie hernach nicht
einmal den ersten Anlauf der deinigen aushalten,
wie mir schien. So würde ich mich also auch nicht
wundem, wenn dasselbe auch der Rede des Kadmos begegnete.
O Guter, sprach Sokrates, nur nicht großsprechen, damit uns nicht ein Zauber das, was gesagt
werden soll, verrufe und verdrehe! Doch das soll
bei Gott stehen; wir aber wollen nun auf gut homerisch näher tretend heran versuchen, ob du wohl
etwas Beachtenswertes sagst. Was du aber suchst,
scheint mir der Hauptsache nach zu sein: du verlangst, es soll gezeigt werden, daß unsere Seele
unvergänglich und unsterblich ist, wenn doch ein philosophischer Mann, der, im Begriff zu sterben,
guten Mutes ist und der Meinung, daß er nach seinem Tode sich dort vorzüglich Wohlbefinden
werde, mehr als wenn er einer andern Lebensweise
folgend gestorben wäre, wenn ein solcher nicht
ganz unverständig und töricht sein soll bei seinem
guten Mut. Zu zeigen aber, daß die Seele etwas
Starkes und Göttliches ist und daß sie war, ehe wir
geboren wurden, - dies alles, behauptest du, könne
gar füglich auch keine Unsterblichkeit andeuten,
sondern daß die Seele zwar etwas lange Beharrendes ist und wer weiß wie lange Zeit vorher
irgendwo gewesen ist und vielerlei gewußt und getan
hat, aber deshalb doch noch nicht unsterblich wäre;
sondern eben dieses, daß sie in menschlichen Leib
gekommen, könne schon der Anfang ihres Unterganges gewesen sein, gleichsam als eine Krankheit,
und so könne sie in Jammer und Not dieses Leben
leben und am Ende desselben in dem, was man Tod
nennt, untergehen. Und ob sie einmal in den Leib
kommt oder oft, dies, behauptest du, könne keinen
Unterschied darin machen, daß doch jeder von uns
besorgt sein müsse: Denn es gehöre sich gar wohl,
daß jeder, wer nicht unverständig sein wolle, sich
fürchte, der nicht wisse und keine Rechenschaft
davon geben könne, daß sie unsterblich ist. Dies ist
es ungefähr, glaube ich, o Kebes, was du meinst,
und absichtlich wiederhole ich es öfter, damit uns
nichts davon entgeht und auch du, wenn du willst,
etwas hinzusetzen und davontun kannst.
Darauf sagte Kebes: Für jetzt habe ich wohl
nichts davonzutun oder hinzuzusetzen; sondern
dies ist es, was ich sagen will.
Darauf hielt Sokrates einige Zeit inne, als ob er
etwas bei sich bedächte, und sagte dann: Es ist
keine schlechte Sache, o Kebes, die du zur Sprache
bringst. Denn wir müssen nun im allgemeinen die
Ursache vom Entstehen und Vergehen behandeln.
Ich also will dir, wenn du willst, darlegen, wie es
mir damit ergeht. Scheint dir dann etwas von dem,
was ich sage, brauchbar zu sein zur Überzeugung
von dem, wonach du fragst, so brauche es!
Allerdings, sprach Kebes, das will ich!
So höre denn, was ich sagen werde: In meiner
Jugend nämlich, o Kebes, hatte ich ein wundergroßes Bestreben nach jener Weisheit, welche man die
Naturkunde nennt: denn es dünkte mich ja etwas
Herrliches, die Ursachen von allem zu wissen, wodurch jegliches entsteht und wodurch es vergeht
und wodurch es besteht, und hundertmal wendete
ich mich bald hier-, bald dorthin, indem ich bei mir
selbst zuerst dergleichen überlegte, ob, wenn das
Warme und Kalte in Fäulnis gerät, wie einige gesagt haben, dann Tiere sich bilden? Und ob es
wohl das Blut ist, wodurch wir denken, oder die
Luft oder das Feuer? Oder ob wohl keines von diesen, sondern das Gehirn uns alle Wahrnehmungen
hervorbringt, die des Sehens und Hörens und
Riechens, und aus diesen dann Gedächtnis und
Vorstellung entsteht; und ob aus Erinnerung und
Vorstellung, wenn sie zur Ruhe kommen, dann auf
dieselbe Weise Erkenntnis entsteht? Und wenn ich
wiederum das Vergehen von alle diesem betrachtete und die Veränderungen am Himmel und auf der
Erde, so kam ich mir am Ende zu dieser ganzen
Untersuchung vollkommen untauglich vor. Und
davon will ich dir hinreichenden Beweis geben.
Nämlich was ich vorher auch ganz genau wußte,
wie es mir und den andern vorkam, darüber erblindete ich nun bei dieser Untersuchung so gewaltig,
daß ich auch das verlernte, was ich vorher zu wissen glaubte von vielen andern Dingen, und so auch
davon, wodurch der Mensch wächst. Denn dies,
glaubte ich vorher, wisse jeder, daß es vom Essen
und Trinken herkäme. Denn wenn aus den Speisen
zum Fleische Fleisch hinzukommt und zu den Knochen Knochen und ebenso nach demselben
Verhältnis auch zu allem übrigen das Verwandte sich hinzufindet, dann würde natürlich die Masse, die
vorher wenig gewesen war, hernach viel, und so wurde
der kleine Mensch groß. So glaubte ich damals;
scheint dir das nicht ganz leidlich?
Ei wohl, sagte Kebes.
Bedenke auch noch dies: Ich glaubte genug
daran zu haben, wenn ein Mensch neben einem
andern kleinen stehend groß schien, daß er um
einen Kopf größer wäre, und so auch ein Pferd
neben dem andern, und was noch deutlicher ist als
dieses: zehn schien mir mehr als acht zu sein, weil
noch zwei dabei sind, und das Zweifüßige größer
als das Einfüßige, weil es um die Hälfte herüberragt.
Und jetzt, sprach Kebes, was dünkt dich jetzt
hiervon?
Daß ich, sagte er, beim Zeus, gar weit entfernt
bin, auch nur zu glauben, daß ich von irgend etwas
hiervon die Ursache wisse, da ich mir ja das nicht
einmal gelten lasse, daß, wenn jemand Eins zu
Einem hinzunimmt, dann entweder das Eine, zu
welchem hinzugenommen worden. Zwei geworden
ist, oder das Hinzugenommene und das, zu welchem hinzugenommen worden, eben weil Eins zu
dem Ändern hinzugekommen, Zwei geworden sind.
Denn ich wundere mich, wie doch, als jedes für
sich war, jedes von ihnen soll Eines gewesen sein
und sie damals nicht Zwei waren, nun sie aber einander nahegekommen, dieses die Ursache gewesen
ist, daß sie Zwei geworden sind, die Vereinigung,
daß man sie neben einander gestellt hat. Und eben
sowenig, wenn jemand Eines zerspaltet, kann ich
mich noch überreden, daß wiederum dieses, die
Spaltung, Ursache geworden ist, daß Zwei
geworden sind. Denn dies wäre ja eine ganz entgegengesetzte Ursache des Zweiwerdens als damals:
Damals nämlich, weil sie einander näher gebracht
wurden und Eines zum Andern hinzugesetzt, nun
aber, weil Eines vom Andern hinweggeführt und
getrennt wird. Auch nicht, warum Eines wird, getraue ich mich noch zu wissen, noch sonst irgend
etwas mit einem Wort, warum es wird oder vergeht
oder ist, nämlich nach dieser Art und Weise der
Untersuchung, sondern ich mische mir eine andere
auf gut Glück zusammen, diese aber lasse ich auf
keine Weise gelten. Sondern als ich einmal einen
hörte aus einem Buche vom Anaxagoras, wie er
sagte, lesen, daß die Vernunft das Anordnende ist
und aller Dinge Ursache, an dieser Ursache erfreute
ich mich, und es schien mir auf gewisse Weise sehr
richtig, daß die Vernunft von allem die Ursache ist,
und ich gedachte, wenn sich dies so verhält, so
werde die ordnende Vernunft auch alles ordnen und
jegliches stellen, so wie es sich am besten befindet.
Wenn nun einer die Ursache von jeglichem finden
wollte, wie es entsteht oder vergeht oder besteht, so
dürfe er nur dieses daran finden, wie es gerade diesem am besten sei zu bestehen oder irgend sonst
etwas zu tun oder zu leiden. Und demzufolge dann
gezieme es dem Menschen nicht, nach irgend etwas
anderem zu fragen, sowohl in bezug auf sich als
auf alles andere, als nach dem Trefflichsten und
Besten, und derselbe werde dann notwendig auch
das Schlechtere wissen: denn die Erkenntnis von
beiden sei dieselbe. Dieses nun bedenkend freute
ich mich, daß ich glauben konnte, über die Ursache
der Dinge einen Lehrer gefunden zu haben, der
recht nach meinem Sinne wäre, nämlich den Anaxagoras, der mir nun auch sagen werde, zuerst, ob
die Erde flach ist oder rund, und wenn er es mir gesagt, mir dann auch die Notwendigkeit der Sache
und ihre Ursache dazu erklären werde, indem er auf
das Bessere zurückginge und mir zeigte, daß es für
sie besser wäre, so zu sein. Und wenn er behauptete, sie stände in der Mitte, werde er mir dabei
erklären, daß es für sie besser wäre, in der Mitte zu
stehn; und wenn er mir dies deutlich machte, war
ich schon ganz entschlossen, nie mehr eine andere
Art von Ursache begehren zu wollen. Ebenso war
ich entschlossen, mich nach der Sonne gleichermaßen zu erkundigen und nach dem Monde und den
übrigen Gestirnen wegen ihrer verhältnismäßigen
Geschwindigkeit und ihrer Umwälzungen und was
ihnen sonst begegnet, woher es doch für jeden besser ist, das zu verrichten und zu erleiden, was jeder
erleidet. Denn ich glaubte ja nicht, nachdem er einmal behauptet, alles sei von der Vernunft geordnet,
daß er irgend einen anderen Grund mit
hineinziehen werde, als daß es das Beste sei, daß
sie sich so verhalten, wie sie sich verhalten; und
also glaubte ich, indem er für jedes einzelne und
für alles insgemein den Grund nachwiese, werde er
das Beste eines jeglichen darstellen und das für
alles insgesamt Gute. Und für vieles hätte ich diese
Hoffnung nicht weggegeben; sondern ganz emsig
griff ich zu den Büchern und las sie durch, so
schnell ich nur konnte, um nur aufs schnellste das
Beste zu erkennen und das Schlechtere.
Und von dieser wunderbaren Hoffnung, o
Freund, fiel ich ganz herunter, als ich fortschritt
und las und sah, wie der Mann mit der Vernunft
gar nichts anfängt und auch sonst gar nicht Gründe
anführt, die sich beziehen auf das Anordnen der
Dinge, dagegen aber allerlei Luft und Äther und
Wasser vorschiebt und sonst vieles zum Teil Wunderliches. Und mich dünkte, es sei ihm so
gegangen, als wenn jemand zuerst sagte: »Sokrates tut
alles, was er tut, mit Vernunft«, dann aber, wenn er
sich daran machte, die Gründe anzuführen von jeglichem, was ich tue, dann sagen wollte, zuerst, daß
ich jetzt deswegen hier säße, weil mein Leib aus
Knochen und Sehnen besteht und die Knochen
dicht sind und durch Gelenke voneinander geschieden, die Sehnen aber so eingerichtet, daß sie
angezogen und nachgelassen werden können und die
Knochen umgeben nebst dem Fleisch und der Haut,
welche sie zusammenhält. Da nun die Knochen in
ihren Gelenken schweben, so machten die Sehnen,
wenn ich sie nachlasse und anziehe, daß ich jetzt
imstande sei, meine Glieder zu bewegen, und aus
diesem Grunde säße ich jetzt hier mit gebogenen
Knieen. Ebenso, wenn er von unserm Gespräch andere dergleichen Ursachen anführen wollte, die
Töne nämlich und die Luft und das Gehör und tausenderlei dergleichen herbeibringend, ganz
vernachlässigend, die wahren Ursachen anzuführen,
daß nämlich, weil es den Athenern besser gefallen
hat, mich zu verdammen, deshalb es auch mir besser geschienen hat, hier sitzenzubleiben, und
gerechter geschienen hat, hier zu bleiben und die
Strafe geduldig auf mich zu nehmen, welche sie angeordnet haben. Denn, beim Hunde, schon lange,
glaube ich wenigstens, wären diese Sehnen und
Knochen in Megara oder bei den Boiotiern, durch
die Vorstellung des Besseren in Bewegung gesetzt,
hätte ich es nicht für gerechter und schöner gehalten, lieber als daß ich fliehen und davongehen
sollte, dem Staate die Strafe zu büßen, die er anordnet.
Also dergleichen Ursachen zu nennen ist gar zu
wunderlich; wenn aber einer sagte, daß, ohne dergleichen zu haben. Sehnen und Knochen und was
ich sonst habe, ich nicht imstande sein würde, das
auszuführen, was mir gefällt, der würde richtig
reden. Daß ich aber deshalb täte, was ich tue, und
es insofern mit Vernunft täte, nicht wegen der
Wahl des Besten, das wäre doch gar eine große und
breite Leichtfertigkeit der Rede, wenn sie nicht imstande wäre, zu unterscheiden, daß bei einem jeden
Dinge etwas anderes ist die Ursache und etwas anderes jenes, ohne welches die Ursache nicht
Ursache sein könnte; und eben dies scheinen mir wie im
Dunkeln tappend die meisten mit einem ungehörigen Namen, als wäre es selbst die Ursache, zu
benennen. Darum legt dann der eine einen Wirbel um
die Erde und läßt sie dadurch unter dem Himmel
stehenbleiben; der andere stellt ihr, wie einem breiten Troge, einen Fußschemel, die Luft, unter. Daß
sie aber nun so liege, wie es am besten war sie zu
legen, die Bedeutung davon suchen sie gar nicht
auf und glauben auch gar nicht, daß darin eine besondere höhere Kraft liege, sondern meinen, sie
hätten wohl einen Atlas aufgefunden, der stärker
wäre und unsterblicher als dieser, und der alles besser zusammenhielte; das Gute und Richtige aber,
glauben sie, könne überall gar nichts verbinden
und zusammenhalten. Ich nun wäre, um zu wissen,
wie es sich mit dieser Ursache verhält, gar zu gern
jedermanns Schüler geworden, da es mir aber so
gut nicht wurde und ich dies weder selbst zu finden
noch von einem andern zu lernen vermochte, -
willst du, daß ich dir von der zweitbesten Fahrt wie
ich sie durchgeführt habe zur Erforschung der Ursache, eine Beschreibung gebe, o Kebes?
Ganz über die Maßen, sprach er, will ich das.
Es bedünkte mich nämlich nach diesem, da ich
aufgegeben, die Dinge zu betrachten, ich müsse
mich hüten, daß mir nicht begegne, was denen begegnet, welche die Sonnenfinsternis betrachten und
anschauen: Viele nämlich verderben sich die
Augen, wenn sie nicht im Wasser oder sonst worin
nur das Bild der Sonne anschauen. So etwas merkte
ich auch und befürchtete, ich möchte ganz und gar
an der Seele geblendet werden, wenn ich mit den
Augen nach den Gegenständen sähe und mit jedem
Sinne versuchte, sie zu treffen. Sondern mich
dünkt, ich müsse zu den Gedanken meine Zuflucht
nehmen und in diesen das wahre Wesen der Dinge
anschauen. Doch vielleicht ähnelt das Bild auf gewisse Weise nicht so, wie ich es aufgestellt habe.
Denn das möchte ich gar nicht zugeben, daß, wer
das Seiende in Gedanken betrachtet, es mehr in
Bildern betrachte, als wer es in den Dingen betrachtet. Also dahin wendete ich mich, und indem
ich jedesmal den Gedanken zum Grunde lege, den
ich für den stärksten halte, so setze ich, was mir
mit diesem übereinzustimmen scheint, als wahr, es
mag nun von Ursachen die Rede sein oder von was
nur sonst; was aber nicht, setze ich als nicht wahr.
Ich will dir aber noch deutlicher sagen, wie ich es
meine; denn ich glaube, daß du es jetzt nicht verstehst.
Nein, beim Zeus, sagte Kebes, nicht eben sonderlich.
Ich meine es eben so, fuhr er fort, gar nichts
Neues, sondern was ich schon sonst immer und so
auch in der eben durchgeführten Rede gar nicht
aufgehört habe zu sagen: Ich will nämlich gleich
versuchen, dir den Begriff der Ursache aufzuzeigen,
womit ich mich beschäftigt habe, und komme wiederum auf jenes Abgedroschene zurück lind fange
davon an, daß ich voraussetze, es gebe ein Schönes
an und für sich und ein Gutes und Großes und so
alles andere, woraus - wenn du mir zugibst und
einräumst, daß es sei, - ich dann hoffe, dir die Ursache zu zeigen und nachzuweisen, daß die Seele
unsterblich ist.
So säume nur ja nicht, sprach Kebes, es durchzuführen, als hätte ich dir dies längst zugegeben!
So betrachte denn, fuhr er fort, was daran hängt,
ob dir das ebenso vorkommt wie mir: Mir scheint
nämlich, wenn irgend etwas anderes schön ist
außer jenem Schönen an sich, daß es wegen gar
nichts anderem schön sei, als weil es teil habe an
jenem Schönen, und ebenso sage ich von allem.
Räumst du diese Ursache ein?
Die räume ich ein, sprach er.
Und so verstehe ich denn gar nicht mehr und begreife nicht jene andern gelehrten Gründe; sondern
wenn mir jemand sagt, daß irgend etwas schön ist,
entweder weil es eine blühende Farbe hat oder Gestalt oder sonst etwas dieser Art, so lasse ich das
andere - denn durch alles übrige werde ich nur verwirrt gemacht - und halte mich ganz einfach und
kunstlos und vielleicht einfältig bei mir selbst
daran, daß nichts anderes es schön macht als eben
jenes Schöne, nenne es nun Anwesenheit oder Gemeinschaft, wie nur und woher sie auch komme,
denn darüber möchte ich nichts weiter behaupten,
sondern nur, daß vermöge des Schönen alle schönen Dinge schön werden. Denn dies dünkt mich
das Allersicherste zu antworten, für mich und für
jeden andern; und wenn ich mich daran halte, glaube ich, daß ich gewiß niemals straucheln werde,
sondern daß es für mich und jeden andern sicher ist
zu antworten, daß vermöge des Schönen die schönen Dinge schön werden. Oder dünkt dich das
nicht auch?
Das dünkt mich.
Also auch vermöge der Größe das Große groß
und das Größere größer, und vermöge der
Kleinheit das Kleinere kleiner?
Ja.
Also du würdest es auch nicht annehmen, wenn
jemand von einem sagen wollte, er sei größer als
ein anderer vermöge des Kopfes und der Kleinere
vermöge desselben auch kleiner, sondern würdest
darauf beharren, daß du gar nichts anderes meinst,
als daß alles, was größer ist als ein anderes, nur
vermöge der Große größer ist und wegen sonst
nichts, und eben um deswillen, um der Größe willen, und das Kleinere vermöge sonst nichts kleiner
als um der Kleinheit willen, und eben um deswillen
kleiner, um der Kleinheit willen. Und das aus
Furcht, glaube ich, daß dir nicht eine andere Rede
entgegentrete, wenn du sagtest, einer sei des Kopfes wegen größer und kleiner, zuerst nämlich, daß
wegen eines und desselben das Größere größer sei
und das Kleinere kleiner, und dann, daß des Kopfes
wegen, der doch selbst klein ist, das Größere größer sei, und daß das doch ein Wunder sei, daß
wegen etwas Kleinem einer groß sein soll. Oder
würdest du das nicht fürchten?
Da lachte Kebes und sagte: Freilich wohl.
Also, fuhr er fort, daß die Zehn mehr ist als die
Acht, um die Zwei, und um dieser Ursache willen
es übertreffe, der Zwei wegen, und nicht der Vielheit wegen und durch die Vielheit, - das würdest
du dich fürchten zu sagen? So auch, daß das Zweifüßige großer wäre als das Einfüßige, vermöge der
Hälfte, und nicht vermöge der Größe? Denn dabei
ist doch dieselbe Besorgnis.
Allerdings, antwortete er.
Und wie? Wenn Eines zu Einem hinzugesetzt
worden, daß dann die Hinzufügung Ursache sei,
daß Zwei geworden sind, und wenn Eines gespalten worden, dann die Spaltung, - würdest du dich
nicht scheuen, das zu sagen, und vielmehr laut erklären, du wüßtest nicht, daß irgendwie anders
jegliches werde, als indem es teil nähme an dem eigentümlichen Wesen eines jeglichen, woran es teil hat,
und so fändest du gar keine andere Ursache des
Zweigewordenseins als eben die Teilnehmung an
der Zweiheit, an welcher alles teilnehmen müsse,
was Zwei sein sollte, so wie an der Einheit, was
Eins sein sollte? Die Spaltungen aber und Hinzufügungen und andere solche Herrlichkeiten, -
würdest du die nicht liegen lassen und andern anheim
stellen, damit zu antworten, die gelehrter sind als
du; du selbst aber, aus Furcht, wie man sagt, vor
deinem eigenen Schatten und deiner Ungeschicktheit, an jener sicheren Voraussetzung dich haltend,
würdest immer so antworten? Wenn sich aber einer
an die Voraussetzung selbst hielte, würdest du den
nicht gehen lassen und nicht eher antworten, bis du,
was von ihr abgeleitet wird, betrachtet hättest, ob
es mit einander stimmt oder nicht stimmt? Und
solltest du dann von jener selbst Rechenschaft
geben, würdest du sie nicht auf die gleiche Weise
geben, nämlich eine andere Voraussetzung wieder
voraussetzend, welche dir eben von den höherliegenden die beste dünkte, bis du auf etwas
Befriedigendes kämest, nicht aber untereinandermischend
wie die Streitkünstler bald von dem ersten Grunde
reden und bald von dem daraus abgeleiteten, wenn
du nämlich irgend etwas, wie es wirklich ist, finden
wolltest? Denn jene freilich haben hieran vielleicht
gar keinen Gedanken und keine Sorge, sondern
sind imstande, wenn sie auch in ihrer Weisheit
alles durcheinander rühren, doch noch sich selbst
zu gefallen. Gehörst du aber zu den Philosophen,
so, denke ich, wirst du es so machen, wie ich sage.
Ganz vollkommen wahr redest du, sagten Simmias und Kebes zugleich.
Echekrates: Beim Zeus, o Phaidon, mit Recht! Denn
gar wunderbar einleuchtend scheint mir der Mann
dieses gesagt zu haben für jeden, der auch nur ein
wenig Vernunft hat.
Phaidon: Allerdings, o Echekrates, und so schien es
auch allen Anwesenden.
Echekrates: Und auch uns den Abwesenden, die es
jetzt hören. Aber was war nur, was hiernächst
gesagt wurde?
Phaidon: Wie ich glaube, nachdem ihm dieses eingeräumt und zugestanden war, daß jeglicher Begriff
etwas sei an sich und daß durch Teilnahme an
ihnen die andern Dinge ihre Benennung von ihnen
erhalten, so fragte er hierauf: Wenn du nun dieses
so annimmst, mußt du dann nicht, wenn du behauptest, Simmias sei größer als Sokrates, aber
kleiner als Phaidon, sagen, daß in dem Simmias
beides sei, Größe und Kleinheit?
Freilich.
Und so gestehst du doch: daß Simmias den Sokrates überragt, damit verhalte es sich nicht in der
Tat so, wie es buchstäblich ausgedrückt wird?
Denn es ist nicht des Simmias Natur, schon dadurch, daß er Simmias ist, zu überragen, sondern
durch die Größe, die er zufällig hat; auch nicht den
Sokrates zu überragen deshalb, weil Sokrates Sokrates ist, sondern nur, weil Sokrates Kleinheit hat
in bezug auf jenes Größe.
Richtig.
Auch nicht vom Phaidon überragt zu werden
deshalb, weil Phaidon Phaidon ist, sondern weil er
Größe hat in Vergleich mit Simmias' Kleinheit?
So ist es.
So hat also Simmias die Benennung, klein zu
sein und groß, selbst in der Mitte stehend zwischen
beiden, indem er vermittelst des Übertreffens durch
Größe des einen Kleinheit übertrifft, dem anderen
aber Größe zugesteht, welche seine Kleinheit übertrifft. Dabei lächelte er und sagte: Ich werde wohl
noch gar wie ein Geschichtschreiber so genau
reden; aber es verhält sich denn doch, wie ich sage.
Jener stimmte bei.
Ich sage dies aber, weil ich möchte, du wärest
derselben Meinung wie ich. Denn mir leuchtet ein,
daß nicht nur die Größe selbst niemals zugleich
groß und klein sein will, sondern daß auch die
Größe in uns niemals das Kleine aufnimmt oder
übertroffen werden will, sondern eines von beiden:
daß sie entweder flieht und aus dem Wege geht,
wenn ihr Gegenteil, das Kleine, sich nähert, oder,
wenn es da ist, untergeht, niemals aber, bleibend
und die Kleinheit aufnehmend, etwas anders sein
will, als sie war; so wie ich allerdings, aushaltend
und die Kleinheit aufnehmend, derselbe bin, der ich
war, und nur ebendieser selbe klein bin. Jene aber
hat nicht das Herz, indem sie groß ist, auch klein
zu sein. So will auch das Kleine in uns niemals
groß werden oder sein; noch auch sonst will eins
von zwei Entgegengesetzten, dasselbe bleibend,
was es war, zugleich auch sein Gegenteil werden
oder sein: sondern entweder geht es davon, oder es
geht unter, wenn ihm dies begegnet.
Auf alle Weise, sprach Kebes, leuchtet mir das
auch ein.
Da sagte einer von den Anwesenden, wer es aber
war, erinnere ich mich nicht mehr genau: Bei den
Göttern, war uns nicht in unsern vorigen Reden gerade das Gegenteil von dem, was jetzt gesagt wird,
herausgekommen, daß nämlich aus dem Kleineren
das Größere werde und aus dem Größeren das
Kleinere, und daß gerade dies die Art sei, wie Entgegengesetztes wird aus Entgegengesetztem? Nun
aber scheint mir gesagt zu werden, daß das gar
nicht möglich ist.
Sokrates hatte sich hingeneigt und zugehört und
sagte: Das hast du wacker erinnert; nur bemerkst
du nicht den Unterschied zwischen dem jetzt Gesagten und dem Damaligen. Damals nämlich wurde
gesagt, aus dem entgegengesetzten Dinge werde
das entgegengesetzte Ding; jetzt aber, daß das Entgegengesetzte selbst sein Entgegengesetztes
niemals werden will, weder das in uns noch das in der
Natur. Damals nämlich, o Freund, redeten wir von
den Dingen, die das Entgegengesetzte an sich
haben, und benannten sie mit den Namen von
jenen; jetzt aber reden wir von jenen selbst, durch
deren Einwohnung die so genannten Dinge ihre Benennung erhalten. Und von diesen selbst behaupten
wir doch wohl nicht, daß sie einen Übergang in
einander zulassen.
Zugleich sah er den Kebes an und fragte: Hat
auch dich vielleicht, o Kebes, irregemacht, was dieser sagte?
Nein, sagte Kebes, so steht es nicht mit mir;
wiewohl ich nicht sagen will, daß nicht vieles mich
irremacht.
Darüber also sind wir eins geworden, fuhr Sokrates fort, ganz unbedingt, daß das
Entgegengesetzte niemals sein Entgegengesetztes sein wird.
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